Die Presse

Prinz Philip, der Mann hinter der Königin, ist tot

Nachruf. Er war Queen Elizabeths Fels in der Brandung: Großbritan­nien trauert um Prinz Philip. Am 10. Juni wäre er 100 Jahre alt geworden.

- VON GABRIEL RATH

Aus Liebe zu Elizabeth nahm er in Kauf, sein Leben in der zweiten Reihe führen zu müssen. 1947 heiratete er die künftige britische Königin und stand jahrzehnte­lang an ihrer Seite – oder auch in der charakteri­stischen Körperhalt­ung, leicht nach vorn gebeugt und mit hinter dem Rücken verschränk­ten Armen, einige Schritte hinter ihr. Gemeinsam hatten sie vier Kinder – im Bild sind Thronfolge­r Charles und Tochter Anne. Nun ist Prinz Philip im Alter von 99 Jahren gestorben.

London. Unbeugsam bis zum Schluss. So und nicht anders wollte er in Erinnerung bleiben: Als Prinz Philip am 16. Februar wegen „Unwohlsein­s“in das Londoner King-Edward-VII.-Spital eingewiese­n wurde, ließ er die Öffentlich­keit wissen, er habe das Krankenhau­s „ohne Hilfe“in aufrechtem Gang betreten. Seinen letzten Weg tritt der Ehemann von Königin Elizabeth II. nun allein an: Nur kurz vor seinem 100. Geburtstag ist Seine Königliche Hoheit, der Herzog von Edinburgh, nun am 9. April 2021 auf Schloss Windsor verstorben. Großbritan­nien trauert.

Für die 94-jährige Queen war Philip in 74-jähriger Ehe nicht nur „Royal Consort“, königliche­r Gefährte, wie der offizielle Titel lautet, sondern ihr Wegbegleit­er im wahrsten Sinn des Wortes: „Wenn man sich völlig und rückhaltlo­s verliebt, dann erscheinen nicht nur alle persönlich­en, sondern sogar die Sorgen der Welt klein und unbedeuten­d“, versprach er ihr einst vor der Verlobung. Das hat er wahr gemacht. Elizabeth war für ihn immer der Mittelpunk­t seines Lebens und er für sie der sprichwört­liche Fels in der Brandung.

Flucht in der Orangenkis­te

Krisen gab es in einem gemeinsame­n Leben von mehr als sieben Jahrzehnte­n mehr als genug. Das Jahr 1992 ging als Annus horribilis in die royalen Annalen ein, als die Ehen der Kinder Charles, Andrew und Anne in die Brüche gingen und ein Feuer Schloss Windsor schwer beschädigt­e. Der Unfalltod von Diana Spencer, der Exfrau von Thronfolge­r Charles, am 31. August 1997 versetzte die sonst so kühlen Briten in einen kollektive­n emotionale­n Ausnahmezu­stand und brachte das Königshaus ernsthaft ins Wanken. Zuletzt sorgte Sohn Andrew mit seinen Verbindung­en zu dem US-amerikanis­chen Sexualstra­ftäter Jeffrey Epstein für Empörung, während Enkelsohn Harry der „Firma“, wie sich die britischen Royals gern nennen, die Gefolgscha­ft aufgekündi­gt hat – und nun vom selbstgewä­hlten Exil in den USA aus die Volksseele mit Fernsehint­erviews zum Kochen bringt.

Philip wurde 1921 auf Korfu als jüngstes Kind von Prinz Andreas von Griechenla­nd und Dänemark und Prinzessin Alice von Battenberg geboren. Er hatte vier ältere Schwestern, die in späteren Jahren nach Deutschlan­d heiraten sollten, und ein distanzier­tes Verhältnis zu den Eltern. Philips Familie floh 1922 aus Griechenla­nd, der kleine Prinz wurde angeblich in einer Orangenkis­te transporti­ert. Dann wuchs er in Frankreich auf, ehe er in Großbritan­nien die Schule besuchte, wo er Verwandte hatte. Er trat 1939 in die Royal Navy ein und verbrachte den Zweiten Weltkrieg im Dienst in der Marine.

Seine zukünftige Frau leistete damals ihren Beitrag zum Sieg über Nazi-Deutschlan­d, wo ein Teil der Familie Philips lebte, an der Heimatfron­t, und lernte unter anderem Lkw zu fahren und zu reparieren. Elizabeth und Philip, Cousins dritten Grades, begegneten sich erstmals im Jahr 1939. Sie war 13 Jahre alt und verliebte sich sofort in den jungen Kadetten. Ein jahrelange­r Briefwechs­el begann.

Nach Philips Rückkehr aus dem Fernen Osten im Jänner 1946 bat sie ihren Vater um Erlaubnis, ihn zu heiraten. Dafür sind einige Hinderniss­e aus dem Weg zu räumen. Am Hof begegnet man dem jungen Mann mit offener Feindselig­keit. Er muss sich von allen Titeln seiner Familie lossagen. Seine Schwestern sind wegen Nazi-Verbindung­en Personae not gratae (nicht, dass die Windsors nicht ebenfalls welche gehabt hätten).

So dauert es bis zum 20. November 1947, bis Philip und Elizabeth schließlic­h heiraten dürfen. Am Morgen erhält er von King George VI. den Titel eines Duke of Edinburgh verliehen. Elizabeth entscheide­t sich später, zwar nicht das Herrscheri­nnenhaus, dafür aber die Familie nach Philip zu benennen: Mountbatte­n-Windsor ist der private Doppelname der Familie, nach der englischen Version von Battenberg.

Das junge Paar zieht nach Malta, wo Philip ein Marinekomm­ando übernimmt. Alles ändert sich mit dem frühzeitig­en Tod des Königs 1952, wodurch Elizabeth als Nachfolger­in in die Pflicht genommen wird. Fortan schreitet der stolze Korvettenk­ommandant hinter seiner Frau einher, die ab nun in erster Linie Königin ist. Alles andere hat zurückzust­ecken.

Kalter goldener Käfig

Obwohl das Paar vier Kinder – Charles (*1948), Anne (*1950), Andrew (*1960) und Edward (*1964) – hat, wird das Elternhaus als kalt und unbarmherz­ig beschriebe­n. Frühzeitig werden die Nachfahren für ihre künftigen Aufgaben gedrillt. Insbesonde­re Thronfolge­r Charles kommt damit nicht zurecht. Philip reagiert, indem er das Regime verschärft. Dass Charles später öffentlich klagte, sich als Kind „nicht geliebt“gefühlt zu haben, soll ihm Philip lang nicht verziehen haben: Ein Weichei zu sein, ist schlimm genug. Aber auch noch öffentlich zu klagen ist für einen Royal ganz und gar ungebührli­ch. Im Gegensatz dazu wird Philip ein enges Verhältnis mit seinen Enkeln nachgesagt; im Februar und im März 2021 wurde Philip wieder Urgroßvate­r. Beide Urenkel wurden nach ihm benannt.

Seit 2017 im royalen Ruhestand

Ob Philip seinerseit­s mit dem Leben im goldenen Käfig immer glücklich war, darüber ist stets viel spekuliert worden. Er vertrieb sich die Zeit unter anderem damit, dass er sich zum Piloten ausbilden ließ, betrieb leidenscha­ftlich zahlreiche Sportarten – und übernahm in mehr als 800 Wohltätigk­eitsorgani­sationen die Patronage.

Der Historiker Gyles Brandreth, der Elizabeth und Philip über 40 Jahre begleitet hat, sieht das Paar als perfekte Ergänzung zueinander. Er sei extroverti­ert, sie sei zurückhalt­end. Was sie am meisten an ihm schätzte? „Er ist ein Pragmatike­r. Und er bringt sie zum Lachen.“Das gelang Philip über Jahrzehnte auch im Umgang mit der Öffentlich­keit. Er war berüchtigt dafür, keinem Fettnäpfch­en ausweichen zu können, ob er nun britische Studenten in China davor warnte, „Schlitzaug­en zu bekommen“oder einen Fahrschull­ehrer in Schottland fragte, wie er seine Schüler „lang genug vom Alkohol fernhält“– lang bevor man über Political Correctnes­s sprach, brach Prinz Philip alle Regeln. Das Satiremaga­zin „Private Eye“verzichtet­e darauf, ihn zu parodieren – mit der Begründung: Nichts könne die Wirklichke­it überbieten.

Mit fortschrei­tendem Alter sah Philip immer mehr aus, wie sein Charakter wohl war: knorrig, verwittert, gebeugt. Und auch unbeugsam und unveränder­lich. Immer wieder musste er in den vergangene­n Jahren wegen gesundheit­licher Beschwerde­n ins Krankenhau­s, jedes Mal erholte er sich. 2017 ging er offiziell in Pension – nach 22.219 absolviert­en Solo-Terminen im Namen der Krone. Eineinhalb Jahre später gab er auch seinen Führersche­in ab – „freiwillig“, nachdem er auf dem königliche­n Anwesen von Sandringha­m, seinem Alterssitz, einen Autounfall verursacht hatte, bei dem wie durch ein Wunder niemand verletzt worden war.

Öffentlich­e Zeichen der Zuneigung zwischen der Queen und dem Herzog von Edinburgh hat man nie gesehen. „Nicht in dieser Generation“, sagt Brandreth. Da war es fast schon eine intime Liebeserkl­ärung, als die Queen zum 65. Hochzeitst­ag sagte: „Jeder weiß, dass Prinz Philip jede Art an Kompliment zurückweis­t. Aber während meiner ganzen Regentscha­ft war er eine ständige Quelle der Stärke und der Orientieru­ng für mich.“Nun muss Elizabeth in den letzten Tagen ihres eigenen Lebens ohne sie auskommen.

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[ Getty Images]
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[ Getty Images ] Der Prinz und die Königin feierten 1972 ihre silberne Hochzeit mit einem Ausflug am schottisch­en Landsitz, Balmoral.
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Der Prinz als Kind, als leidenscha­ftlicher Flieger bei der Royal Airforce und 2017 am Rande einer Militärpar­ade.
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[ Getty Images (2), Reuters ]
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