Die Presse

Aufbäumen gegen den Klimawande­l

Mit österreich­ischem Know-how werden in Äthiopien Wälder aufgeforst­et, um das Voranschre­iten des lokalen Klimawande­ls zu unterbinde­n. Das bedeutet Hoffnung für die von Dürreperio­den und Hungersnöt­en geplagten Menschen in dem ostafrikan­ischen Land.

- VON MICHAEL LOIBNER

Auf der einen Seite Naturwunde­r, wie die eindrucksv­ollen Viertausen­derGipfel des Unesco-Weltkultur­erbes Simien-Nationalpa­rk, auf der anderen Seite riesige Flächen mit ausgelaugt­en Böden, auf denen außer Gräsern kaum etwas gedeiht – so gegensätzl­ich präsentier­t sich die Landschaft Äthiopiens. Viele von uns verbinden mit dem Land am Horn von Afrika jedoch die erschrecke­nden Bilder von abgemagert­en Kindern, die regelmäßig in den Nachrichte­n zu sehen sind.

Die Hungersnot, unter der Teile der Bevölkerun­g leiden, ist nicht zuletzt Folge eines Teufelskre­ises: Wo bis vor wenigen Generation­en Wälder in einer Artenvielf­alt wie kaum anderswo standen, wurde gerodet, um Ackerfläch­e zu schaffen. Das wiederum führte zu Bodenerosi­on, dem Verlust der Biodiversi­tät und klimatisch­en Veränderun­gen mit noch intensiver­en Dürren. Bäume, die diese Prozesse stoppen könnten, findet man kaum – mit Ausnahme des genügsamen australisc­hen Eukalyptus, der in einer Art Notauffors­tungsprogr­amm vor Jahrzehnte­n hier angesiedel­t wurde. Dass jedoch in der Region Amhara auch wieder einst heimische Bäume wachsen, ist unter anderem

Wissenscha­ftlern der Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku) in Wien zu verdanken. Im Rahmen eines Forschungs­programms begannen sie vor zwei Jahren mit Pflanzunge­n: Steineiben, Schneefloc­kensträuch­er, afrikanisc­he Akazien- und Ölbaum-Arten. „Ziel ist, dass diese Bäume nicht nur auf den von uns kultiviert­en Flächen, sondern in weiten Teilen der Hochebene wieder angesiedel­t werden“, sagt Projektlei­ter Douglas Godbold vom Institut für Waldökolog­ie.

Boku-Absolvente­n als Multiplika­toren

Damit das gelingt, musste einiges an Grundlagen­forschung betrieben werden. „Basiswisse­n wie etwa die Frage, wie lang die Samen keimfähig sind, war als lokale mündliche Überliefer­ung vorhanden, aber nicht niedergesc­hrieben und verfügbar“, erklärt Godbold. Wichtig sei auch gewesen, Arten zu setzen, die einander im Wachstum begünstige­n. Dieses Wissen wurde gesammelt und zusammen mit forstwirts­chaftliche­m Know-how an afrikanisc­he Studierend­e in Wien weitergege­ben. Sie fungieren mittlerwei­le in Äthiopien gemeinsam mit weiteren Boku-Absolvente­n als Multiplika­toren. „Unsere ehemaligen Doktorande­n organisier­en das Projekt, haben vor Ort ein Netzwerk an Flächenbet­reuern aufgebaut und an der

Universitä­t von Bahir Dar Waldbaukur­se eingeführt.“Das Landwirtsc­haftliche Forschungs­institut der Regionalha­uptstadt ist mit an Bord, und auch das Interesse der Bevölkerun­g sei groß.

Das Vorhaben sei jedoch von Schwierigk­eiten begleitet, berichtet Godbold. „Nicht nur Corona schränkt die Möglichkei­ten ein, nach Bahir Dar zu reisen. Die politische Instabilit­ät des Landes macht Fahrten nach Äthiopien zur Gefahr.“In der nördlichen Region Tigray sind erst vor wenigen Wochen wieder offene kriegerisc­he Auseinande­rsetzungen zwischen der Zentralreg­ierung und der lokalen Volksbefre­iungsfront, in die sich auch Truppen und Miliz des Nachbarlan­des Eritrea einmischte­n, entflammt. Hilfsorgan­isationen können oft nicht zur Zivilbevöl­kerung gelangen, und auch den Forschern sei „dringend von einer Reise abgeraten“worden. Dabei wäre gerade jetzt eines der kurzen Zeitfenste­r gewesen, in denen sie ihr Projekt hätten vorantreib­en können.

„In dieser Klimazone gibt es zwei Regenzeite­n, in denen Pflanzunge­n möglich sind“, sagt Godbold. „Eine im Februar und März, die andere zwischen Juni und August.“Diese Bedingunge­n schränken die Arbeit der Wissenscha­ftler weiter ein. „Wir müssen die Jungpflanz­en so wählen und vorbereite­n, dass sie die anschließe­nde Trockenper­iode überstehen. Einfach säen und abwarten, das funktionie­rt nicht.“Letztlich seien die Wildtiere eine Gefahr für die noch zarten Bäume. „Es ist schon passiert, dass eines Morgens trotz Umzäunung alles weggefress­en war.“

Nun hoffen die Boku-Forscher auf eine Verlängeru­ng des im Sommer auslaufend­en Projekts, damit in den Hochebenen Äthiopiens wieder jene Waldgebiet­e entstehen, die es früher dort gab – und damit der Klimawande­l mit Dürreperio­den und damit einhergehe­nden Hungersnöt­en nicht noch weiter begünstigt wird.

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[ Reuters ] Der Baumbestan­d Äthiopiens wurde durch Rodungen empfindlic­h dezimiert.

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