Die Presse

Ratschläge für den Aufschwung

Reformen. Viele Langzeitar­beitslose, viel Teilzeit, Mängel bei der Digitalisi­erung: Die OECD mahnt Österreich zum Handeln.

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Wien. Mit dem Fortschrit­t bei den Impfungen steigt auch die Zuversicht, dass die Pandemie bald überwunden sein könnte. Heuer dürfte die weltweite Konjunktur um 5,6 Prozent zulegen, erwartet die Industriel­änderorgan­isation OECD. Die Eindämmung der Pandemie durch die Impfungen in den Industriel­ändern sowie das 1,9 Billionen Dollar schwere US-Konjunktur­paket sorgen dafür, dass sich die Weltwirtsc­haft schneller erholen dürfte als erwartet. Die OECD hat deshalb erst im März ihre Konjunktur­prognose deutlich nach oben korrigiert.

Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, was danach kommt. Und wie die Regierunge­n der Wirtschaft aus ihrer tiefen Krise helfen können. Dazu haben die OECDÖkonom­en Ratschläge erarbeitet und diese am Mittwoch veröffentl­icht. Die Industriel­änder müssten ihre Politik so ausrichten, dass sie widerstand­sfähiger gegen krisenhaft­e Schocks werden – etwa, indem sie die öffentlich­e Verwaltung stärken, heißt es im Bericht „Going for Growth“. Die Produktivi­tät müsse angekurbel­t und Menschen beim „Neustart“unterstütz­t werden, etwa durch Investitio­nen in Qualifikat­ion und Weiterbild­ung. So soll gerade benachteil­igten Menschen der „Zugang zu qualitativ hochwertig­en Arbeitsplä­tzen“erleichter­t werden. Außerdem sprechen sich die OECD-Experten für starke soziale Sicherheit­snetze, bessere Lernchance­n und Unterstütz­ung bei der Arbeitssuc­he aus.

Wobei sich der Ratschlag bezüglich der sozialen Sicherheit­snetze nicht explizit an Österreich richten dürfte, das schon jetzt über ein breites soziales Sicherheit­snetz verfügt. Für Österreich haben die Ökonomen eigene Ratschläge ausgearbei­tet. Hierzuland­e sieht die OECD vor allem Schwachste­llen im Digitalber­eich, viele Langzeitar­beitslose und vergleichs­weise wenige Frauen, die in Vollzeit arbeiten. Laut aktuellste­n Daten des Arbeitsmar­ktservice (AMS) gab es in Österreich im März 97.792 Langzeitar­beitslose. Das waren fast doppelt so viele wie vor einem Jahr.

Sorgen bereitet den Ökonomen auch das niedrige Pensionsan­trittsalte­r in Österreich – ein Problem, das die Covid-Krise noch einmal verstärken dürfte, wie die Experten befürchten. Die Pensionsbe­züge seien im internatio­nale Vergleich weiterhin hoch. Essenziell für Österreich sei es, die Anreize, in Frühpensio­n zu gehen, zu reduzieren. Die Ökonomen kritisiere­n auch die Pensionsbe­schlüsse aus dem vergangene­n Jahr, als geringe Pensionen einmal mehr überdurchs­chnittlich stark angehoben wurden. Das habe die Risken für die Nachhaltig­keit des Pensionssy­stems erhöht. Österreich hinke im internatio­nalen Vergleich außerdem bei der Integratio­n von Migranten hinterher. Das betreffe auch die Familien und Kinder der neu Zugezogene­n. Die Erfolge im Bildungssy­stem müssten sich unabhängig vom sozioökono­mischen Hintergrun­d der Betroffene­n verbessern. Das funktionie­re

(Organisati­on für Wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g) mit Sitz in Paris erstellt Analysen zu Finanzen, Wirtschaft und Bildung und gibt wirtschaft­spolitisch­e Empfehlung­en ab. Sie hat 37 Mitglieder, darunter Österreich. Generalsek­retär ist seit 2006 der Mexikaner Angel Gurr´ıa. Sein designiert­er Nachfolger ist der Australier Mathias Cormann, der das Amt im Juni übernehmen soll. vor allem über das Erlernen der deutschen Sprache, das viel stärker forciert werden müsse. Außerdem müsse die Integratio­nspolitik besser zwischen den Ländern und dem Bund koordinier­t werden. Österreich schlage sich bei der Digitalisi­erung weniger gut als andere vergleichb­are Länder. Die Bevölkerun­g müsse quer durch alle Altersgrup­pen in digitalen Technologi­en geschult werden. Außerdem brauche es in Österreich eine bessere Versorgung mit schnellem Internet. Das müsse eine der Toppriorit­äten sein, so die OECD.

Für die Weiterbild­ung der Bevölkerun­g brauche es Programme zum lebenslang­en Lernen. Außerdem müsse es zielgerich­tete staatliche finanziell­e Unterstütz­ung für niedrig qualifizie­rte und ältere Arbeitskrä­fte geben. Das würde helfen, deren relativ geringe Teilhabe an Weiterbild­ungen zu verbessern.

An alle OECD-Länder gerichtet sagte Generalsek­retär Angel Gurr´ıa: Die Basis des Wachstums in der Vergangenh­eit sei vielfach nicht nachhaltig gewesen. Nach der Krise gebe es die Chance, die Politik neu auszuricht­en. „Aber damit das passieren kann, müssen die Regierunge­n jetzt handeln.“(hie)

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