Gold für Apollon, Ton für Touristen
Griechenland. An den kleinen Kykladen gehen die großen Touristenströme noch vorbei, und so erweist sich auch die Insel Sifnos von beschaulichem Idyll und auffälliger Reinheit.
Von ebenmäßiger Statur und blendendem Aussehen soll er sein. Sein Foto kommt mit auf die Reise: Im strahlenden Weiß blitzt ein Souma-Cup auf dem Handy. Die regionale Spirituose Souma, aus Weintrauben destilliert, ist auf etlichen Inseln wichtiger Bestandteil der griechischen Trinkkultur. Wie ein Tresterbrand, ein Raki oder Tsipouro, lebt Souma vom reinen Fruchtaroma. Normal im Gläschen serviert, soll es auf einer Insel wahrhaft stilvolle Trinkgefäße geben: einen SoumaCup. Und so führt uns ein kleiner Becher nach Sifnos.
Die Schiffspassage dauert ab Syros fünf Stunden. Die Artemis der Hellenic Seaways lädt Passagiere und Autos auf Paros auf und steuert weiter Richtung Serifos. Es sind vor allem Individualreisende, die es auf die kleinen Kykladen zieht. Die meisten suchen Ruhe und Entspannung. Das Schiff schiebt in der Morgensonne gemütlich über die Wellen.
Gegen Mittag kommt Sifnos in Sicht. Die nur 15 Kilometer lange und halb so breite Insel ist umgeben von Milos und Kimolos, Paros und Antiparos, Despotiko und Serifos. Die Artemis läuft auf ihrer Westseite in den Hafen ein. Der kleine Ort Kamares offenbart sich wie ein Namensschild von Sifnos, zeigt sich beschaulich und pittoresk. Hinterm Pier schaukeln Segelboote und wird gebadet. Kinder spielen am Strand. Gegenüber stehen die Bäckerei, ein Eisgeschäft, ein kleiner Supermarkt und Souvenirläden. Die Gasse am Hafen ist der Mittelpunkt des 245-Einwohner-Dorfs. Zwischen den Einheimischen schlendern ein paar Touristen, keiner scheint in Eile. Es ist Sommer in Sifnos. Mit einer noch warmen Apfelblätterteigtasche in der Hand geht die Fahrt nun im Auto weiter nach Apollonia, dem Hauptort der Insel.
Kurven ziehen sich hinauf und öffnen den Blick auf weit geschwungene Terrassen: Olivenland! Dazwischen liegen Flecken mit Weinrieden. Für eine Kyklade ist Sifnos ziemlich grün hinter den Feldmauern. Da, ein Hinweisschild zur Töpferei! Und schon vorbei. Nach zwei Kehren das nächste Hinweisschild, dann kommt Apollonia in Sicht – mit reichlich Tonmanufakturen: Keramik in allen Formen, Teller und Tassen, Becher und Schalen.
Alles strahlt weiß
Mit den Galerien, Cafes´ und Läden mit Käse, Joghurt und Wein zeigt sich auch der 1600-EinwohnerHauptort, zusammengewachsen aus Artemonas und Apollonia, als Idyll, hübsch und gepflegt. Selbst die Mülltonnen stehen in weiß gemauerten Einfriedungen. Wer würde da wagen, den vollen Müllsack einfach auf die Straße zu stellen. Da wäre kein Platz! Kommt ein Bus um die Kurve, muss das entgegenkommende Auto warten. Und der Esel hinter der Feldmauer schaut grasmalmend zu.
Zwei hinabführende Kurven weiter beginnt Poulati. Die bildschöne Kirche Panagia tis Poulatis zieht viele Besucher an die Ostküste. Die große Bühne hat das Domizil gleich darüber: Von der Boutique-Residenz Verina Astra mit ihren 14 Zimmern und Suiten in minimalistischer Kykladen-Architektur öffnen sich in leichter Anhöhe am Hang Panoramablicke auf die Ägäis. Im Blau schwimmen die Inseln. Ein Segler kreuzt im Wind. Das Meer zu Füßen und der Himmel eine sternenbesetzte Decke! Andromeda, Centaurus, Pegasus und Cassiopeia – hier tragen die Zimmer die Namen von Sternbildern.
Zum Sonnenuntergang wird im zur Ägäis offenen Restaurant schon aufgetischt: Oliven und frischgebackenes Brot, mediterrane Fusionsküche mit Biozutaten der Insel, und zum schmelzenden Dessert der sich ins Pastellpurpurne einfärbende Weitblick auf die Ausgrabungsinsel Despotiko. Ganz drüben, in Parikia auf Paros, fast 40 Kilometer entfernt, gehen die Abendlichter an, zeitgleich mit denen der Sterne am Himmel. Beim Wein fallen die Perseiden.
Am Morgen offenbart sich noch ein Hingucker: Gegen das Meer abhebend türmt sich auf einer Halbinsel eine Anhöhe. Oben auf ziehen sich ringförmig die weißen Häuschen von Kastro – einer der am besten erhaltenen mittelalterlichen Kykladen-Siedlungen. Die Außenmauern der Häuser bildeten den äußeren Befestigungsring. Der Klippenpfad unterhalb des Verena Astra führt nach Kastro. Unter gemauerten Bögen durchschreitend, findet man sich in weißen Gassen wieder. Mit Fleiß werden die Treppenaufgänge jedes Jahr geweißt und mit Liebe die Details verschönt. Zu Blumentöpfen und Gießkannen in Pastellfarben gesellen sich ein paar Katzen. Für das Wohlergehen der Streuner engagiert sich nun sogar eine Tierschutzorganisation, erzählt eine Kastro-Bewohnerin, ein Wasserschälchen auf die Gasse stellend. „Sifnos for Animals“habe bereits Futterautomaten in Kamares und Apollonia aufgestellt. Insgesamt sollen bald 15 Automaten Katzen versorgen.
Reich durch Minen
Vorbei an massigen Sarkophagen führt der Rundgang bis zu antiken Mauern – Zeugen längst vergangener Zeit. Sifnos erste Regenten waren Minoer und Ionier, viel später venezianische Herrscher und Vasallen der Herzöge von Naxos. Dazwischen, in der archaischen Zeit, wurde Sifnos richtig reich: Goldund Silberminen brachten Wohlstand, die Menschen pflasterten ihre Gassen mit parischem Marmor und stifteten den Zehnten ihres Einkommens für eine Schatzkammer in Delphi: Die Siphnian Treasury stand im Heiligtum des Apollon. Die Sifnioten schenkten Apoll jedes Jahr ein Ei aus Gold, erzählt die Sage. Doch als sie ihm ein bloß vergoldetes Ei andrehen wollten, wurde er richtig wütend.
Unten brandet die Ägäis und schlägt mächtig an die Küste. Auf einer Felsspitze sitzt eine kleine Kapelle, die der Sieben Märtyrer – einsam und allein und dabei der wohl am meisten fotografierte Ort auf Sifnos. So weiß ist der Glockenbogen, strahlend weiß. Im Anblick und der Stille der Zeit versunken, ist beinahe der Souma-Becher in Vergessenheit geraten.
Zeit aufzubrechen: In Vathi im Südwesten ist eine der ältesten Töpfereien angesiedelt. Serpentinen führen quer über die Insel und hinab in die große Bucht. Von dort machen wir uns zu Fuß auf, barfuß am Meeressaum entlang. Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir die Töpferei am Ende der Bucht. Seit 1870 wird bei Atsonios aus Lehm Keramik gebrannt. Sifnos lehmreicher Boden ließ in der Antike das Handwerk aufblühen, und die Keramik wurde weithin verschifft. Ganz hinten finde ich in einer kleinen Schachtel die Becher, die Souma-Cups der Töpferinsel. Der weiße darunter wird eine Schiffspassage antreten, morgen schon.
Am Sandstrand zurückspazierend, decken die Tavernen schon die Tische. Es gibt Fisch und Wein, Ouzo und Souma, stark und zugleich warm und weich. Den Becher haben wir dabei.