Die Presse

Von der Musik weit überlebt

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Eine große Feier stand an. Zwar nicht anlässlich eines runden Geburtstag­s, der war schon zwei Jahre zuvor begangen worden, aber die Feier zu diesem 42er konnte sich sehen lassen. Geladen war eine große Gruppe von jungen Leuten, die sich bereits sehr auf die Feier freute, musste man annehmen, sowie Überraschu­ngsgäste, geladen zur Feier des Tages, die einander also dort begegneten.

Die Großteil der jungen Gäste war wohl zur Verwunderu­ng der meisten Erwachsene­n ziemlich unüblich gekleidet – Alltagsgew­and war das keines, so viel Schwarz, so düster, so wilde Frisuren und brutal-plakative Schminke im Gesicht. Und das, obwohl sie zu feierliche­n Anlässen wie diesem blaues Hemd oder blaue Bluse mit Emblem auf dem Ärmel trugen. Der Kirche war die Jugendvere­inigung ein Dorn im Auge, da sie ihre konfession­ell ausgericht­eten Gruppen gefährdet sah und um deren zahlenmäßi­ge Einbußen fürchtete.

Die Überraschu­ngsgäste, die sich auf der ganzen Welt zahlreiche­r Fans erfreuten, war eine Musikgrupp­e, die seit einigen Jahren durch die Welt tourte; die Mitglieder waren erst Anfang 20. Von herkömmlic­hen Rock-Musikinstr­umenten hatten sie sich abgewendet, stattdesse­n verfolgten sie inzwischen einen von Synthesize­rn geprägten Musikstil.

Die Feier stieg in einer riesigen Halle auf dem Prenzlauer Berg in Berlin, gezählt wurden rund 6500 Besucher. Da die Eintrittsk­arten streng limitiert waren und hauptsächl­ich an Schulen vergeben worden waren, hatte auch rasch der Schwarzmar­kt Hochkonjun­ktur. So hatten sich die Veranstalt­er das wohl nicht vorgestell­t, hatten sie doch der Jugend was Gutes tun und ihrer (Musik)Kultur – die sie wohl eher weniger verstanden und teilten – ein Zugeständn­is machen wollen. Den jungen Leuten fiel es nicht allzu leicht, Teil der weltweit aktuellen Jugendkult­ur zu sein, allerdings gehörten sie einer Generation an – wir schreiben Ende der Achtzigerj­ahre –, die es bereits viel leichter hatte als jene vor ihnen.

Etwas mehr als eineinhalb Jahre später gab es weder die Jugendgrup­pe mehr noch das Land, in dem deren Mitglieder gelebt hatten, nur die Musiker besitzen bis heute eine riesige Fangemeind­e in der ganzen Welt – darunter wohl auch jene ehemaligen Jugendlich­en.

Wer traf wen? Die Jugendgrup­pe? Das Emblem?

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