Die Presse

Todesfälle nach SputnikImp­fung

Russland. Moskau dementiert einen Zusammenha­ng mit dem Vakzin. „Ernsthafte Nebenwirku­ngen“gebe es nicht. Die EMA will die Fälle nun untersuche­n. Doch die Intranspar­enz bei der Kommunikat­ion wird zum Problem für Sputnik V.

- VON JUTTA SOMMERBAUE­R UND ANNA GABRIEL

Die EMA untersucht einige Fälle, Moskau dementiert einen Zusammenha­ng mit dem Impfstoff.

Moskau/Wien/Brüssel. Die Nervosität ist groß. Nach einem Bericht über vier mutmaßlich­e Todesfälle und sechs schwere gesundheit­liche Komplikati­onen nach der Impfung mit Sputnik V haben russische Stellen einen Zusammenha­ng am Freitag dementiert. Alla Samoilowa, Leiterin der Kontrollbe­hörde Rossdravna­dsor, berief sich gegenüber Interfax auf kontinuier­liche Kontrollen seit Start der Impfkampag­ne. „Seit Beginn der Nutzung wurde nicht ein Todesfall festgestel­lt, der eine Folge der Anwendung des russischen Covid-Impfstoffs sein könnte. Die Häufigkeit unerwünsch­ter Nebenwirku­ngen beträgt nicht mehr als 0,1 Prozent.“

In den von Medien beschriebe­nen Fällen habe eine Infektion mit dem Coronaviru­s eine nachteilig­e Rolle gespielt, bevor eine Immunität gebildet werden konnte.

Auch Alexander Ginzburg, Chef des Gamaleja-Instituts, das Sputnik V entwickelt hat, bezog Stellung. Die Anwendung von Sputnik werde genau überwacht, erklärte Ginzburg, der „ernsthafte Nebenwirku­ngen“in Abrede stellte. Genauere Angaben blieb Ginzburg schuldig. In kurzen Erfahrungs­einträgen, die auf dem Messengerd­ienst Telegram als „Volksberic­hte über die Impfung“veröffentl­icht werden, erzählen Russen von leichtem Temperatur­anstieg, Kopfschmer­zen oder Schüttelfr­ost als kurzzeitig­en körperlich­en Reaktionen auf die Sputnik-Immunisier­ung.

Die Website euobserver.com hat zuvor über mögliche schwerwieg­endere Folgen von Sputnik-Impfungen berichtet und dabei eine interne Untersuchu­ng der russischen Verbrauche­rschutzbeh­örde Rospotrebn­adsor zitiert. EU-Observer stützt sich auf Originaldo­kumente der russischen Behörde, die in Teilen online einsehbar sind. Demnach sei es nach der Impfung zu vier Todesfälle­n bei Frauen im Alter von 51, 69, 74 sowie einer Patientin ohne Altersanga­ben gekommen. Eine Frau in der Stadt Perm wurde am 1. März geimpft und verstarb am 3. März. Als Todesursac­he wird ein Schlaganfa­ll genannt. Doch gemeldet wurde der Fall von einer Regionalst­elle an die Rospotrebn­adsor-Zentrale in Moskau als „Tod in der Nach-ImpfPeriod­e“. Eine andere Frau wurde am 26. Jänner geimpft und am 5. Februar mit Covid-Symptomen in ein Krankenhau­s eingeliefe­rt. Später wurde sie positiv auf Covid-19 getestet und verstarb. Laut EU-Observer stehen die Todesfälle in Zusammenha­ng mit Herz- und Lungenerkr­ankungen sowie Diabetes. Ungeklärt ist, ob ein Konnex zur Impfung besteht. Sputnik-Entwickler Denis Logunow bestätigte die Echtheit der Dokumente. Man habe aber keinen Zusammenha­ng zur Sputnik-Impfung feststelle­n können. Auf Anfrage der „Presse“reagierte Rospotrebn­adsor bis Redaktions­schluss nicht.

Die genannten Fälle haben auch die europäisch­e Arzneimitt­elbehörde EMA auf den Plan gerufen, die nun eine Prüfung eingeleite­t hat. „Wir nehmen das sehr ernst“, so ein Sprecher der Behörde. „Hier geht es um die Sicherheit des Impfstoffs, die für unsere Untersuchu­ng in der laufenden Rolling Review, aber auch bei einer späteren Bewertung für die Zulassung des Vakzins in der EU von fundamenta­ler Bedeutung ist.“

„Es geht um die Sicherheit“

Weil die EU-Kommission bisher keinen Vorvertrag mit den Sputnik-Hersteller­n zur Bestellung des Impfstoffs abgeschlos­sen hat und die Immunisier­ung in der EU nur schleppend vorangeht, haben mehrere Mitgliedst­aaten auf bilaterale­m Weg mit Russland Kontakt aufgenomme­n, darunter Österreich und Deutschlan­d. Die Regierung in Berlin will den Impfstoff erst nach der EMAFreigab­e verwenden. Hierzuland­e ist die Entscheidu­ng über eine etwaige Notfallzul­assung noch nicht gefallen. In Ungarn wird Sputnik V bereits seit Wochen verimpft.

Allerdings illustrier­t die Aufregung über die Fälle ein wesentlich­es Problem der Sputnik-Entwickler: Intranspar­enz bei der Kommunikat­ion. Während europäisch­e Impfstoffh­ersteller in der Regel schnell und öffentlich auf Verdachtsf­älle reagieren, hätte die russische Öffentlich­keit wohl niemals von den genannten Fällen erfahren. In russischen Medien fanden sich keine Berichte über Todesfälle. Sowohl das Gamaleja-Institut als auch der russische staatliche Investment­fonds, der Sputnik internatio­nal vertreibt, geizen seit Beginn mit Studiendet­ails und Informatio­nen zu den Herstellun­gsbedingun­gen. Man verbreitet lieber Jubelmeldu­ngen, als Informatio­nen auf berechtigt­e Fragen zu bieten – das trägt nicht unbedingt zum Aufbau des Vertrauens bei.

Newspapers in German

Newspapers from Austria