Autofreie(re) Innenstadt
Kamera-Überwachung. Der erste Bezirk will die Einfahrten in das Stadtzentrum künftig per Videokamera oder elektronisch kontrollieren. Eine Studie soll nun erheben, ob und wie das rechtlich und praktisch möglich sein könnte.
Der erste Bezirk will die Einfahrten ins Stadtzentrum künftig per Video überwachen.
Wien. Aus der „autofreien Innenstadt“, die die damalige grüne Verkehrsstadträtin, Birgit Hebein, vergangenen Sommer verkündet (und damit den Koalitionspartner SPÖ, vorsichtig formuliert, verärgert) hat, wurde bekanntlich nichts. Nun gibt es einen neuen Anlauf, die Innere Stadt zwar nicht ganz autofrei, aber doch deutlich autofreier zu machen: ÖVP-Bezirksvorsteher Markus Figl möchte, dass Autofahrer, die nicht im Bezirk wohnen, nur noch in Garagen parken. Um dies zu kontrollieren, sollen Videokameras zum Einsatz kommen.
1 Wie soll die neue Überwachung im Ersten konkret funktionieren?
Die derzeitige Parkraumbewirtschaftung im ersten Bezirk „funktioniert nicht“, sagt Figl. „Wir brauchen ein anderes System.“Und zwar ein „modernes, intelligentes“.
Mit Videokameras – oder einer anderen elektronischen Erfassung der einfahrenden Pkw – soll kontrolliert werden, wer überhaupt noch in den ersten Bezirk fahren darf: Nämlich im Grunde nur noch Anrainer, Einsatzfahrzeuge, Lieferdienste. Alle anderen – Figl nennt sie „Gäste“– sollen zwar weiter mit dem Auto in den Bezirk kommen, dort aber nicht mehr an der Oberfläche (also den Stellplätzen) parken dürfen. Wer von außerhalb mit dem Auto kommt und nicht in eine Garage fährt (derer es einigeg ggibt, siehe Grafik), wird via Überwachung ausgeforscht und bekommt eine Verwaltungsstrafe.
„Es geht uns aber nicht um die finanzielle Geschichte“, sagt Figl, „das klare Ziel für uns ist eine Verkehrsberuhigung.“Die Überwachung ist nicht im gesamten Bezirk geplant, aber im Großteil: konkret im Stadtkern innerhalb des Rings. An allen Einfahrtsstraßen vom Ring in den Stadtkern – und wohl auch vor den Garagen – müssten dann Kameras installiert werden.
2 Wie stehen die Chancen, dass das wirklich umgesetzt wird?
Grundsätzlich gut, weil die rot-pinke Stadtregierung im Koalitionsabkommen eine Verkehrsberuhigung im Ersten bis 2022 festgeschrieben hat. „Darüber sind wir sehr froh“, so Figl, „damit haben wir den Druck, dass etwas weitergeht.“Zudem hat sich Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) neulich auch für eine Kamera-Überwachung im Ersten ausgesprochen: „Ich denke nicht, dass es anders möglich sein wird“, sagte sie im „Kurier“.
Der nächste Schritt sei nun, so Figl, dass Bezirk und Stadt gemein
sam eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben, die evaluieren soll, wie und ob eine derartige Überwachung rechtlich und praktisch möglich ist. Klar ist: Bei der „Section Control“auf den Autobahnen werden zwar Kennzeichen bereits erfasst – Kameras zur Kontrolle des parkenden Verkehrs sind in Österreich aber absolutes Neuland.
3 Welche Hürden gibt es noch, ehe das System kommen könnte?
Zunächst einmal rechtliche: Ehe auch nur eine Kamera installiert werden kann, braucht es eine Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO), die Angelegenheit des Bundes ist. Dass die grüne Verkehrsministerin, Leonore Gewessler, einer Verkehrsberuhigung nicht abgeneigt ist, darf als gesichert gelten.
Ob die Novelle in der von Stadt und Bezirk gewünschten Form kommt, ist freilich offen – ein Ansuchen der Stadt ist jedenfalls bereits im Ministerium eingelangt. Was die Chancen erhöhen könnte: Eine derart überwachte Innenstadtzone „ist nicht nur ein Wiener Wunsch“, sagt Matthias Nagler, Expertep für Verkehrspolitik beim ÖAMT C, auch andere Städte und Gemeinden hätten Interesse. Wichtig sei, sagt Nagler, dass eine „Zentrumszone“(wie auch immer sie heißen würde) in der StVO ver
ankert sei – ähnlich wie auch bei Fußgängerzonen genau geregelt ist, wer wann einfahren darf. Denn zu viele Ausnahmen und Sonderregelungen – wie einst bei Hebeins Vorstoß – „brächten das nächste rechtliche Problem“: Immerhin sei es Autofahrern nicht zumutbar, beim Einfahren zig Ausnahmen von Zusatztafeln abzulesen. Einsprüche Gestrafter wären die Folge.
4 Gibt es internationale Vorbilder, an denen man sich orientieren kann?
Durchaus. So wird in Stockholm, aber auch im Londoner Zentrum, wo die Citymaut gilt, elektronisch erfasst, welche Pkw zufahren dürfen. Bekanntestes Beispiel (und vielen Italien-Urlaubern bekannt) ist wohl die „Zona traffico limitato“, die es in vielen italienischen Städten gibt. Auch hier werden in den meisten Fällen die Kennzeichen via Kamera erfasst (das technische System stammt dabei übrigens oft vom österreichischen Unternehmen Kapsch). Fährt jemand in diese „Zona“, ohne berechtigt zu sein, bekommt er nachträglich eine Verwaltungsstrafe.
Technisch möglich wäre ein derartiges System also jedenfalls. In Italien ist es auch zeitlich reguliert, gilt also mancherorts etwa nur tagsüber. Und Hotels haben die Möglichkeit, die Autokennzeichen ihrer Gäste, die auf dem Hotelparkplatz stehen, zu melden – damit die Urlauber keine Strafe bekommen.
5 Welche weiteren Bedenken und Schwierigkeiten gibt es?
Nicht wenige. So sind abgesehen von der rechtlichen und technischen Umsetzung viele Fragen offen. Etwa, wie man die wohl erforderlichen Ausnahmen regeln wird: Dürfen pflegende Angehörige mit ihrem Auto auf der Straße parken, Menschen mit Behindertenausweis? Wie ist es mit Carsharing-gAnbietern? Nagler vom ÖAMT C schlägt etwa vor, dass eine Zufahrt für alle für 30 Minuten erlaubt bleibt, damit man weiter Waren von Geschäften mit seinem Auto abholen kann.
Der ÖAMTC als Vertreter der Autofahrer ist von den Plänen naturgemäß nicht begeistert, „es ist aber“, sagt Nagler, angesichts der besonderen Situation in der Innenstadt „akzeptabel“– sofern Garagenplätze ausreichend vorhanden und ggünstig sind. Wichtig ist dem ÖAM TC, dass diese Zone auf den ersten Bezirk beschränkt bleibt und die Machbarkeitsstudie eine „objektive Grundlagenerhebung“bringt, die auch die Folgen für die angrenzenden Bezirke mitbedenkt.