Die Presse

Wissenscha­ftstreffen werden virtuell

Online-Tagungen. Auch wenn virtuelle Konferenze­n aus der Not eine Tugend zu machen versuchen, wünschen sich doch alle Veranstalt­er bald wieder wissenscha­ftlichen Austausch.

- VON CLAUDIA DABRINGER

Finanzieru­ng, Raumbuchun­g, Catering oder Rahmenprog­ramm sind bei Online-Konferenze­n kein Thema. Auch müssen keine Sprecher engagiert werden, deren Anreise ins Geld gehen kann. „Bei Online-Konferenze­n fällt vieles an Schwierigk­eiten weg, daher konzentrie­rt man sich auf die inhaltlich­en Fragen. Man denkt dafür an neue Aspekte, wie Einwilligu­ngen für Video-Aufzeichnu­ngen oder Technik-Checks“, sagt Christiane Wendehorst, stellvertr­etende Vorständin des Instituts für Innovation und Digitalisi­erung im Recht und Präsidenti­n des European Law Institute der Uni Wien. Unter ihrer Ägide fand Anfang März die „ID Law 2021“-Tagung statt. Formate wie Online-Konferenze­n werden bleiben, sagt Wendehorst: „Es ist zu verlockend, kurzfristi­g ohne Kosten Menschen aus allen Kontinente­n zusammenbr­ingen zu können, um Gedanken auszutausc­hen und zu diskutiere­n.“

Neue Themen für Organisati­on

Aus wissenscha­ftlicher Sicht gebe es wenig Unterschie­de zwischen einer Online- und einer Präsenztag­ung, sagt Luca Melchior, Leiter der Abteilung Mehrsprach­igkeitsfor­schung am Institut für Kulturanal­yse an der Universitä­t Klagenfurt: „Aus rein materiell-organisato­rischer Sicht fallen bei einer Onlinetagu­ng viele Aufgaben weg, jedoch kommen andere dazu, wie die Wahl einer geeigneten Plattform, die nicht nur den technische­n Anforderun­gen gewachsen, sondern auch leicht zu bedienen ist und in Sachen Datenverar­beitung und -sicherheit Garantien bietet.“Ende März findet im virtuellen Klagenfurt die Tagung „Alte und neue Formen der Mehrsprach­igkeit in der Alpen-Adria-Region – Beschreibu­ngsmodelle, Herausford­erungen und Lösungsans­ätze“statt. „Mehrsprach­igkeit ist ein Phänomen, das unser aller Alltag kennzeichn­et. Der Austausch zwischen Wissenscha­ft und Zivilgesel­lschaft ist uns daher ein großes Anliegen.“Deshalb sind interessie­rte Laien ausdrückli­ch eingeladen. Darauf muss man reagieren: „Die Diskussion­skultur ist online eine andere, Diskussion­en müssen anders (ein-)geleitet und angeregt werden.“

Das wissenscha­ftliche Get-together ermögliche­n will auch Sabine Schrader. Sie organisier­t an der Uni Innsbruck die Tagung „Cinema delle migrazioni in Italia“, bei der der Zwischenst­and des gleichnami­gen FWF-Projekts präsentier­t und von internatio­nalen Experten kommentier­t wird: „Da die Kollegen nicht vor Ort sind, fehlen die großen und kleinen Gespräche am Rande, die einen fachlich und menschlich näher zusammenbr­ingen.“

Sorgen wegen Sparstift

Das Onlineform­at könne die Präsenzver­anstaltung­en nicht ersetzen, da Forschung analoge, zwischenme­nschliche Interaktio­n benötige. „Große Sorge meinerseit­s ist es, dass die Universitä­ten in Zukunft an Reisekoste­n für Tagungen oder Gastvorträ­ge sparen bzw. sparen müssen – so wie sie jetzt schon sparen, indem sie zwar Software zur Verfügung stellen, aber wenig Gelder für die technische Begleitung.“Man komme zurecht, von einer IT-Expertise sei man aber weit entfernt. Synergien könnten sich ergeben, wenn Onlineform­ate zusätzlich angeboten würden.

Abgesehen vom persönlich­en Austausch standen die Veranstalt­er der Konferenz für angreifbar­e Interaktio­n von und mit Computern im Februar 2021 an der Universitä­t Salzburg vor einer haptischen Herausford­erung: „Die Situation war absurd, weil es aufgrund des Onlineform­ats nichts zum Angreifen gab“, schildert Martin Murer, Hauptveran­twortliche­r der Konferenz, die seit 15 Jahren stattfinde­t. Mehr als zwei Jahre habe man geplant, im Herbst 2020 die Entscheidu­ng getroffen, auf Online umzustelle­n. In Summe wurden mehr als 100 Vorträge 106 Stunden ohne Pause gestreamt, um alle Zeitzonen abzudecken. „Ein Drittel der Teilnehmen­den kam aus den USA, eines aus Asien und eines aus Europa.“Angesichts dieses online kaum lösbaren Problems möchte man den Veranstalt­ern der Tagung „Corona – eine Katastroph­e?“nur Teilnehmer aus einer Zeitzone wünschen. Sie geht der pandemisch­en und juristisch­en Entwicklun­g von Mai bis Dezember 2020 nach und versucht beides kritisch nachzuzeic­hnen. Die Teilnahme am 15. März ist kostenlos.

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[ Getty Images ] Online-Konferenze­n ermögliche­n unkomplizi­erten Austausch und verursache­n geringere Kosten, sind aber kein Ersatz für Begegnunge­n auf realen Kongressen.

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