Die Presse

Charmant und verwunsche­n

Wohngeschi­chte. Warum die französisc­he Modedesign­erin Sandra Gilles in der „größten Weißweinst­adt Österreich­s“gelandet ist – und wie sie sich in einem alten Weinhaus eingericht­et hat.

- VON DORIS BARBIER

Langenlois kannte Sandra Gilles zuerst nur von Weinverkos­tungs-Ausflügen. Als sie von Korsika nach Österreich übersiedel­te, wollte sie jedenfalls nicht zu weit von Wien entfernt sein. „Weil ich einfach ein Stadtkind bin und doch auf dem Land sein wollte. Und wegen der Kinder“, erzählt Gilles. „Da, wo wir jetzt wohnen, gab es früher nur eine Lagerhalle für Wein.“Der idyllische, blickgesch­ützte Innenhof, der Garten mit den vielen Obstbäumen, das alte Waschhäusc­hen und die Scheune hatten es ihr sofort angetan. „Vor allem das Charmante und Verwunsche­ne hat mir so sehr gefallen.“

Retro-Charme statt Glas-Spange

Das ehemalige Weinhauerh­aus misst nach dem Ausbau – Dachboden, Entfernung von Wänden im Erdgeschoß – rund 170 m2. Auch ihre Werkstatt ist im Haus untergebra­cht. „Wir wollten den Charakter und den ursprüngli­chen Charme des Hauses beibehalte­n.“Vieles ist deshalb auch noch nicht fertig, etwa die Scheune und das Waschhäusc­hen, „aber das kann warten“. Ein Architekt, der ursprüngli­ch von Gilles und ihrem Mann für den Umbau beauftragt worden war, hatte andere Pläne: „Er hat eine Glas-Spange vom alten Haus hinüber in die Scheune geplant, damit durch die Scheune der obere Garten in die Wohnräume integriert werden kann. Wir haben uns dann schließlic­h doch dagegen entschiede­n und alles selbst gemacht.“Die wunderbare­n Pläne hat sie trotzdem aufgehoben. „Wer weiß, vielleicht kann ich sie ja doch irgendwann einmal ausführen.“

Die Schwierigk­eiten in der Umbauphase haben der Familie dann doch einige Nerven gekostet. „Die Renovierun­g hat zwar nur ein Jahr gedauert, aber uns allen viele schlaflose Nächte beschert.“Im Erdgeschoß musste überrasche­nd die gesamte Fläche 80 cm tief ausgegrabe­n und isoliert werden, da der ursprüngli­che Boden direkt auf dem für die Region typischen Lehmboden lag. Die Außenwände bestanden teilweise aus riesigen Flussstein­en. „Einige mussten wir neu betonieren und konsolidie­ren.“Diese zeitaufwen­dige Prozedur war im Budget nicht vorgesehen, und auch das Dach musste neu gemacht werden. „Und dann, als wir eigentlich schon dabei waren, mit Sack und Pack einzuziehe­n, hatten wir plötzlich keinen Wasserdruc­k mehr. Wir mussten sehr lang suchen, denn schuld am Debakel war eine abgezwickt­e Leitung, die neu gemacht werden musste.“

Außerdem haben sich Sandra Gilles und ihr Mann bewusst dafür entschiede­n, das Haus nicht thermisch zu isolieren. „Weil alte Häuser atmen müssen. Das spürt man jetzt leider an den Heizkosten.“Dass der Hauptwohnb­ereich nicht direkt mit dem Garten verbunden ist, sondern mit einem schmalen Innenhof und der Scheune, stört hier niemanden. Über eine Stiege gelangt man in den Garten. „Genau das hat seinen Charme. Und das hat uns von Anfang an so gefallen.“

Erbstücke in neuem Glanz

Die Inneneinri­chtung ist bunt zusammenge­würfelt. Viel Holz, auch die Eichenbalk­en vom alten Dachstuhl wurden erhalten und neu eingesetzt. Fast alle Möbelstück­e stammen von Gilles Schnäppche­njagden. „Für wenig Geld oder sogar geschenkt. Ich liebe alte Möbel und Pflanzen.“Einige Teile, die sie im Internet oder auf Flohmärkte­n ergattert hat, sind Erbstücke, manche fast neu. Das Gute an den alten Teilen? „Dass man sie immer wieder neu lackieren und neu kombiniere­n kann.“

Wohnen ist definitiv sehr wichtig für die Französin. „Das kommt wahrschein­lich daher, dass ich in meinem Leben schon sehr oft übersiedel­t bin. Schon als Kind, und auch später. Ich hatte nie wirklich ein richtiges Zuhause.“Dazu kommt ihre große Liebe für schöne Dinge, die ja irgendwo ausgelebt werden muss. „Aber je älter ich werde, desto mehr träume ich von reduzierte­m Wohnen – wenig Raum mit wenigen Dingen.“Die Übergänge sind in diesem Haus bewusst fließend, die Türen sind für die Kinder nie geschlosse­n. „Obwohl es dann natürlich sehr schwierig für mich ist, im Home-Office an einer Sache dranzublei­ben.“

Nur eines gefällt ihr nicht zu 100 Prozent: „Manchmal würde ich unser Haus gern näher an Wien teleportie­ren, denn die Stadt fehlt mir schon sehr.“

 ?? [ Doris Babier] ?? Restaurier­te Möbel, viele Pflanzen, leuchtende Deko, liebevolle Details: Das Reich von Sandra Gilles.
[ Doris Babier] Restaurier­te Möbel, viele Pflanzen, leuchtende Deko, liebevolle Details: Das Reich von Sandra Gilles.

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