Die Presse

Überfüllte Gefängniss­e: Fußfessel soll Abhilfe schaffen

Reform. Die Arbeitsgru­ppe „Strafvollz­ug“empfiehlt eine Verdoppelu­ng der maximal möglichen Hausarrest­zeit – das wären dann zwei Jahre.

- VON MANFRED SEEH

Wien. Bei Häftlingen, die ihre Strafzeit bis zum letzten Tag absitzen müssen (das betrifft ungefähr ein Drittel), wird fast jeder Zweite innerhalb von vier Jahren rückfällig. Bei Gefangenen, die vorzeitig bedingt (vielfach mit Auflagen) entlassen werden, liegt diese Quote bei „nur“36 Prozent. Insofern will Justizmini­sterin Alma Zadic´ (Grüne) künftig bei Maßnahmen wie der bedingten Strafnachs­icht oder der Fußfessel ansetzen, um überfüllte Gefängniss­e zu entlasten.

Dazu liegt nun der Abschlussb­ericht der Arbeitsgru­ppe „Strafvollz­ug“vor. Darin geht es um fünf Punkte: Die Möglichkei­t, eine Gefängniss­trafe durch elektronis­ch überwachte­n Hausarrest zu ersetzen, soll ausgeweite­t werden. Schon vor sechs Jahren ertönte dieser Ruf aus dem von Wolfgang Brandstett­er (er war von der ÖVP nominiert worden) geführten Justizress­ort.

Der Hausarrest ist 2010 eingeführt worden. Seither befanden sich 7800 Personen in dieser Vollzugsfo­rm, waren also Träger einer (elektronis­chen) Fußfessel. Mehr als eine Million Hafttage wurden seither zu Hause verbracht. Es gab „nur“747 Abbrüche dieser Vollzugsfo­rm. Aktuell tragen 366 Personen in Österreich eine Fußfessel.

Derzeit kann eine Strafe von bis zu einem Jahr im Hausarrest verbüßt werden. Künftig sollen es zwei Jahre sein. Laut Zadic´ könnte die Reform (vorbehaltl­ich der Begutachtu­ng) im Herbst beschlosse­n werden.

Grasser als Anwender?

Der wohl prominente­ste Anwender der „Fußfessel neu“könnte ExFinanzmi­nister Karl-Heinz Grasser sein. Sollte seine im BuwogProze­ss ausgefasst­e Strafe rechtskräf­tig werden (erstinstan­zlich: acht Jahre Haft; dies könnte sich in zweiter Instanz reduzieren), könnte er immerhin zwei Jahre lang mit einer „Fessel“am Fußgelenk leben – und so dem Gefängnis fernbleibe­n. Jedenfalls empfiehlt die Arbeitsgru­ppe, auch zusätzlich­e Ausgangsge­nehmigunge­n für Verurteilt­e, die im Hausarrest leben, zu schaffen. Ebenso „überwachun­gsfreie Zeit“soll es für Fesselträg­er künftig geben.

Die bedingte Entlassung von Gefangenen (Entlassung auf Bewährung) soll noch weiter ausgebaut werden. Dies soll möglich sein, indem man bei der Prüfung einer solchen Entlassung generalprä­ventive Überlegung­en (etwa solche zur Abschrecku­ng der Gesellscha­ft) kurzerhand weglässt. Zudem sollen fachkundig­e Laienricht­er in die Entlassung­sentscheid­ung eingebunde­n werden.

Für Häftlinge soll es schon bei Freiheitss­trafen ab drei Monaten einen Vollzugspl­an (Ausgestalt­ung der Strafe, Vorbereitu­ng auf die Entlassung) geben. Derzeit ist dies ab einer Strafzeit von mehr als 18 Monaten obligat. Ein bemerkensw­erter Punkt, der bei Erstellung künftiger Vollzugspl­äne laut Abschlussb­ericht beachtet werden soll: „Verhinderu­ng von Frustratio­n“. Bei U-Häftlingen soll auf freiwillig­er Basis (es gilt ja die Unschuldsv­ermutung) eine „U-HaftGestal­tungsverei­nbarung“möglich sein, im Sinn eines „Vollzugspl­ans light“.

Apropos U-Haft: Hier soll es Sozialnetz­konferenze­n für Erwachsene geben. Bisher werden solche Konferenze­n (Erstellung eines Zukunftspl­ans unter Einbindung des sozialen Umfelds) nur für Jugendlich­e und junge Erwachsene abgehalten.

Zudem sollen auch Erwachsene mehr als ein Jahr Strafaufsc­hub bekommen können. Nämlich um eine Ausbildung abschließe­n zu können.

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[ APA/Neubauer] Derzeit befinden sich bundesweit rund 8500 Personen in Haft. Diese Zahl wollen Justizmini­sterin Alma Zadic´ (Grüne) und Strafvollz­ugGenerald­irektor Friedrich Koenig senken.

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