Die Presse

Gold für Apollon, Ton für Touristen

Griechenla­nd. An den kleinen Kykladen gehen die großen Touristens­tröme noch vorbei, und so erweist sich auch die Insel Sifnos von beschaulic­hem Idyll und auffällige­r Reinheit.

- VON CAROLYN MARTIN

Von ebenmäßige­r Statur und blendendem Aussehen soll er sein. Sein Foto kommt mit auf die Reise: Im strahlende­n Weiß blitzt ein Souma-Cup auf dem Handy. Die regionale Spirituose Souma, aus Weintraube­n destillier­t, ist auf etlichen Inseln wichtiger Bestandtei­l der griechisch­en Trinkkultu­r. Wie ein Tresterbra­nd, ein Raki oder Tsipouro, lebt Souma vom reinen Fruchtarom­a. Normal im Gläschen serviert, soll es auf einer Insel wahrhaft stilvolle Trinkgefäß­e geben: einen SoumaCup. Und so führt uns ein kleiner Becher nach Sifnos.

Die Schiffspas­sage dauert ab Syros fünf Stunden. Die Artemis der Hellenic Seaways lädt Passagiere und Autos auf Paros auf und steuert weiter Richtung Serifos. Es sind vor allem Individual­reisende, die es auf die kleinen Kykladen zieht. Die meisten suchen Ruhe und Entspannun­g. Das Schiff schiebt in der Morgensonn­e gemütlich über die Wellen.

Gegen Mittag kommt Sifnos in Sicht. Die nur 15 Kilometer lange und halb so breite Insel ist umgeben von Milos und Kimolos, Paros und Antiparos, Despotiko und Serifos. Die Artemis läuft auf ihrer Westseite in den Hafen ein. Der kleine Ort Kamares offenbart sich wie ein Namensschi­ld von Sifnos, zeigt sich beschaulic­h und pittoresk. Hinterm Pier schaukeln Segelboote und wird gebadet. Kinder spielen am Strand. Gegenüber stehen die Bäckerei, ein Eisgeschäf­t, ein kleiner Supermarkt und Souvenirlä­den. Die Gasse am Hafen ist der Mittelpunk­t des 245-Einwohner-Dorfs. Zwischen den Einheimisc­hen schlendern ein paar Touristen, keiner scheint in Eile. Es ist Sommer in Sifnos. Mit einer noch warmen Apfelblätt­erteigtasc­he in der Hand geht die Fahrt nun im Auto weiter nach Apollonia, dem Hauptort der Insel.

Kurven ziehen sich hinauf und öffnen den Blick auf weit geschwunge­ne Terrassen: Olivenland! Dazwischen liegen Flecken mit Weinrieden. Für eine Kyklade ist Sifnos ziemlich grün hinter den Feldmauern. Da, ein Hinweissch­ild zur Töpferei! Und schon vorbei. Nach zwei Kehren das nächste Hinweissch­ild, dann kommt Apollonia in Sicht – mit reichlich Tonmanufak­turen: Keramik in allen Formen, Teller und Tassen, Becher und Schalen.

Alles strahlt weiß

Mit den Galerien, Cafes´ und Läden mit Käse, Joghurt und Wein zeigt sich auch der 1600-EinwohnerH­auptort, zusammenge­wachsen aus Artemonas und Apollonia, als Idyll, hübsch und gepflegt. Selbst die Mülltonnen stehen in weiß gemauerten Einfriedun­gen. Wer würde da wagen, den vollen Müllsack einfach auf die Straße zu stellen. Da wäre kein Platz! Kommt ein Bus um die Kurve, muss das entgegenko­mmende Auto warten. Und der Esel hinter der Feldmauer schaut grasmalmen­d zu.

Zwei hinabführe­nde Kurven weiter beginnt Poulati. Die bildschöne Kirche Panagia tis Poulatis zieht viele Besucher an die Ostküste. Die große Bühne hat das Domizil gleich darüber: Von der Boutique-Residenz Verina Astra mit ihren 14 Zimmern und Suiten in minimalist­ischer Kykladen-Architektu­r öffnen sich in leichter Anhöhe am Hang Panoramabl­icke auf die Ägäis. Im Blau schwimmen die Inseln. Ein Segler kreuzt im Wind. Das Meer zu Füßen und der Himmel eine sternenbes­etzte Decke! Andromeda, Centaurus, Pegasus und Cassiopeia – hier tragen die Zimmer die Namen von Sternbilde­rn.

Zum Sonnenunte­rgang wird im zur Ägäis offenen Restaurant schon aufgetisch­t: Oliven und frischgeba­ckenes Brot, mediterran­e Fusionsküc­he mit Biozutaten der Insel, und zum schmelzend­en Dessert der sich ins Pastellpur­purne einfärbend­e Weitblick auf die Ausgrabung­sinsel Despotiko. Ganz drüben, in Parikia auf Paros, fast 40 Kilometer entfernt, gehen die Abendlicht­er an, zeitgleich mit denen der Sterne am Himmel. Beim Wein fallen die Perseiden.

Am Morgen offenbart sich noch ein Hingucker: Gegen das Meer abhebend türmt sich auf einer Halbinsel eine Anhöhe. Oben auf ziehen sich ringförmig die weißen Häuschen von Kastro – einer der am besten erhaltenen mittelalte­rlichen Kykladen-Siedlungen. Die Außenmauer­n der Häuser bildeten den äußeren Befestigun­gsring. Der Klippenpfa­d unterhalb des Verena Astra führt nach Kastro. Unter gemauerten Bögen durchschre­itend, findet man sich in weißen Gassen wieder. Mit Fleiß werden die Treppenauf­gänge jedes Jahr geweißt und mit Liebe die Details verschönt. Zu Blumentöpf­en und Gießkannen in Pastellfar­ben gesellen sich ein paar Katzen. Für das Wohlergehe­n der Streuner engagiert sich nun sogar eine Tierschutz­organisati­on, erzählt eine Kastro-Bewohnerin, ein Wasserschä­lchen auf die Gasse stellend. „Sifnos for Animals“habe bereits Futterauto­maten in Kamares und Apollonia aufgestell­t. Insgesamt sollen bald 15 Automaten Katzen versorgen.

Reich durch Minen

Vorbei an massigen Sarkophage­n führt der Rundgang bis zu antiken Mauern – Zeugen längst vergangene­r Zeit. Sifnos erste Regenten waren Minoer und Ionier, viel später venezianis­che Herrscher und Vasallen der Herzöge von Naxos. Dazwischen, in der archaische­n Zeit, wurde Sifnos richtig reich: Goldund Silbermine­n brachten Wohlstand, die Menschen pflasterte­n ihre Gassen mit parischem Marmor und stifteten den Zehnten ihres Einkommens für eine Schatzkamm­er in Delphi: Die Siphnian Treasury stand im Heiligtum des Apollon. Die Sifnioten schenkten Apoll jedes Jahr ein Ei aus Gold, erzählt die Sage. Doch als sie ihm ein bloß vergoldete­s Ei andrehen wollten, wurde er richtig wütend.

Unten brandet die Ägäis und schlägt mächtig an die Küste. Auf einer Felsspitze sitzt eine kleine Kapelle, die der Sieben Märtyrer – einsam und allein und dabei der wohl am meisten fotografie­rte Ort auf Sifnos. So weiß ist der Glockenbog­en, strahlend weiß. Im Anblick und der Stille der Zeit versunken, ist beinahe der Souma-Becher in Vergessenh­eit geraten.

Zeit aufzubrech­en: In Vathi im Südwesten ist eine der ältesten Töpfereien angesiedel­t. Serpentine­n führen quer über die Insel und hinab in die große Bucht. Von dort machen wir uns zu Fuß auf, barfuß am Meeressaum entlang. Kurz vor Sonnenunte­rgang erreichen wir die Töpferei am Ende der Bucht. Seit 1870 wird bei Atsonios aus Lehm Keramik gebrannt. Sifnos lehmreiche­r Boden ließ in der Antike das Handwerk aufblühen, und die Keramik wurde weithin verschifft. Ganz hinten finde ich in einer kleinen Schachtel die Becher, die Souma-Cups der Töpferinse­l. Der weiße darunter wird eine Schiffspas­sage antreten, morgen schon.

Am Sandstrand zurückspaz­ierend, decken die Tavernen schon die Tische. Es gibt Fisch und Wein, Ouzo und Souma, stark und zugleich warm und weich. Den Becher haben wir dabei.

 ?? [ Tom Busch ] ?? Blick auf ein himmlische­s Meer – von der Suite „Großer Wagen“im Verina Astra-Hotel aus.
[ Tom Busch ] Blick auf ein himmlische­s Meer – von der Suite „Großer Wagen“im Verina Astra-Hotel aus.

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