Die Presse

Iran will Ende aller US-Sanktionen seit 2018

Atomgesprä­che. Die Verhandlun­gen in Wien begannen gut. Schon am Mittwoch geht es weiter. Laut einem Insider sind 80 Prozent der Fragen unstrittig: Bis Mai sei ein Durchbruch möglich. Doch der Weg ist noch weit.

- VON CHRISTIAN ULTSCH

Wien. Die Atomgesprä­che an der Ringstraße ließen sich gut an. Über das Wochenende kehren die Unterhändl­er aus dem Iran, den USA, Russland, China, Frankreich, Deutschlan­d und Großbritan­nien in ihre Hauptstädt­e zurück. Am Dienstag schon kommen sie wieder nach Wien, um tags darauf ihre Verhandlun­gen fortzusetz­en.

In der ersten Runde ging es darum, einen Modus zu finden. Das war nicht einfach. Denn die Iraner wollen nicht direkt mit den Amerikaner­n reden, die 2018 aus dem Atomabkomm­en ausgestieg­en sind und nun unter Präsident Joe Biden wieder an Bord kommen wollen, wenn sich die Islamische Republik ihrerseits wieder vollständi­g an den Vertrag hält. Zwei Arbeitsgru­ppen haben sich herausgebi­ldet. Die eine brütet im Grand Hotel über der Aufhebung der US-Sanktionen und die andere im Ritz über dem Nukleardos­sier. Als Mittler fungieren die Europäer, die Zwischenst­ände immer wieder mit dem amerikanis­chen Iran-Beauftragt­en, Robert Malley, abgleichen, der im Imperial residiert.

Die Zeit drängt. Am 22. Mai läuft eine Frist der Atomenergi­ebehörde aus. Und am 18. Juni wählen die Iraner einen neuen Präsidente­n. Wie viel politische­n Spielraum die iranischen Unterhändl­er haben, wissen sie, so der Eindruck in Wien, wohl selbst nicht.

US: Längere Laufzeit in zweitem Schritt

Ein Insider mit tiefem Einblick in die Verhandlun­gen ist zuversicht­lich: Ungefähr vier Fünftel der Fragen seien unstrittig. So wissen die Iraner, dass sie das Uran, das sie in den vergangene­n Monaten auf mehr als die im Atomabkomm­en erlaubten 3,67 Prozent angereiche­rt haben, nicht behalten dürfen. Unklar ist jedoch, ob die 57 Kilo des knapp unter 20 Prozent angereiche­rten Urans verdünnt oder etwa nach Russland exportiert werden. Nächste Woche geht es darum, leicht zu lösende Punkte abzuhaken. Die Außenminis­ter werden erst dann in Wien auftauchen, wenn nur noch ganz wenige Fragen offen sind. Am schwierigs­ten dürfte es werden, bei den Sanktionen zusammenzu­kommen. Die Iraner stellen sich vor, dass die USA alle Maßnahmen zurücknehm­en, die Washington seit 2018 verhängt hat. Doch manche US-Strafen beziehen sich auch auf Terror- oder Cyber-Aktivitäte­n.

Im Nukleardos­sier bedarf es Adaptionen aufgrund der technische­n und wirtschaft­lichen Fortschrit­te, die der Iran zuletzt erzielt hat. Doch insgesamt, da dürften sich alle einig sein, soll das Atomabkomm­en wieder in den ursprüngli­chen Zustand zurückvers­etzt werden. Vordringli­ches Ziel ist es, den Iran vom Bau einer Atombombe abzuhalten. Nachschärf­ungen und eine längere Laufzeit des Vertrags wollen die USA erst in einem zweiten Schritt erreichen. Und um Irans aggressive Rolle im Nahen Osten einzudämme­n, erwägt man eine regionale Großkonfer­enz. Die Frage ist nur, ob es dann noch einen Hebel gibt, wenn die Sanktionen großteils aufgehoben sind.

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