Die Presse

„Der Minister hat wenig Ahnung von Schulorgan­isation“

Gewerkscha­ft. Die Lehrer üben wieder Kritik am Bildungsmi­nister. Die Abschlussk­lassen müssen nicht in allen Fächern vor Ort unterricht­et werden.

- VON JULIA NEUHAUSER

Wien. Die Fronten zwischen Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) und der Lehrergewe­rkschaft sind verhärtet. Auslöser dafür war die Ankündigun­g des Ministers, die Abschlussk­lassen trotz Lockdowns im Osten in die Schule zu holen, und zwar schon ab Montag. Seither wird über die Umsetzbark­eit der spontanen Vorgabe diskutiert.

Die Lehrergewe­rkschaft hält das für eine „absolut unlösbare Aufgabe“. Immerhin müssten Lehrer an einem Vormittag ihre Klassen abwechseln­d in der Schule und im Distance Learning unterricht­en. Das sei schwierig. Oft würden in der Schule die technische­n Möglichkei­ten fehlen. Neben Präsenz- und Fernunterr­icht müssen sich die Lehrer auch um die Schüler in der Betreuung kümmern. All das sei nicht zu schaffen.

Der Minister sieht das anders: „Hier ist Flexibilit­ät angesagt.“Der Stundenpla­n müsse nicht starr eingehalte­n werden. Direktoren könnten, um für mehr Praktikabi­lität zu sorgen, Stunden umschichte­n. Sie seien „Profis bei der Organisati­on des Schulbetri­ebs“. Dementspre­chend sei das schnell umsetzbar. „Da richtet man Mails an die verantwort­lichen Lehrer und sagt: ,Wir machen das am Montag so‘“, sagte er im Interview mit der „Presse“. Diese Aussage erzürnt die Gewerkscha­ft. „Der Minister hat recht, die Schulleite­r sind Profis bei der Schulorgan­isation“, sagt Lehrervert­reter Paul Kimberger zur „Presse“, deshalb wüssten sie auch, „dass das nicht einfach mit einem Mail getan ist“. Nachsatz: „Der Minister hat wenig Ahnung von Schulorgan­isation.“Spontane Umplanunge­n seien schwierig.

Am Freitagnac­hmittag kam dann der Erlass des Ministeriu­ms für das Vorgehen ab Montag. Er sieht bei der Rückholung der Abschlussk­lassen einen gewissen Spielraum für die Schulen vor. Der Präsenzunt­erricht könne „auch in Kleingrupp­en erfolgen bzw. in Organisati­onsformen, die vom regulären Stundenpla­n abweichen“.

Konzentrie­ren sollten sich die Schulen auf jene Unterricht­sgegenstän­de, „die für den positiven Abschluss bzw. Übertritt in eine weiterführ­ende Schule besonders relevant sind“, andere Fächer seien „nicht zwingend im Präsenzbet­rieb durchzufüh­ren“.

Mehr Leistung gefordert

Auch für Schularbei­ten sollen die Schüler während des Lockdowns in die Schule kommen dürfen. Allerdings gibt es in diesem Semester nur eine Schularbei­t pro Fach. Es sei „nicht die Zeit, um besonders hart zu sein“, sagte Faßmann. Das sehen nicht alle so. Der coronabedi­ngte Aufruf zu mehr Milde hat zu einer „Wiederbele­bung“der vor zehn Jahren gegründete Bildungspl­attform Leistung & Vielfalt geführt. Immer öfter würden Volksschul­lehrer unter Druck gesetzt, die Kinder ausschließ­lich mit Sehr gut zu beurteilen, um ihnen einen AHS-Platz zu sichern. „So kommen immer mehr Kinder in die AHS, die durch die Schulart überforder­t sind“, beklagt Proponenti­n und Sprecherin der AHS-Direktoren, Isabella Zins.

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