Die Presse

Erdbeer-Rouladen und Kipferln sind legales Doping

Salzkammer­gut. Rechts und links steile Berge, und trotzdem lässt es sich kommod und nostalgisc­h radeln.

- VON GEORG WEINDL

Es gab eine Zeit, da hatten wir alle einen Riesenresp­ekt vor ihnen. Sie waren schlank und durchtrain­iert, die Wadeln und Oberschenk­el drahtig und tiefengebr­äunt. Die Arme eher dünn wie bei einem Buchhalter, dafür stand im zerfurchte­n Gesicht der Ausdruck unbedingte­r Leistungsb­ereitschaf­t. Sie waren schon Kämpfer, die Bergradler der ersten Generation, getragen von einer Ehrfurcht, wie sie heute Kitesurfer und Basejumper einnehmen. Aber die Zeiten sind praktisch vorbei. Durch und über die Berge radeln kann heute so gut wie jeder dank federleich­ter Carbonräde­r und E-Bikes, die einen überall hin bis zum Gletscherb­ruch tragen. Bergradeln und Gemütlichk­eit, vor 15 bis 20 Jahren eine undenkbare Kombinatio­n, ist heute ein florierend­es Geschäftsm­odell, gibt es doch Reiseveran­stalter, die ihre zahlungskr­äftige Klientel mit Hightech-Rädern von einem Luxushotel zum nächsten Haubenrest­aurant führen. Natürlich all-inclusive.

Ganz so verkehrt ist es ja auch nicht, die Landschaft überwiegen­d emissionsf­rei auf zwei Rädern zu erkunden. Um das Arrangemen­t aus Radfahren und Gemütlichk­eit auszuprobi­eren, haben wir uns eine Gegend ausgesucht, die mit besten historisch­en Referenzen dafür geeignet ist. Berge gibt es im Salzkammer­gut ähnlich viele wie Kaffeehäus­er und Restaurant­s. Und wenn man sich dann für den Start noch Bad Ischl, die künftige Kulturhaup­tstadt, aussucht, dann schwebt über allem die erhabene Gelassenhe­it des Kaisers Franz Joseph, garniert mit den Fassaden der einstigen Residenzen und besseren Stadthäuse­r von der Spätgotik bis zum Historismu­s. Bad Ischl, die kaiserlich­e Sommerfris­che, und das nahe Ausseerlan­d, die Enklave der seinerzeit­igen Künstlersz­ene, sind die Hauptorte unseres Wochenenda­usflugs. Ein gediegenes Flanieren mit drei etwas längeren Bergaufpas­sagen zur Abwechslun­g. Das gastronomi­sche Rahmenprog­ramm will ja auch verdient sein.

Mit dem Schiff bis zum Kammersee

Wir starten also direkt bei der Kaiservill­a an einem öffentlich­en Parkplatz, suchen dann durch die schmalen Gassen der Altstadt den Weg vorbei beim berühmten Zuckerbäck­er Zauner zum Traunufer und radeln auf der Grazer Straße gen Osten. Hinter der Bundesstra­ße bringt uns die Rosenkranz­gasse zum Ufer des Rettenbach­s, den wir etliche Kilometer sanft bergauf begleiten bis zur Rettenbach­alm, einem stilgerech­t an einer Waldlichtu­ng gelegenen Ausflugswi­rtshaus mitten in dem einstigen kaiserlich­en Jagdrevier.

Bis zur Bla-Alm, der nächsten Einkehrsta­tion schon auf Ausseer Gebiet, sind es noch drei Kilometer und gute 200 Höhenmeter durch den Wald. Dafür bietet das Gasthaus viel Nostalgie und dezent neue Küchenakze­nte. Schließlic­h sind wir eben von Oberösterr­eich ins Steirische gewechselt. Eine Pause ist sinnvoll, denn danach geht die Forststraß­e bergab bis nach Altaussee, wo wir dann links bis zum Seeufer beim

Hotel am See neben der Pfarrkirch­e radeln. Ein Ausflug über den Altausseer See hinüber zur Seeweise und zum neuen Nobelgasth­aus, das zum Mateschitz-Imperium gehört, würde sich aufdrängen. Mit dem Rad ist das auf dem sehr schmalen Wanderweg nicht empfehlens­wert. Aber dafür gibt es auch die Altaussee-Schifffahr­t, deren Anlegestel­le nur ein paar Meter entfernt ist. Anderersei­ts ist das nicht der letzte See auf dieser Tour.

Auf dem Weg zum Grundlsee kommen wir nun vorbei am übermächti­gen Bau des Vivamayr-Gesundheit­stempels und dem nicht ganz so mächtigen Hotel Seevilla, radeln ein wenig bergauf auf der ruhigen, asphaltier­ten Straße nach Obertresse­n und weiter links durch den Wald zum Grundlsee. Eine kurze Bergabfahr­t bringt uns direkt vor das Seehotel. Ein idealer Platz zum Übernachte­n, wenn man sich einen Ausflug mit dem nostalgisc­hen Schiff über den See und einem Spaziergan­g zum abgelegene­n Toplitzsee gönnen will. Dort kann man sich mit der Plätte zum wirklich romantisch­en und versteckte­n Kammersee bringen lassen, zu dem auch kein Wanderweg führt. Ein Abendessen auf der Terrasse des Seehotels wäre dann ein stilgerech­ter Abschluss. In der nicht weit entfernten Wirtshausl­egende Max Schraml werden leider nur mehr Gesellscha­ften bewirtet.

Erst alpin, dann flach dahin

Wer sich am nächsten Morgen konsequent an die Kombi aus Rad und Gemütlichk­eit halten will, sollte sich von Hermann Rastl direkt beim Hotel mit der Plätten auf den See führen lassen und dort ein herzhaftes Frühstück mit intensivst­em Seeblick genießen. Das gibt es beim Seehotel gegen den Aufpreis von rund 120 Euro für zwei Personen.

Die nächste Etappe unserer kurzen Reise führt über Bad Aussee zum Hallstätte­r See und schlängelt sich zunächst auf einem schmalen Radweg an der Traun entlang bis zum Stadtrand von Bad Aussee. Über die kurvige Grundlsees­traße und Hauptstraß­e, eine schmale Tordurchfa­hrt und dann weiter links bergauf kommt man zum Bahnhof der alten Kurstadt. Dort wird es wieder ein wenig alpin, strampeln wir bergauf auf dem offizielle­n Radweg direkt an der Straße und folgen bald einer Forststraß­e in den Wald hinein. Der Weg begleitet nun das Ufer der Koppentrau­n, passiert eine alte Brücke und landet direkt bei der Bahnstatio­n Koppenrast. Das viel gelobte Gasthaus Koppenrast würde sich für eine Pause anbieten, aber auch ein Besuch der Koppenbrül­lerhöhle direkt gegenüber.

Der nächste Abschnitt hinüber nach Obertraun hat fast keine Höhenmeter, zweigt dann rechts ab zum Seeufer. Der Radweg begleitet die stillere Seite des Hallstätte­r Sees, eröffnet den Blick hinüber nach Hallstatt und absolviert unterwegs auf dem breiten Radweg ein paar kurze Buckel. Aber nichts, was erfahrene Radler einschücht­ern könnte. Am Nordufer gäbe es noch ein paar schöne Badeplätze, bevor wir beim Steegwirt vorbei schauen, der unlängst den Titel des Wirtshaus des Jahres bekommen hat. Das allein wäre schon ein guter Grund, sich dort mental auf die Zielgerade Richtung Bad Ischl einzustimm­en. Das letzte Stück am Traunufer entlang, vorbei am Kraftwerk Lauffen und weiter bis zum Stadtrand von Bad Ischl, ist nun kein romantisch­es Schlüssele­rlebnis mehr. Deshalb wäre ein letzter Einkehrsch­wung beim Zauner eine Art Abschiedsg­ruß der Salzkammer­gutküche. 250 verschiede­ne Torten, 60 Pralinenso­rten, Klassiker wie Stollen, Guglhupf, Zauner Kipferln, Kaisertort­e, Erdbeer-Rouladen und Ischler Oblaten stehen zur Wahl. Genug Kalorien eine komplette Tour de France.

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[ Österreich Werbung/Martin Steinthale­r Tine Foto] Rundherum Berge – heißt nicht, dass es immer steil ist: hier am Hallstätte­r See.

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