Sie schmelzen und schmelzen – die Gletscher Österreichs
Klimawandel. Im Schnitt haben die heimischen Gletscher binnen eines Jahres 15 Meter verloren. Der Alpenverein drängt auf besseren Schutz.
Innsbruck. Ein wenig ist der Klimawandel seit Corona in den Hintergrund gerückt. Aber eines hätten die beiden Krisen gemeinsam, sagte die Alpenvereins-Vizepräsidentin Ingrid Hayek am Freitag: „Viele Leute leugnen sie oder nehmen sie nicht wirklich ernst, weil sie verursacht werden durch etwas, was wir mit unseren Sinnesorganen nicht wahrnehmen können. Wäre CO2 neongelb oder giftgrün, hätten wir schon längst eine CO2-Steuer.“
Und so bleiben statt den Ursachen für den Klimawandel seine Auswirkungen als sichtbares Zeichen. Konkret etwa: der Gletscherschwund. Als stille Mahnmale der klimatischen Veränderungen seien die Gletscher in ein paar Jahrzehnten nicht mehr wiederzuerkennen. Denn das einst ewige Eis schwindet und schwindet. Auch zuletzt sind die heimischen Gletscher wieder empfindlich geschrumpft.
Durchschnittlich sind die österreichischen Gletscher laut dem aktuellen Gletscherbericht des Alpenvereins binnen eines Jahres um rund 15 Meter zurückgegangen – obwohl der Winter 2019/20 relativ niederschlagsreich war und große Teile der Gletscher bis Juli von Schnee bedeckt waren. Die überdurchschnittlich hohen Temperaturen im August und September haben dem Eis allerdings trotzdem stark zugesetzt.
Pasterze verlor 52,5 Meter
Insgesamt haben sich 85 der 92 beobachteten Gletscher – die laut Alpenverein repräsentativ sind für die rund 900, die es in Österreich gibt – weiter zurückgezogen. Nur sieben sind mit einer Längenänderung von weniger als einem Meter stationär geblieben. Bei manchen Gletschern sind die Veränderungen extrem: etwa beim Hornkees in den Zillertaler Alpen (Tirol), der 2019/20 mit 104 Metern am stärksten geschrumpft ist.
Überdurchschnittlich zurückgegangen ist demnach auch Österreichs größter Gletscher, die Pasterze am Großglockner. Sie habe zuletzt 52,5 Meter an Länge eingebüßt. Im Vergleich zum Vorjahr ist dort auch die gesamte Gletscherzunge um durchschnittlich 6,1 Meter eingesunken – etwas mehr als in der Messperiode 2018/2019.
Drei weitere Gletscher zogen sich um mindestens 50 Meter zurück: der Alpeinerferner (Stubaier Alpen, Tirol) mit 67,2 m, der Gepatschferner (Ötztaler Alpen, Tirol) mit 51,5 m und das Schlatenkees (Venedigergruppe, Salzburg) mit 50,0 Metern.
Zusätzlich zu den Längenänderungen wurden Veränderungen registriert, die zwar in Zahlen nicht erfassbar sind, aber den Gletscherschwund belegen: etwa eisfrei werdende Felsbereiche, großflächiger Eiszerfall, ausdünnendes Eis, Anreicherung von Schutt und neue Seen. „Das vergangene Beobachtungsjahr ist ein weiteres in einer Periode drastischen Gletscherschwundes, die wohl noch lang andauern wird“, so Gerhard Lieb, Leiter des Gletschermessdienstes des Alpenvereins, und Forscher Andreas Kellerer-Pirklbauer von der Uni Graz.
„Wollen keine Fake-Bilder“
Der Alpenverein drängt daher vehement auf einen besseren Schutz hochalpiner Flächen – auch der Gletschervorfelder. Jetzt habe man einen „Gletscherschutz, von dem Skigebiete ausgenommen sind“, sagte Vizepräsidentin Hayek. Gletscherschutz bedeute aber: „Schutz ohne Wenn und Aber.“Sie hoffe auf die Unterstützung aus Politik und Tourismus und darauf, dass der Alpenverein nicht „als ewiger Verhinderer, sondern als Bewahrer“gesehen werde. „Schließlich werben wir in Österreich auch mit den wunderbaren Bildern, wir wollen ja keine Fake-Bilder in die Welt setzen.“(APA/beba)