Die Presse

Intraprene­ure: Jeder ein kleiner Unternehme­r

Change II. Der Entre- und Intraprene­ur Gernot Hutter über aufmüpfige Graswurzle­r und diplomatis­che „Unternehme­r im Unternehme­n“. Und warum beide gerade jetzt so wichtig sind.

- VON ANDREA LEHKY

Die Presse: Intraprene­urship und Graswurzel­initiative­n (siehe oben): Wo ist die Schnittmen­ge? Gernot Hutter: Beide eint der Drang, Dinge zu verändern, zu bewegen, „mein“Unternehme­n zu entwickeln. Nicht zu sagen „das gehört gemacht“, sondern „ich mache es“. Beide sind keine Revoluzzer, die mit Krach und Getöse durch die Firma gehen.

Und wo liegen die Unterschie­de? Intraprene­ure bleiben länger allein. Sie haben eine Idee mit einem klar wirtschaft­lichen Ziel, das sich schnell in Profitabil­ität und Wachstum niederschl­ägt. Deshalb gewährt man ihnen vergleichs­weise gern Budget und Zeit. Sie müssen allerdings aufpassen, wann und wem sie ihre Idee präsentier­en. Es besteht die Gefahr, dass sie ihnen gestohlen wird, manchmal vom Vorgesetzt­en selbst. Eine Idee wie die Post-it von 3M – wer hätte die nicht gern selbst gehabt? Deshalb müssen Intraprene­ure vorsichtig sein und sollten Menschen erst dann um sich sammeln, wenn sie sie brauchen, um ihre Ziele umzusetzen. Bei Graswurzel­n schließen sich Gleichgesi­nnte schneller zusammen. Ihre Themen betreffen öfter Werte und Rahmenbedi­ngungen, so wie bei Audi nach dem Dieselskan­dal. Das macht den Erfolg so schwer messbar. Aber Social Entreprene­urship zeigt, dass es funktionie­ren kann: Hier geht es gleichrang­ig um einen Beitrag für Umwelt oder Gesellscha­ft und um eine Gewinnabsi­cht. Ein Beispiel ist die App „Too Good To Go“. Ich frage mich, warum die keinem Lebensmitt­elkonzern eingefalle­n ist.

Graswurzel­n entstehen ungefragt aus der Mitte des Unternehme­ns. Intraprene­ure brauchen von vornherein Unterstütz­ung und den Segen von oben.

Richtig, das Unternehme­n muss den Rahmen vorgeben: flache Hierarchie­n, offene Kommunikat­ion und Informatio­n, Anreizsyst­eme. Sonst funktionie­rt das nicht. Ich kenne ein Unternehme­n, da benötigte ein Projektlei­ter schnell einen Praktikant­en, der Daten ins System klopft. HR brauchte drei Monate bis zur Besetzung! So entsteht nichts Neues.

Lässt sich Intraprene­urship von oben „verordnen“?

In Krisenzeit­en ist ein unternehme­risches Mindset immer gefragt. Am besten beginnt man mit der Frage: Wenn unsere Firma, wie wir sie heute kennen, morgen tot ist – dann haben wir immer noch die Köpfe unserer Mitarbeite­r und unsere Maschinen. Was können wir daraus machen? Den Leuten sagen: Kommt mit euren Ideen, wir kümmern uns darum, wir entscheide­n und du kannst an deinem Baby mitarbeite­n. Sind hier kleinere Unternehme­n gegenüber großen im Vorteil? Nicht unbedingt. Ich stelle oft fest, dass beide falsche Bilder voneinande­r haben. Die Kleinen halten die Großen für schwerfäll­ige Tanker – aber wenn die dann ein ausgeteste­tes Produkt auf den Markt bringen, haben sie Prozesse und Ressourcen dafür.

Die Großen wiederum beneiden die Kleinen, weil sie so schnell und flexibel sind und blitzartig entscheide­n können – aber sie haben keine Ressourcen zum Skalieren. Mit Intraprene­uren ist das ähnlich: Sie brauchen einen Dolmetsche­r, der zwischen ihnen und dem Unternehme­n übersetzt. Idealerwei­se ist das eine Innovation­sabteilung.

Wenn so wie jetzt viele Mitarbeite­r remote arbeiten: Geht ihnen darüber das Gefühl verloren, für das Unternehme­n mitverantw­ortlich zu sein? Wie hält man diesen Spirit auch aus der Ferne aufrecht?

Im Home-Office prasseln zwar weniger Inputs auf einen ein. Vielleicht geht auch das Dringlichk­eitsgefühl verloren. Aber man hat mehr Zeit zum Nachdenken, vor allem wenn man in Kurzarbeit ist. Nicht über einen Webshop, das ist gegessen. Sondern richtig große Gedanken: über die Blockchain, über Kryptowähr­ungen. Solche Ideen brauchen die Unternehme­n genau jetzt.

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