Der Bitcoin-Boom wird zum Desaster für die Umwelt
Strom. Jede Bitcoin-Transaktion frisst mehr Strom, als ein Österreicher pro Monat braucht. Der jüngste Preisanstieg verschärft das Problem.
Wien. Der Hype um die Kryptowährung Bitcoin findet kein Ende. Seit Tesla-Chef Elon Musk seine Liebe zur Kryptowährung offenbart hat, steigt der Preis durch die Decke. Seit Jahresbeginn hat sich der Wert eines Bitcoin vom einstigen Rekordstand von 20.000 US-Dollar auf 60.000 Dollar verdreifacht.
Das ist nicht nur gut für Spekulanten. In Ländern wie Argentinien hilft die digitale Währung Menschen auch, sich vor horrender Inflation zu schützen. Der große Haken: Bitcoin verbraucht horrend viel Energie. Eine einzige Transaktion benötigt mehr Strom, als ein durchschnittlicher Österreicher in fünf Wochen verbraucht. Und das ist erst der Anfang.
Denn der hohe Energiebedarf ist integraler Bestandteil des Bitcoin-Systems. Während bei anderen Währungen üblicherweise große Institutionen wie Banken, Staaten oder Zentralbanken für das notwendige Vertrauen der Nutzer sorgen, übernimmt diesen Teil bei Bitcoin die Technologie.
Mehr Strom als ganz Österreich
Im Mittelpunkt steht die Blockchain, eine öffentliche und dezentral gespeicherte Liste, in der alle Bitcoin-Überweisungen gespeichert werden. Meist werden Hunderte Transaktionen in einem neuen Block zusammengefasst und der bisherigen Blockchain hinzugefügt. Hier kommen die sogenannten Miner (Schürfer) ins Spiel. Denn der Block gilt erst, wenn er von einem Miner bestätigt wurde. Sie lassen ihre Computer auf Hochtouren laufen, um als Erste den richtigen Hashwert, eine Art kryptografische Prüfsumme, zu errechnen. Das ist mehr oder weniger Versuch und Irrtum. Im Schnitt brauchen die Miner gemeinsam 150 Trillionen (das sind 18 Nullen nach 150) Versuche, um den richtigen Wert zu errechnen. Das frisst jede Menge Strom.
Der Gewinner erhält zur Belohnung Bitcoin. Zuletzt verdienten alle digitalen Goldschürfer in Summe 20,8 Milliarden Dollar im Jahr mit diesem Geschäft. Um das zu erreichen, verbrauchten sie laut dem Datendienst Digiconomist allerdings rund 94 Terawattstunden (TWh) Elektrizität. Zum Vergleich: Österreich kam im Vorjahr mit 73,5 TWh Strom aus.
Aktion scharf gegen Miner?
Doch die große Explosion beim Energieverbrauch steht uns noch bevor, warnt Finanzökonom Alex de Vries in einer aktuellen Studie. Seine These: Je teurer Bitcoin wird, desto mehr Menschen steigen ein, rüsten ihre Bitcoin-Farmen auf und steigern so den Energieverbrauch. Die Einstiegshürde ist nicht hoch: Mitmachen kann jeder, der ein paar Tausend Euro für ein entsprechend leistungsstarkes Gerät auf den Tisch legt.
Schon im Jänner gaben erste Hersteller von Mining-Computern bekannt, dass sie bis August ausverkauft seien. Der Zustrom an neuen Minern dürfte also noch einige Zeit weitergehen. De Vries geht davon aus, dass schon ein stabiler Preis von 42.000 Dollar ausreicht, um den jährlichen Stromverbrauch des Bitcoin-Netzwerks auf 184 TWh zu hieven. Das ist in etwa so viel, wie alle Datenzentren der Welt gemeinsam verbrauchen. „Diese Datenzentren dienen jedoch dem Großteil der Zivilisation“, sagt de Vries. „Und dann gibt es Bitcoin, der fast niemandem nützt und es trotzdem schafft, genauso viel Strom zu verbrauchen.“Erschwerend kommt hinzu, dass auch sinkende Preise nichts daran ändern. Denn wer einmal in das notwendige Equipment investiert hat, lässt den Computer auch laufen, wenn die Belohnung dafür etwas geringer ausfällt. Zudem führe Bitcoin-Hype zu tonnenweise Elektronikschrott und verschärfe die Engpässe bei Halbleitern.
In den Augen von de Vries ist all das genug für Staaten, schärfer gegen Bitcoin-Miner vorzugehen. Auf die digitale Währung selbst mögen die Nationalstaaten wenig Zugriff haben. Bei der Infrastruktur sieht das schon anders aus.