Die Schattenseiten der neuen Liebe zur Natur
Alpen. Die Pandemie lockt die Menschen ins Freie, der Druck auf einsame Fleckerl wird zum Problem für geschützte Landschaften.
Salzburg. Das Wenger Moor in Köstendorf gehört zu den schönsten Moorgebieten Österreichs. Seltene Pflanzen wie die Sibirische Schwertlilie oder der Lungenenzian haben hier ebenso ihren Lebensraum wie gefährdete Vogelarten.
Unter anderem brütet der Große Brachvogel im Wenger Moor, das seit Jahrzehnten unter strengem Naturschutz steht. Ein Schutz, der aber immer wieder missachtet wird. „Wir merken, dass die Suche nach einsamen Plätzen in der Natur stark zugenommen hat. Der Druck auf die Naturschutzgebiete steigt“, sagt Alexander Leitner, der Leiter der Salzburger Berg- und Naturwacht, im Gespräch mit der „Presse“.
Die Coronapandemie seit einem Jahr hat diesen Trend zusätzlich verstärkt. Mit allen Nebenerscheinungen, die das mit sich bringt. So wollen viele Menschen bei diesem Raus in die Natur möglichst nahe an den Ausgangspunkten ihrer Touren parken. Egal, ob es dort geeignete Stellflächen gibt oder nicht – und zerstören dabei mitunter sensible Feuchtwiesen und Ufergebiete.
Probleme gibt es damit in Salzburg nicht nur im Wenger Moor, sondern auch an den Trumer Seen, am Mattsee, im Moorbereich des Fuschlsees oder auf der Salzburger Seite des Mondsees.
„Manchmal stehen die Autos direkt neben der Hinweistafel, dass es sich hier um ein Landschaftsschutzgebiet handelt“, ärgert sich Leitner über die Ignoranz.
Vier Mal so viele Anzeigen
Rund 500 Männer und Frauen tun als ehrenamtliche Mitarbeiter der Berg- und Naturwacht in Salzburg regelmäßig ihren Dienst. Menschen aller Altersgruppen, die sich für den Schutz der Natur engagieren und viel Zeit in Aus- und Weiterbildung investieren.
„Wir setzen zuerst auf Information und Bewusstseinsbildung“, sagt Leitner. Hilft das nicht, können auch Organstrafmandate und Anzeigen ausgesprochen werden. Wie sehr der Druck auf ökologisch sensible Gebiete steigt, lässt sich anhand der verfügten Anzeigen ablesen: Waren es im Jahr 2019 nur 65 Anzeigen, kletterte deren Zahl im Land Salzburg auf 258 im Jahr 2020 – mehr als vier Mal so viele.
Das Wenger Moor ist nur ein Beispiel für jene landschaftlich reizvollen Gebiete, die besonders unter dem starken Ansturm von Ruhe- und Erholungssuchenden leiden. Auch im Bereich des Tauglgries im Tennengauer Ort Bad Vigaun sorgen die vielen Besucher für Probleme. Weil in diesem Bereich seltene Flussuferläufer oder Flussregenpfeifer brüten, gilt von 1. April bis 31. Juli ein Betretungsverbot – das aber immer wieder missachtet wird.
„Es geht darum, die Gelege vor dem Zertreten zu schützen“, begründet Leitner das Verbot. Die Eier sehen nämlich Steinen zum Verwechseln ähnlich. Außerdem kühlen die Nester aus, wenn die Eltern durch die Störung länger nicht zurückkehren können.
Ähnliche Probleme gibt es in fast allen Naturschutzgebieten in ganz Österreich. „Der Druck auf die einsamen Orte ist durch die Coronapandemie enorm gestiegen“, beobachtet Leitner.
Gab es früher zumindest während des Winters eine Ruhepause für Tiere und Pflanzen, hat der Trend zum Tourengehen und Schneeschuhwanderungen die Störungen auch in der kalten Jahreszeit vervielfacht. Müssen Tiere im Schnee flüchten, verlieren sie viel Energie. Das kann schnell lebensbedrohlich werden.
Problemfall Müll
Dass viele Wanderer und Spaziergänger die Reste ihrer Jause nicht mitnehmen und viel Müll zurücklassen, ist ein weiteres Problem. „Selbst wenn ganz in der Nähe Müllkübel aufgestellt sind, nützt das wenig“, beobachtet Leitner nach eigenen Angaben.
Eine Entsorgungsaktion zwischen zwei nur 200 Meter voneinander aufgestellten Abfallcontainern erbrachte kürzlich einen Berg illegal entsorgter Getränkeflaschen, -dosen und Jausensackerl. Das ist eine der Kehrseiten der neu entdeckten Liebe der Österreicher zur Natur.
Wir merken, dass die Suche nach einsamen Plätzen in der Natur stark zugenommen hat. Der Druck auf die Naturschutzgebiete steigt.“
Alexander Leitner, Leiter der Salzburger Berg- und Naturwacht