Lern dir selbst, sonst lehrt dich keiner
Wer jetzt auf Fortbildungsbudgets hofft, wird oft enttäuscht: Die sind so klein wie nie. Seine Weiterentwicklung muss man nun selbst in die Hand nehmen.
Kein Geld, heißt es derzeit oft, wenn man in der Personalabteilung um einen Kurs anfragt. Monetäre Knappheit ist nur ein Grund. Der andere ist das nicht länger zu übersehende Delegieren von Fortbildung in die Verantwortung der Mitarbeiter. Lehren ist out, selbst erarbeiten in.
Mit mehr oder weniger Unterstützung. Am ehesten ist die für Sachthemen – neue Maschinen, Software – zu bekommen. Wenngleich sich auch hier viele Firmen mit saloppen „Nuggets“(siehe Seite K3), Wissenshäppchen auf internen Plattformen, begnügen.
Geht es aber um Personalentwicklung, blickt so mancher wehmütig auf die Zeiten ausgefeilter Programme zurück. Nachwuchs-führungskräftetrainings etwa, in heimeligen Seminarhotels abseits der Stadt, wo die Kollegen über Hardcore-Arbeitseinheiten Führungskompetenzen erwarben und über gemeinsame Abende zusammenwuchsen. Wischen wir diese Erinnerungen gleich wieder weg: So schnell wird es das nicht mehr spielen. Kompetenzen muss man sich jetzt allein erkämpfen.
Was sich erreichen lässt
Vorab: Nicht alles lässt sich erarbeiten. Eine Persönlichkeit ist wie eine Zwiebel. Der innerste Kern ist genetisch determiniert – hier lässt sich nicht viel machen. Auch die nächste Schicht, die fixen Persönlichkeitsmerkmale, ist kaum zu verändern. Immerhin, sie lässt sich objektiv messen. Etwa mit den in HR-Kreisen bestens bekannten Persönlichkeitstests (z. B. Big 5, BIP, Insights), die viele noch aus ihren Einstellungsassessments kennen. Die Investition lohnt sich auch für Selbstlerner – vielleicht öffnet HR ja einen Gratis-Testzugang.
In der dritten Zwiebelschale liegen Gewohnheiten und erlerntes Verhalten. Wer je versucht hat, seine Essensgewohnheiten zu ändern, der weiß, wie schwer das ist – aber es geht, mit viel Konsequenz und steter Wiederholung, beides unerlässlich für jedweden Lernerfolg. Am leichtesten lernt man in der vierten Zwiebelschale, bei situationsspezifischen Themen. Man will etwas wissen, schlägt nach oder schaut es sich ab.
Wie man Kompetenzen lernt
Die aktuell so hochgeschätzten Kompetenzen liegen in der dritten Zwiebelschale. Folgt man den Autoren Frank Sieber Bethke und Anja Klein, gibt es 47 davon, von Analytischem Denken bis Zielorientierung. Die beiden beschreiben (siehe Buchtipp), wie man sich jede in Eigenregie erarbeiten kann.
Etwa die gerade sehr nützliche Ambiguitätstoleranz, definiert als die Fähigkeit, mit der Unvorhersehbarkeit und den Widersprüchen der Welt zurechtzukommen.
► Schritt 1: Analysieren, in welchen Situationen man sich am schwersten tut. Wie agieren Kollegen, Vorbilder, berühmte Persönlichkeiten in solchen Situationen?
► Schritt 2: Ausgangspunkt und Ziel definieren (Soll-Ist-Abgleich).
► Schritt 3: Man googelt und verinnerlicht Analysemethoden (z. B. Ishikawa oder PDCA) und Kreativitätstechniken (z. B. Disney-Methode, 6-3-5-Methode).
► Schritt 4: Man lernt Visualisierungstechniken und trainiert, nicht nur eine, sondern mehrere Lösungen zu suchen, ebenso wie ein Vorgehen in kleinen Schritten, die man rasch korrigieren kann.
► Schritt 5: Im Alltag anwenden, üben und festigen, erst an kleinen Beispielen, dann immer mutiger.
Das klingt theoretisch und ist es auch – doch nach demselben Muster, nur praxisnäher, würde man es auch in einem Präsenzkurs serviert bekommen. Weil die Initiative hier aber von einem selbst ausgeht, folgt einmal mehr die Energie der Aufmerksamkeit: Auf einmal poppen überall Anregungen auf, in Magazinen, Fachbeiträgen, Literatur, auf YouTube, Google, in Blogs. Und im Job: Dort ist das größte Übungsfeld.