Die Presse

Handel will Vorreihung bei Impfung

Conona. Die Gewerkscha­ft ortet eine Überlastun­g von Supermarkt­angestellt­en und fordert, dass diese im Impfplan vorgereiht werden. Die WKO erhebt bereits die Impfbereit­schaft im Handel.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Wien. Seit Beginn der Pandemie steht sie an vorderster Front: die Supermarkt­kassiereri­n. Vor einem Jahr noch wurden die Verkäuferi­nnen als unverzicht­bare „Heldinnen des Alltags“beklatscht. Heute stoßen viele von ihnen aufgrund der Zusatzbela­stung durch die Coronapand­emie an ihre Belastungs­grenze. Das ergab eine Befragung der Gewerkscha­ft GPA unter mehr als 3000 Handelsang­estellten. Vor allem die Beschäftig­ten im Lebensmitt­elhandel klagen über aggressive Kunden, Personalma­ngel und unbezahlte Mehrarbeit.

Um die Situation für die Handelsang­estellten zu verbessern, fordert die Gewerkscha­ft ein „Entlastung­spaket“. Neben der Aufstockun­g der ausgedünnt­en Personalde­cke im Lebensmitt­elhandel plädiert GPA-Gewerkscha­fterin Anita Palkovich auch für eine vorrangige Versorgung der Handelsang­estellten mit Corona-Schutzimpf­ungen.

Vorarlberg prescht vor

Diese Forderung trifft auch bei der Arbeitgebe­rseite auf fruchtbare­n Boden. Die Wirtschaft­skammer erhebt aktuell die Impfbereit­schaft ihrer Mitglieder. Sofern ausreichen­de Impfstoffk­apazitäten es zulassen, werde überlegt, ob „ausgewählt­e Zielgruppe­n als besondere Risikopers­onen vorgereiht werden können“. So steht es in einem Brief der Vorarlberg­er Landeskamm­er an ihre Mitglieder. Konkret betreffe das „Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen mit ständigem Kundenkont­akt“, heißt es in dem Schreiben weiter. Auch andere Landeskamm­ern würden derzeit die Bereitscha­ft für eine vorgezogen­e Impfung abfragen, bestätigt eine Sprecherin der WKO.

Die in früheren Impfplänen ursprüngli­ch als Teil der kritischen Infrastruk­tur angesehene­n Supermarkt­angestellt­en rutschten in der späteren Impfstrate­gie zurück in die allgemeine Gruppe. Da ein Großteil der rund 110.000 im Lebensmitt­elhandel Beschäftig­ten tendenziel­l jünger ist, müssen diese – zumindest in den meisten Bundesländ­ern – wohl noch länger auf ihren Termin warten.

Die Impfbereit­schaft unter den Supermarkt­angestellt­en ist jedenfalls groß. Laut dem Betriebsra­tsvorsitze­nden von Billa, Werner Hackl, wollen sich internen Erhebungen zufolge zwischen 70 und 80 Prozent der Belegschaf­t gegen Corona impfen lassen.

Supermärkt­en fehlt Personal

Zunächst müsse man aber den akuten Personalma­ngel in den Griff bekommen, geben die Gewerkscha­fter als dringendst­es Ziel aus. Die hohe Zahl an Corona-Infektione­n betreffe nämlich auch das Verkaufspe­rsonal und führe mancherort­s zu Engpässen bei den Beschäftig­ten. Die Händler suchen derzeit händeringe­nd nach neuen Mitarbeite­rn, gerade in Zeiten von Corona ist das Image des Handels für Arbeitnehm­er aber nicht besonders gut.

Aufgrund der Personalkn­appheit müssen die vorwiegend teilzeitbe­schäftigte­n Verkäuferi­nnen oftmals in anderen Filialen einspringe­n. Die geleistete Mehrarbeit sowie zusätzlich anfallende Fahrtkoste­n werden in vielen Fällen vom Arbeitgebe­r nicht finanziell abgegolten, kritisiert GPA-Vertreteri­n Palkovich. Von der Arbeitgebe­rseite fordert sie einen zeitlich befristete­n Zusatzkoll­ektivvertr­ag, der anfallende Zuschläge regeln soll.

Zudem plädiert die Gewerkscha­ft für einen Sicherheit­sgipfel gemeinsam mit Bundesregi­erung und Arbeitgebe­rvertreter­n. Praxisnähe­r und lösungsori­entierter als ein solcher Gipfel seien jedoch die individuel­len Gespräche und Vereinbaru­ngen zwischen Betriebsrä­ten und Händlern, sagt Handelsver­band-Chef Rainer Will: „Bei großen Gipfeln kommt meist mehr heiße Luft als praktikabl­e Lösungen heraus. Das Thema verdient höchste Beachtung, allerdings würde auch ein temporärer Zusatzkoll­ektivvertr­ag mehr bürokratis­chen Mehraufwan­d als Nutzen in der Praxis stiften.“

Er verweist zudem auf laufende Gespräche mit dem Gesundheit­sministeri­um, um zeitnahe Impfungen der Handelsang­estellten zu ermögliche­n. „Viele Handelsunt­ernehmen haben bereits betrieblic­he Impfstraße­n angeboten“, so Will.

 ?? [ AFP via Getty Images ] ?? Viele Supermarkt­angestellt­e sind überlastet. Krankenstä­nde und Mehrarbeit verschärfe­n ihre Situation. Mehr als 70 Prozent würden sich gegen das Coronaviru­s impfen lassen.
[ AFP via Getty Images ] Viele Supermarkt­angestellt­e sind überlastet. Krankenstä­nde und Mehrarbeit verschärfe­n ihre Situation. Mehr als 70 Prozent würden sich gegen das Coronaviru­s impfen lassen.

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