Steirische Schildbürger auf dem Wiener Heldenplatz
Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen: Eine Ausstellung ohne Besucher, ein Projekt um 8,9 Millionen Euro ohne Zweck in Zeiten drohender Lockdowns.
Kurz nach 12 Uhr mittags am Mittwoch dieser Woche vertreten sich ein paar Frierende in der Nähe des Äußeren Burgtors in Wien die Füße. Der eiskalte Wind treibt ihnen die Schneeflocken ins Gesicht. Ein einsamer Kameramann richtet sein Objektiv – ja worauf eigentlich?
Wenige Meter entfernt, ein paar Schritte vom Weltmuseum, steht eine grüne Monsterhalle. Grün wie die Steiermark. Sie ist das Herzstück der „Steiermark Schau“. Seit Wochen verstellt sie den Blick auf Hofburg, Ballhausplatz und Rathaus. Am 18. April wird sie wieder abgebaut, an dem Tag, an dem in Ostösterreich der Lockdown enden soll. Monsterhalle to go, gewissermaßen. Bis dahin darf sie niemand betreten.
Die Frierenden am Mittwoch waren die Offiziellen. Sie sind zu einer Eröffnung angereist, die es nicht gegeben hat. Im Oktober 2020 hatte Christoph Drexler, ÖVP-Landesrat für Kultur mit
Ambition auf den Landeshauptmannsessel 2024, das
Projekt angekündigt. Da stand Österreich kurz vor dem neuerlichen Lockdown. Ein ambitioniertes Projekt: „Wir wollen den Blick auf das schärfen, was die Steiermark ausmacht . . . Gerade in der aktuellen Krise setzen wir damit ein kraftvolles kulturpolitisches Signal und ein Zeichen der Zuversicht und des Aufbruchs.“
Jetzt kann Drexler nur hoffen, dass es in der Steiermark nicht auch wieder zu einem Lockdown kommt. Denn dann wird das Publikum auch dort nicht sehen, wovon Kulturkritiker begeistert sind: Von den großen Projektionsflächen, den kunstvollen Installationen, den 24 hauptsächlich jungen Künstlern. Dann wird es auch an den anderen Ausstellungsorten mit dem Zeichen der „Zuversicht und des Aufbruchs“nicht weit her sein.
Man hätte das Projekt in Zeiten der Pandemie auch absagen und auf ein Jahr oder so verschieben können. Doch das Prinzip Hoffnung – vielleicht geht es gut – war stärker als alles andere. Ein teures Prinzip. Da kommen die (stoan)steirischen Schildbürger ins Bild. Ein Schildbürger wird als jemand beschrieben, „der durch sein törichtes, engstirniges Verhalten und Handeln bewirkt, dass bei einem bestimmten Vorhaben deren eigentlicher Zweck in ärgerlicher Weise verfehlt wird.“Offenbar war man nicht einmal in Graz politisch flexibel genug, um den Zweck nicht zu verfehlen. Mit größtmöglichem Aufwand wurde die kleinst mögliche Wirkung erzielt.
Jedenfalls hat die Halle in Wien den Zweck in ärgerlicher Weise nicht erfüllt. Es gab dank guter Beziehungen eine Bewilligung und die wollte man nicht verfallen lassen – koste es, was es wolle. Soll ja niemand fragen, wozu?
Die Gesamtkosten der „Steiermark Schau“wurden offiziell mit 8,9 Millionen Euro angegeben. Was hätte man damit in Zeiten der Coronakrise nicht alles finanzieren können? Und einiges davon hat man auch: Für die Schau, die niemand anschauen kann, haben immerhin 24 Künstlerinnen und Künstler eine Finanzierung erhalten. Das ist in einer Zeit, in der Künstler auf allen Ebenen um ihr Fortkommen bangen, schon etwas. Von den Gagen der anderen Dutzenden Mitarbeitern ganz zu schweigen.
Allerdings hätten eine Absage heuer und eine Verschiebung der Schau die Mittel und die Bezahlung der Künstler über einen Zeitraum strecken und ihnen so länger die Existenz sichern können. Und was bleibt jetzt im Budget für die anderen Kulturschaffenden? Den steirischen politisch „Kulturverliebten“törichtes oder engstirniges Verhalten nachzusagen, wie den Schildbürgern, ist wahrscheinlich unfair. Von einem Landesrat mit Kulturagenden hätte man allerdings eine größere Bereitschaft zum Umdenken und Bedenken geänderter Verhältnisse erwarten können.
Bleibt zu hoffen, dass die traumhaften Fliederbüsche am Heldenplatz erst nach dem 18. April zu blühen beginnen. Dann werden die Steirer mit ihrer 800-Quadratmeter-Halle to go nach Hartberg abgefahren sein und wenigstens die Steirer dort in den Genuss ihrer (Nabel-) Schau kommen.
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Von einem Landesrat mit Kulturagenden hätte man allerdings größere Bereitschaft zum Umdenken erwarten können.