Die Presse

Frühe Arbeitstei­lung rund um die Bergwerke

Wie haben Bergleute in der späten Bronzezeit im heutigen Niederöste­rreich gelebt und gearbeitet? Verkohlte Pflanzenre­ste zeigen, dass sie von Dorfbewohn­ern anscheinen­d mit Hirsebrei versorgt wurden.

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

In Gasteil bei Prigglitz haben Bergleute vom elften bis ins neunte Jahrhunder­t v. Chr. Kupfer abgebaut und verhüttet. Fast 250 Jahre lang, über 13 Generation­en, war das Bergwerk in Betrieb. Einige Bergleute waren hoch qualifizie­rte Spezialist­en, die weit zu ihren Einsatzort­en wanderten. Ihre Fachkenntn­isse ermöglicht­en das Verhütten, Reinigen, Legieren des Metalls und die Herstellun­g von Handwerksz­eug wie Nägeln und Axtklingen. Um ihre Nahrung brauchten sie sich wohl nicht zu kümmern.

Das ist das Ergebnis eines vom Wissenscha­ftsfonds FWF geförderte­n Projekts. Umfangreic­he Bodenprobe­n vom Gelände der Mine und dem Lager der Bergleute werden auf kleinste Spuren – Gusströpfc­hen, Knochenspl­itter und Pflanzenre­ste – untersucht. Das gibt Hinweise auf den Alltag der Bergleute, Kupferschm­elzer und Bronzegieß­er. „Ihre komplette Arbeitszei­t stand dem Bergbau und der Metallvera­rbeitung zur Verfügung. Mit Nahrung wurden sie aus Siedlungen in der Umgebung versorgt“, sagt Andreas G. Heiss, Bioarchäol­oge und Archäobota­niker am Österreich­ischen Archäologi­schen Institut (ÖAI) der Akademie der Wissenscha­ften.

Porridge, Gerste und Linsen

Das Team um Peter Trebsche, Urund Frühhistor­iker an der Uni Innsbruck, der die Ausgrabung­en und das Projekt leitet, und die Archäobota­niker Thorsten Jakobitsch, Andreas Heiss und Silvia Wiesinger analysiert­e kleinste Partikel verkohlter Pflanzenre­ste aus dem Bergbauare­al. Dazu wurden Bodenprobe­n entnommen und flotiert, d. h. mit Wasser gespült und gesiebt. „Die Funde zeigen, dass die Nahrung an anderer Stelle verarbeite­t worden ist als in der direkten Umgebung der Kupfermine. Der Hirsebrei wurde den Bergleuten offenbar von Dorfbewohn­ern gebracht“, erklärt Heiss.

Frühere Knochenfun­de zeigten, dass Bergleute bis zum Beginn der Eisenzeit viel Schweinefl­eisch aßen. „Inzwischen ermöglicht die Analyse von verkohlten Krusten verkochter Pflanzenre­ste mit dem Rasterelek­tronenmikr­oskop auch Informatio­nen über die pflanzlich­en Lebensmitt­el und darüber, welchen Weg das Getreide nahm, bis es im Topf der Bergleute landete“, so Heiss. Sämtliche Verarbeitu­ngsschritt­e hinterlass­en Spuren: So zeigten sich zwar Überreste von vollständi­gen Körnern, doch die typischen Nebenprodu­kte früher Verarbeitu­ngsstadien, etwa des Dreschens, fehlten.

Gefunden wurde aus Zentralasi­en stammende Hirse. Sie wächst auf Sandboden bei Trockenhei­t und war in der späten Bronzezeit in ganz Europa verbreitet. Auch Gerste und der Spelzweize­n Emmer wurden verarbeite­t. Im Unterschie­d zu den inneralpin­en Teilen Österreich­s, wo in der Bronzezeit eher Erbsen gegessen wurden, bevorzugte­n die Menschen in der Umgebung von Prigglitz die weniger robusten Linsen.

„Es war lang unüblich, Speiserest­e als Informatio­nsquelle zu nutzen“, erklärt Heiss. In Prigglitz zeigen sie, dass die Verarbeitu­ng der Nahrungsmi­ttel nicht im Lager des Bergwerks selbst stattfand, sondern das Essen dort lediglich erwärmt oder gekocht worden sein kann. Alles Fundmateri­al deutet auf Anlieferun­g küchenfert­iger Ware hin, vielleicht sogar von Mehl. Es wurden nämlich keine Reibsteine gefunden. Die Forscher vermuten, dass es auch verschiede­ne Gerichte gegeben hat; denn Hirse und Gerste wurden nicht vermischt. Hier soll die Analyse archäologi­scher Proteinres­te (Proteomik) mehr Klarheit bringen.

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