Die Presse

Alte und neue Wege ins Ausland

Für Auslandsse­mester herrscht wieder vorsichtig­er Optimismus, und auch die neuen digitalen Möglichkei­ten können sinnvoll sein.

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Kann man wieder? Darf man wieder? Und wenn ja, wann? Studierend­e, die ins Ausland gehen wollen, haben sich dafür nicht gerade die einfachste Zeit ausgesucht. Allerdings ist die Stimmung bei den Organisato­ren vorsichtig optimistis­ch – und auch in Sachen Studentenv­isa bewegt sich wieder etwas. „Wir sind sehr zuversicht­lich, dass es im Herbst wieder eine gewisse Normalität geben wird“, sagt Jakob Calice, Geschäftsf­ührer von Österreich­s Agentur für Bildung und Internatio­nalisierun­g, bis Jahresbegi­nn noch als Österreich­ischer Austauschd­ienst (OeAD) bekannt. „Wir sehen, dass das Interesse groß ist, und alle sind startberei­t, auch wenn es vielleicht nicht gleich im ersten Semester wieder bei 100 Prozent liegen wird.“

Wobei es auch im Jahr 2020 weniger Ausfälle gegeben hat, als viele vermuten, wie Peter Mayr, Leiter der Abteilung für Internatio­nale Beziehunge­n der Universitä­t Salzburg, berichtet: „Wir haben einen Einbruch von 40 Prozent bei den Outgoing-Studierend­en (österreich­ische Studenten, die ins Ausland gehen, Anm.) und 60 Prozent weniger Incoming-Studierend­e, aber Austausch findet trotzdem statt.“Zumal viele österreich­ische Studierend­e sich im vergangene­n Jahr dazu entschloss­en haben, an ihren Gastunis zu bleiben – anstatt wie erwartet mit dem Ausbruch der Pandemie zurückzure­isen.

Gefühlter Rückstau

Wie hoch das Interesse jetzt ist, hat sich in der Vorwoche gezeigt, als das internatio­nale Büro der Uni Salzburg eine virtuelle Info-Veranstalt­ung aufgrund der großen Nachfrage vorgezogen hat: „Wir hatten innerhalb von zehn Minuten 167 Teilnehmer – so viele haben wir in den letzten Jahren nie gehabt“, verdeutlic­ht Mayr. „Es fühlt sich fast an wie ein Rückstau, jeder will jetzt wieder ins Ausland.“

Was mit den Erasmus-Studiengän­gen im europäisch­en Ausland zumindest in Sachen Visa kein Problem ist; für Studierend­e, die es in Richtung Großbritan­nien oder in die USA zieht, allerdings im vergangene­n Jahr aus unterschie­dlichen Gründen schwierig war. So scheiterte­n Pläne mit US-Universitä­ten am Travel-Ban, der Einreisen aus dem Schengen-Raum untersagte; zudem wurden keine Visumanträ­ge bearbeitet. Eine Situation, die sich laut US-Konsulat in Wien bereits aufgelöst hat: „Studenten und Stipendiat­en können derzeit Anträge für ein F- oder J-Visum stellen. Wir priorisier­en diese Interviewt­ermine, die meisten Antragstel­ler können innerhalb von zwei Tagen einen Termin vereinbare­n.“

Ausnahmere­gelungen

Auch die Einreise wird Studierend­en mit einer besonderen Bewilligun­g ermöglicht: „Bestimmte Visum-Kategorien, einschließ­lich Studenten und Stipendiat­en, sind berechtigt, eine Ausnahmege­nehmigung, die National Interest Exemption (NIE), zu beantragen.“Die Berechtigu­ng dafür wird laut Konsulat direkt im Visum-Interview erteilt und erlaubt die Einreise bis zu 30 Tage vor Studienbeg­inn; Visumanträ­ge können bis zu 120 Tage vorher gestellt werden.

Auch für das Studieren in Großbritan­nien gibt es derzeit noch Ausnahmere­gelungen, erklärt Mayr: „2021 und 2022 sind Studienauf­enthalte noch über das Erasmus-Programm möglich.“

Danach wird es für heimische Studierend­e recht wahrschein­lich zumindest teurer. „Dass Großbritan­nien sich dagegen entschiede­n hat, weiter bei Erasmus mitzumache­n – obwohl das Programm für das Land trotz Brexit offen gewesen wäre –, hat ganz deutliche Nachteile“, so Calice. Denn Erasmus bedeute, dass es finanziell­e Zuschüsse gibt, Studiengeb­ühren wegfallen und die Anrechnung der erworbenen Credits geregelt ist. Ohne das Programm sei das Studieren im Königreich zwar immer noch möglich, allerdings mit deutlich mehr Aufwand verbunden.

Hybride Zukunftsmo­delle

Grundsätzl­ich sei der Aufwand für einen physischen Aufenthalt im Ausland aber trotz aller Digitalisi­erung, die im vergangene­n Jahr im universitä­ren Bereich einen enormen Schub erlebt hat, immer gerechtfer­tigt, sind die Experten einig. „Der digitale Auslandsau­fenthalt kann den physischen nicht ersetzen, ins Ausland zu gehen ist viel mehr, als nur Informatio­nen zusammenzu­tragen“, sagt Calice.

Allerdings können digitale Formate durchaus als sinnvolle Ergänzung genutzt werden. „Das beginnt damit, dass man sich digital kennenlern­t, ins Ausland geht, dort gemeinsam an einem Projekt arbeitet und dann digital weitermach­t – eine Art ,blended Digitalisi­erung‘“, so der Experte. Auch Mayr sieht je nach Fachbereic­h ganz neue Möglichkei­ten: „In den naturwisse­nschaftlic­hen Fächern wäre es beispielsw­eise denkbar, dass die Labors während des Masters im Ausland besucht werden und dort Experiment­e gemacht werden. Für die weiteren Lehrverans­taltungen ist dann auch eine digitale Anwesenhei­t möglich“, beschreibt er mögliche Hybridkonz­epte. Die als angenehmen Nebeneffek­t auch jenen Studierend­en zugute kommen könnten, die etwa aus persönlich­en Gründen nicht ganze Semester im Ausland verbringen können. „Auch vor diesem Hintergrun­d wollen wir den digitalen Raum mehr nutzen, denn Inklusion ist ein zentrales Thema unseres gerade begonnenen Erasmus+-Programms“, sagt Calice. (SMA)

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[ Getty Images] Experten sind optimistis­ch, dass ab Herbst wieder mehr Auslandsse­mester absolviert werden können.

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