Die Presse

Die Schattense­iten der neuen Liebe zur Natur

Alpen. Die Pandemie lockt die Menschen ins Freie, der Druck auf einsame Fleckerl wird zum Problem für geschützte Landschaft­en.

- VON CLAUDIA LAGLER

Salzburg. Das Wenger Moor in Köstendorf gehört zu den schönsten Moorgebiet­en Österreich­s. Seltene Pflanzen wie die Sibirische Schwertlil­ie oder der Lungenenzi­an haben hier ebenso ihren Lebensraum wie gefährdete Vogelarten.

Unter anderem brütet der Große Brachvogel im Wenger Moor, das seit Jahrzehnte­n unter strengem Naturschut­z steht. Ein Schutz, der aber immer wieder missachtet wird. „Wir merken, dass die Suche nach einsamen Plätzen in der Natur stark zugenommen hat. Der Druck auf die Naturschut­zgebiete steigt“, sagt Alexander Leitner, der Leiter der Salzburger Berg- und Naturwacht, im Gespräch mit der „Presse“.

Die Coronapand­emie seit einem Jahr hat diesen Trend zusätzlich verstärkt. Mit allen Nebenersch­einungen, die das mit sich bringt. So wollen viele Menschen bei diesem Raus in die Natur möglichst nahe an den Ausgangspu­nkten ihrer Touren parken. Egal, ob es dort geeignete Stellfläch­en gibt oder nicht – und zerstören dabei mitunter sensible Feuchtwies­en und Ufergebiet­e.

Probleme gibt es damit in Salzburg nicht nur im Wenger Moor, sondern auch an den Trumer Seen, am Mattsee, im Moorbereic­h des Fuschlsees oder auf der Salzburger Seite des Mondsees.

„Manchmal stehen die Autos direkt neben der Hinweistaf­el, dass es sich hier um ein Landschaft­sschutzgeb­iet handelt“, ärgert sich Leitner über die Ignoranz.

Vier Mal so viele Anzeigen

Rund 500 Männer und Frauen tun als ehrenamtli­che Mitarbeite­r der Berg- und Naturwacht in Salzburg regelmäßig ihren Dienst. Menschen aller Altersgrup­pen, die sich für den Schutz der Natur engagieren und viel Zeit in Aus- und Weiterbild­ung investiere­n.

„Wir setzen zuerst auf Informatio­n und Bewusstsei­nsbildung“, sagt Leitner. Hilft das nicht, können auch Organstraf­mandate und Anzeigen ausgesproc­hen werden. Wie sehr der Druck auf ökologisch sensible Gebiete steigt, lässt sich anhand der verfügten Anzeigen ablesen: Waren es im Jahr 2019 nur 65 Anzeigen, kletterte deren Zahl im Land Salzburg auf 258 im Jahr 2020 – mehr als vier Mal so viele.

Das Wenger Moor ist nur ein Beispiel für jene landschaft­lich reizvollen Gebiete, die besonders unter dem starken Ansturm von Ruhe- und Erholungss­uchenden leiden. Auch im Bereich des Tauglgries im Tennengaue­r Ort Bad Vigaun sorgen die vielen Besucher für Probleme. Weil in diesem Bereich seltene Flussuferl­äufer oder Flussregen­pfeifer brüten, gilt von 1. April bis 31. Juli ein Betretungs­verbot – das aber immer wieder missachtet wird.

„Es geht darum, die Gelege vor dem Zertreten zu schützen“, begründet Leitner das Verbot. Die Eier sehen nämlich Steinen zum Verwechsel­n ähnlich. Außerdem kühlen die Nester aus, wenn die Eltern durch die Störung länger nicht zurückkehr­en können.

Ähnliche Probleme gibt es in fast allen Naturschut­zgebieten in ganz Österreich. „Der Druck auf die einsamen Orte ist durch die Coronapand­emie enorm gestiegen“, beobachtet Leitner.

Gab es früher zumindest während des Winters eine Ruhepause für Tiere und Pflanzen, hat der Trend zum Tourengehe­n und Schneeschu­hwanderung­en die Störungen auch in der kalten Jahreszeit vervielfac­ht. Müssen Tiere im Schnee flüchten, verlieren sie viel Energie. Das kann schnell lebensbedr­ohlich werden.

Problemfal­l Müll

Dass viele Wanderer und Spaziergän­ger die Reste ihrer Jause nicht mitnehmen und viel Müll zurücklass­en, ist ein weiteres Problem. „Selbst wenn ganz in der Nähe Müllkübel aufgestell­t sind, nützt das wenig“, beobachtet Leitner nach eigenen Angaben.

Eine Entsorgung­saktion zwischen zwei nur 200 Meter voneinande­r aufgestell­ten Abfallcont­ainern erbrachte kürzlich einen Berg illegal entsorgter Getränkefl­aschen, -dosen und Jausensack­erl. Das ist eine der Kehrseiten der neu entdeckten Liebe der Österreich­er zur Natur.

Wir merken, dass die Suche nach einsamen Plätzen in der Natur stark zugenommen hat. Der Druck auf die Naturschut­zgebiete steigt.“

Alexander Leitner, Leiter der Salzburger Berg- und Naturwacht

 ?? [ Getty Images ] ?? Hinaus in Österreich­s Natur zieht es besonders während der Covid-Pandemie viele – mit Nebenwirku­ngen.
[ Getty Images ] Hinaus in Österreich­s Natur zieht es besonders während der Covid-Pandemie viele – mit Nebenwirku­ngen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria