Hugo Portisch, ein Wegweiser
Gastkommentar. Hugo Portisch hat Spuren hinterlassen. Wir sollten sie gut in Erinnerung behalten und an seinen Ideen weiterarbeiten.
Hugo Portisch steht nicht nur für das Bleibende, sondern auch für das Wegweisende. Er hat, früher als andere, wesentliche Entwicklungen erkannt und sie zum Ausdruck gebracht. An uns liegt es, diese Wegweiser als Orientierungshilfe für die Zukunft aufzugreifen und damit das Denken, die Ideen und Perspektiven von Hugo Portisch fortzuführen.
Drei davon möchte ich mit Zitaten von Portisch herausgreifen. Der erste Wegweiser: Afrika. „ Was werden wir tun, wenn eine Milliarde Menschen aus Afrika zu uns kommen wollen? Werden wir dann auf diese schießen? Nein, wir müssen etwas Gemeinsames tun. Und allen Menschen in Afrika eine Hoffnung geben. Und wenn wir Afrika aufbauen mithilfe der Europäer, würden sich sehr viele überlegen, ob sie wegwollen aus ihrer Heimat. Die EU sollte ihre Chance erkennen und in ihr eine neue Mission sehen: einen großen, mit den afrikanischen Ländern gemeinsam durchzuführenden wirtschaftlichen Rettungsplan zu beschließen. (. . .) Europäische Steuergelder für ein großes Hilfswerk in Afrika würden auch weitgehend europäischen Unternehmen zugutekommen und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Wer Europa retten will, muss Afrika retten.“– Dieser letzte Satz von Hugo Portisch: Welche großartige, konstruktive, zukunftsorientierte und optimistische Perspektive liegt darin. Nicht Angst vor Flüchtlingen, sondern eine kooperative Partnerschaft, dazu einen Bildungsund Qualifikations-Marshallplan in die Wege leiten und als großes europäisches Projekt auch umsetzen. Eine spannende Vision!
Zweiter Wegweiser: Russland. „ Es wird notwendig sein, mit Russland auszukommen. Ich hoffe sehr, dass dies in friedlicher Zusammenarbeit möglich sein wird. Dabei ist für alle etwas zu gewinnen. Für die EU ein möglichst friedfertiger Nachbar, der sich nicht einem sich ebenfalls nach Europa orientierenden, aggressiven China anschließen wird. (. . .)
Auch ein Nachbar, der daran interessiert sein wird, Europas Westen nicht der amerikanischen Willkür auszuliefern. Wir stehen vor einer gewaltigen Bewährungsprobe im Zusammenleben der europäischen Völker. Und alle haben dazu beizutragen, dieses Zusammenleben erträglich zu gestalten.“– Hugo Portisch stand manchen Entwicklungen in Russland auch kritisch gegenüber, aber er verstand, dass man mit einem Nachbarn nicht immer einer Meinung sein muss, sondern dass es auf die Form des Meinungsaustausches ankommt. Und da machen wir, und zwar beide Seiten, derzeit viel falsch. Richtig wäre es, den Dialog aufrechtzuerhalten. Daran gilt es im Sinne Portischs zu arbeiten.
Zur Besinnung kommen
Dritter Wegweiser: Europa. „Heute erleben wir, wie rasch oft all das in Europa Erreichte in den Hintergrund gedrängt wird, wie leichtfertig viele bereit wären, die europäische Gemeinschaft wieder aufzugeben, sich hinter die alten Grenzen zurückzuziehen, in der falschen Annahme, sie hätten unseren heutigen Wohlstand und unsere soziale Sicherheit, unsere wirtschaftlichen Möglichkeiten in Europa und der Welt auch ganz allein geschafft.“– Dieser Appell Hugo Portischs ist eine Aufforderung, zur Besinnung zu kommen. Was haben wir gemeinsam erreicht, wo wollen wir gemeinsam hin? Als Beitrag zur Lösung der großen Probleme unserer Welt eine starke, kompetente und wirkungsvolle Antwort zu geben, dazu bedarf es eines starken Europas in einer kooperativen Welt. Portisch hat es aufgezeigt.
Drei wichtige Zukunftswegweiser, wie gehen wir damit um? Am besten, indem wir neben den ehrenden Worten auch konkret weiterarbeiten an den Dingen, die Hugo Portisch für unser aller Zukunft so wesentlich erschienen sind.
Christoph Leitl (* 1949 in Linz) war von 2000 bis 2018 Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKO).