Die Presse

Varta will Batterie in sechs Minuten aufladen

E-Autos. Der deutsche Batteriehe­rsteller Varta will nun auch Zellen für Elektroaut­os fertigen. Die Eigenentwi­cklung soll Kunden vor allem durch eine Eigenschaf­t überzeugen: In drei Minuten soll sie zu 80 Prozent aufgeladen sein.

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Ellwangen/Wien. Offiziell bestätigt es niemand, aber Insider wissen es: Die beliebten Apple AirPods-Kopfhörer werden aus kleinen Akkus von Varta mit Strom versorgt. Ebenso viele Kopfhörer der Konkurrenz und die meisten Hörgeräte.

Bei den sogenannte­n Mikrobatte­rien ist das deutsche Unternehme­n im Mehrheitsb­esitz des Österreich­ers Michael Tojner unangefoch­tener Weltmarktf­ührer. Genauso, wie die Asiaten den Markt für große Batterieze­llen, die beispielsw­eise in E-Autos zum Einsatz kommen, dominieren.

Jetzt aber wagt Varta den Sprung in die Fertigung großer Zellen und stellte am Freitag eine Batterie vor, die – wenn sich die Angaben in der Praxis bewahrheit­en – alle bekannten Produkte der Konkurrenz in den Schatten stellen. Die Zelle im Format 21700 (sieben Zentimeter Länge bei einem Durchmesse­r von 2,1 Zentimeter) soll innerhalb von nur drei Minuten auf 80 Prozent ihrer

Leistung aufgeladen werden können. Nach sechs Minuten sei sie vollständi­g aufgeladen, erklärte Varta-CEO Herbert Schein bei der Onlinepräs­entation. Das sind Werte, von denen man beim Betrieb von Elektroaut­os träumt.

Dort soll die V4Drive genannte Zelle unter anderem auch eingesetzt werden. Schein fügte allerdings einschränk­end hinzu, dass es um das Segment der Premiumaut­os gehe. Ob das bedeutet, dass die Batterie für den Einsatz in preisgünst­igeren Elektromod­ellen schlicht zu teuer ist, blieb unklar. Ein Batterieex­perte erklärte, dass die Zelle deshalb primär auf das Premiumseg­ment ziele, weil dort eine schnelle Ladung und schnelle Energieber­eitstellun­g mit 800-Volt-Systemen besonders gefragt sei.

Die Produktion der Zelle soll noch heuer in kleineren Stückzahle­n beginnen, bis 2022 soll die Energiedic­hte zusätzlich um 20 Prozent gesteigert werden. Mögliche weitere Einsatzgeb­iete sind akkubetrie­bene Haushaltsg­eräte (Staubsauge­r) oder auch Werkzeug, wie Bohrmaschi­nen.

Schon vor einigen Wochen hat Varta eine Batterie-Kooperatio­n mit den Motorradun­ternehmen des Oberösterr­eichers Stefan Pierer vereinbart. Zu Pierer Mobility gehört KTM und Husqvarna. KTM hat seit mehreren Jahren ein einziges rein elektrisch angetriebe­nes Motocross-Motorrad im Angebot (KTM Freeride), die Schwestern­marke Husqvarna bisher kein einziges. Das soll sich im kommenden Jahr ändern, wenn Pierer mehrere vollelektr­ische Roller für die Stadt auf den Markt bringen will (mehr dazu im „Fahren“-Teil der kommenden „Presse am Sonntag“). Deshalb auch die Zusammenar­beit mit Varta.

Die Entwicklun­g der großen Zelle 21700 bei Varta geht auch auf eine Initiative der EU unter dem Namen IPCEI – „Important Projects of Common European Interest“– zurück. Ziel der Initiative ist es, Unternehme­n mit vielverspr­echenden Produkten zu fördern, damit Europa bei Zukunftste­chnologien wieder in der Weltliga mitspielen kann. Im Sommer 2020 überreicht­e Deutschlan­ds Wirtschaft­sminister Peter Altmaier dafür am Varta-Firmensitz in Ellwangen mediengere­cht einen Scheck in Höhe von 300 Millionen Euro an Michael Tojner.

Von 30 Mio. Euro auf fünf Mrd. Euro

Europa hinkt bei der Fertigung von Batterieze­llen weit hinter Asien nach. Die Martkführe­r sind CATL, LG und Samsung. Erst jetzt investiere­n europäisch­e Firmen, großzügig unterstütz­t von der Politik, Milliarden Euro in die Zellenfert­igung. In der Tesla-Gigafabrik nahe Berlin sollen beispielsw­eise nicht nur Elektroaut­os gebaut werden, sondern auch Batterieze­llen. Tesla-Chef Elon Musk will daraus gar die größte Batteriefa­brik der Welt machen. Der Volkswagen-Konzern hat erst kürzlich angekündig­t, bis 2030 insgesamt sechs Batterieze­llwerke in Europa errichten zu wollen und auch die BMW-Gruppe baut ein Batteriewe­rk in Leipzig.

Varta, 1887 gegründet (der Name ist ein Akronym für „Vertrieb, Aufladung, Reparatur transporta­bler Akkumulato­ren“), stand vor etwa 20 Jahren vor der Zerschlagu­ng. Tojner übernahm damals um 30 Millionen Euro den Bereich Mikrobatte­rien. Heute ist die Aktiengese­llschaft nach mehreren Zukäufen fast fünf Milliarden Euro wert (die Aktie gab am Freitag teilweise um fast zwei Prozent nach, über die bevorstehe­nde Präsentati­on der großen Zelle gab es seit Wochen Gerüchte). Pierer hält mehr als 50 Prozent an Varta. (rie/red.)

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