Intrapreneure: Jeder ein kleiner Unternehmer
Change II. Der Entre- und Intrapreneur Gernot Hutter über aufmüpfige Graswurzler und diplomatische „Unternehmer im Unternehmen“. Und warum beide gerade jetzt so wichtig sind.
Die Presse: Intrapreneurship und Graswurzelinitiativen (siehe oben): Wo ist die Schnittmenge? Gernot Hutter: Beide eint der Drang, Dinge zu verändern, zu bewegen, „mein“Unternehmen zu entwickeln. Nicht zu sagen „das gehört gemacht“, sondern „ich mache es“. Beide sind keine Revoluzzer, die mit Krach und Getöse durch die Firma gehen.
Und wo liegen die Unterschiede? Intrapreneure bleiben länger allein. Sie haben eine Idee mit einem klar wirtschaftlichen Ziel, das sich schnell in Profitabilität und Wachstum niederschlägt. Deshalb gewährt man ihnen vergleichsweise gern Budget und Zeit. Sie müssen allerdings aufpassen, wann und wem sie ihre Idee präsentieren. Es besteht die Gefahr, dass sie ihnen gestohlen wird, manchmal vom Vorgesetzten selbst. Eine Idee wie die Post-it von 3M – wer hätte die nicht gern selbst gehabt? Deshalb müssen Intrapreneure vorsichtig sein und sollten Menschen erst dann um sich sammeln, wenn sie sie brauchen, um ihre Ziele umzusetzen. Bei Graswurzeln schließen sich Gleichgesinnte schneller zusammen. Ihre Themen betreffen öfter Werte und Rahmenbedingungen, so wie bei Audi nach dem Dieselskandal. Das macht den Erfolg so schwer messbar. Aber Social Entrepreneurship zeigt, dass es funktionieren kann: Hier geht es gleichrangig um einen Beitrag für Umwelt oder Gesellschaft und um eine Gewinnabsicht. Ein Beispiel ist die App „Too Good To Go“. Ich frage mich, warum die keinem Lebensmittelkonzern eingefallen ist.
Graswurzeln entstehen ungefragt aus der Mitte des Unternehmens. Intrapreneure brauchen von vornherein Unterstützung und den Segen von oben.
Richtig, das Unternehmen muss den Rahmen vorgeben: flache Hierarchien, offene Kommunikation und Information, Anreizsysteme. Sonst funktioniert das nicht. Ich kenne ein Unternehmen, da benötigte ein Projektleiter schnell einen Praktikanten, der Daten ins System klopft. HR brauchte drei Monate bis zur Besetzung! So entsteht nichts Neues.
Lässt sich Intrapreneurship von oben „verordnen“?
In Krisenzeiten ist ein unternehmerisches Mindset immer gefragt. Am besten beginnt man mit der Frage: Wenn unsere Firma, wie wir sie heute kennen, morgen tot ist – dann haben wir immer noch die Köpfe unserer Mitarbeiter und unsere Maschinen. Was können wir daraus machen? Den Leuten sagen: Kommt mit euren Ideen, wir kümmern uns darum, wir entscheiden und du kannst an deinem Baby mitarbeiten. Sind hier kleinere Unternehmen gegenüber großen im Vorteil? Nicht unbedingt. Ich stelle oft fest, dass beide falsche Bilder voneinander haben. Die Kleinen halten die Großen für schwerfällige Tanker – aber wenn die dann ein ausgetestetes Produkt auf den Markt bringen, haben sie Prozesse und Ressourcen dafür.
Die Großen wiederum beneiden die Kleinen, weil sie so schnell und flexibel sind und blitzartig entscheiden können – aber sie haben keine Ressourcen zum Skalieren. Mit Intrapreneuren ist das ähnlich: Sie brauchen einen Dolmetscher, der zwischen ihnen und dem Unternehmen übersetzt. Idealerweise ist das eine Innovationsabteilung.
Wenn so wie jetzt viele Mitarbeiter remote arbeiten: Geht ihnen darüber das Gefühl verloren, für das Unternehmen mitverantwortlich zu sein? Wie hält man diesen Spirit auch aus der Ferne aufrecht?
Im Home-Office prasseln zwar weniger Inputs auf einen ein. Vielleicht geht auch das Dringlichkeitsgefühl verloren. Aber man hat mehr Zeit zum Nachdenken, vor allem wenn man in Kurzarbeit ist. Nicht über einen Webshop, das ist gegessen. Sondern richtig große Gedanken: über die Blockchain, über Kryptowährungen. Solche Ideen brauchen die Unternehmen genau jetzt.