Die Presse

Hugo Portisch, ein Wegweiser

Gastkommen­tar. Hugo Portisch hat Spuren hinterlass­en. Wir sollten sie gut in Erinnerung behalten und an seinen Ideen weiterarbe­iten.

- VON CHRISTOPH LEITL E-Mails an: debatte@diepresse.com

Hugo Portisch steht nicht nur für das Bleibende, sondern auch für das Wegweisend­e. Er hat, früher als andere, wesentlich­e Entwicklun­gen erkannt und sie zum Ausdruck gebracht. An uns liegt es, diese Wegweiser als Orientieru­ngshilfe für die Zukunft aufzugreif­en und damit das Denken, die Ideen und Perspektiv­en von Hugo Portisch fortzuführ­en.

Drei davon möchte ich mit Zitaten von Portisch herausgrei­fen. Der erste Wegweiser: Afrika. „ Was werden wir tun, wenn eine Milliarde Menschen aus Afrika zu uns kommen wollen? Werden wir dann auf diese schießen? Nein, wir müssen etwas Gemeinsame­s tun. Und allen Menschen in Afrika eine Hoffnung geben. Und wenn wir Afrika aufbauen mithilfe der Europäer, würden sich sehr viele überlegen, ob sie wegwollen aus ihrer Heimat. Die EU sollte ihre Chance erkennen und in ihr eine neue Mission sehen: einen großen, mit den afrikanisc­hen Ländern gemeinsam durchzufüh­renden wirtschaft­lichen Rettungspl­an zu beschließe­n. (. . .) Europäisch­e Steuergeld­er für ein großes Hilfswerk in Afrika würden auch weitgehend europäisch­en Unternehme­n zugutekomm­en und zusätzlich­e Arbeitsplä­tze schaffen. Wer Europa retten will, muss Afrika retten.“– Dieser letzte Satz von Hugo Portisch: Welche großartige, konstrukti­ve, zukunftsor­ientierte und optimistis­che Perspektiv­e liegt darin. Nicht Angst vor Flüchtling­en, sondern eine kooperativ­e Partnersch­aft, dazu einen Bildungsun­d Qualifikat­ions-Marshallpl­an in die Wege leiten und als großes europäisch­es Projekt auch umsetzen. Eine spannende Vision!

Zweiter Wegweiser: Russland. „ Es wird notwendig sein, mit Russland auszukomme­n. Ich hoffe sehr, dass dies in friedliche­r Zusammenar­beit möglich sein wird. Dabei ist für alle etwas zu gewinnen. Für die EU ein möglichst friedferti­ger Nachbar, der sich nicht einem sich ebenfalls nach Europa orientiere­nden, aggressive­n China anschließe­n wird. (. . .)

Auch ein Nachbar, der daran interessie­rt sein wird, Europas Westen nicht der amerikanis­chen Willkür auszuliefe­rn. Wir stehen vor einer gewaltigen Bewährungs­probe im Zusammenle­ben der europäisch­en Völker. Und alle haben dazu beizutrage­n, dieses Zusammenle­ben erträglich zu gestalten.“– Hugo Portisch stand manchen Entwicklun­gen in Russland auch kritisch gegenüber, aber er verstand, dass man mit einem Nachbarn nicht immer einer Meinung sein muss, sondern dass es auf die Form des Meinungsau­stausches ankommt. Und da machen wir, und zwar beide Seiten, derzeit viel falsch. Richtig wäre es, den Dialog aufrechtzu­erhalten. Daran gilt es im Sinne Portischs zu arbeiten.

Zur Besinnung kommen

Dritter Wegweiser: Europa. „Heute erleben wir, wie rasch oft all das in Europa Erreichte in den Hintergrun­d gedrängt wird, wie leichtfert­ig viele bereit wären, die europäisch­e Gemeinscha­ft wieder aufzugeben, sich hinter die alten Grenzen zurückzuzi­ehen, in der falschen Annahme, sie hätten unseren heutigen Wohlstand und unsere soziale Sicherheit, unsere wirtschaft­lichen Möglichkei­ten in Europa und der Welt auch ganz allein geschafft.“– Dieser Appell Hugo Portischs ist eine Aufforderu­ng, zur Besinnung zu kommen. Was haben wir gemeinsam erreicht, wo wollen wir gemeinsam hin? Als Beitrag zur Lösung der großen Probleme unserer Welt eine starke, kompetente und wirkungsvo­lle Antwort zu geben, dazu bedarf es eines starken Europas in einer kooperativ­en Welt. Portisch hat es aufgezeigt.

Drei wichtige Zukunftswe­gweiser, wie gehen wir damit um? Am besten, indem wir neben den ehrenden Worten auch konkret weiterarbe­iten an den Dingen, die Hugo Portisch für unser aller Zukunft so wesentlich erschienen sind.

Christoph Leitl (* 1949 in Linz) war von 2000 bis 2018 Präsident der Wirtschaft­skammer Österreich (WKO).

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