Was für das Aufsperren spricht
Der politische Druck auf die Regierung steigt: Vertreter der Wirtschaft drängen auf eine Öffnung der Gastronomie und der Frei
zeitbetriebe, Sportverbände wollen den Breitensport wieder aktivieren, auch Landeshauptleute und ein Teil der Opposition machen Druck für baldige Öffnungen. Nur SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner steht auf der Bremse – hat aber auch nicht die ganze Partei hinter sich: Die Wiener und burgenländischen Sozialdemokraten sind klar für weitere Öffnungsschritte. Der oberösterreichische Landeshauptmann, Thomas Stelzer (ÖVP), agierte am Freitag als Sprachrohr der Länder: „Die Bevölkerung braucht Perspektiven in Form von Öffnungsschritten“, sagte er. Denn es sei ein Scheidepunkt in Bezug darauf erreicht, ob die Maßnahmen über
haupt noch mitgetragen werden.
Negative Folgen. Der Druck aus der Politik kommt nicht von ungefähr: Die Folgen des monatelangen Lockdowns machen sich auf vielen Ebenen bemerkbar. Erstens natürlich wirtschaftlich. Das Bruttoinlandsprodukt sank im Vorjahr um 6,6 Prozent, viele Unternehmen sind gefährdet, viele Arbeitsplätze ebenso. Aber auch die psychischen Folgen des langen Zusperrens sind nicht zu unterschätzen. So hat eine Studie unter Schülern gezeigt, dass 56 Prozent der über 14-Jährigen depressive Symptome zeigen, 50 Prozent leiden an Angststörungen. Und völlig unklar ist noch, welche Auswirkungen monatelanger Distanzunterricht auf den Bildungsstand der Jugend haben wird.
Hinaus aus der Illegalität. Befürworter von Öffnungsschritten setzen auf eine paradoxe Intervention: Gerade die Öffnung könnte das Infektionsgeschehen eingrenzen. Die Argumentation: Viele hielten sich ohnehin nicht mehr an die Vorgaben, Treffen und Partys fänden statt – nur eben nicht im öffentlichen Raum, sondern im privaten Bereich, wo es nicht kontrollierbar ist. Würde man die Gastronomie öffnen, so könnten diese Treffen unter besseren Sicherheitsbedingungen stattfinden: mit Eintrittstests, Masken und kontrollierten Abständen. Und im Fall einer Infektion würde die Bereitschaft steigen, derartige legale Kontakte beim Contact Tracing anzugeben.
Hoffnung Impfung. Aber machen die steigenden Infektionszahlen weitere Öffnungsschritte nicht unmöglich? Die Hoffnung liegt auf dem Effekt der Impfungen. Bei der gefährdetsten Gruppe, den Bewohnern der Pflegeheime, ist die Impfung schon weitgehend abgeschlossen, auch andere Risikogruppen könnten bald immunisiert sein. Hilfreich ist da, dass am Freitag der Impfstoff von AstraZeneca auch für über 65-Jährige und Hochrisikopatienten zugelassen wurde. In den kommenden zwei Monaten sollte zudem wesentlich mehr Impfstoff zur Verfügung stehen – speziell dann, wenn nächste Woche der Impfstoff von Johnson & Johnson die europäische Zulassung erhalten sollte.