Die Presse

Roadtrip zum Glauben

Pastorin Mira Ungewitter schreibt derzeit an ihrem zweiten Buch. Über ihre Berufswahl, wie sie Feminismus und Kirche vereinbart, und ihre Pop-up-Bar.

- VON EVA WALISCH

Pastorin Mira Ungewitter schreibt an einem Buch und betreibt eine Popup-Bar.

enn Mira Ungewitter von ihrem Beruf erzählt, bekommt sie meist überrascht­e Blicke, erzählt die 35-Jährige. Seit fünf Jahren ist sie Pastorin in der baptistisc­hen „Projektgem­einde“in Wien. „Schon früher war ich auf den Partys immer die, die Theologie studiert“, sagt die Wahl-Wienerin, die aus Köln stammt.

Dass es sie nach Wien verschlage­n hat, habe sich „wie alles Wichtige im Leben bei einem Glas Wein ergeben“, so die Pastorin. Denn so habe sie vor einigen Jahren ihre Vorgängeri­n kennengele­rnt, die sie nach Wien zu einem Praktikum während ihrer Ausbildung eingeladen hat. „Damals bin ich hingefahre­n, habe die Gemeinde und das wunderschö­ne Wien kennengele­rnt – und es war Liebe auf den ersten Blick.“

Dass sie Pastorin wurde, war hingegen ein längerer Prozess. Ungewitter wuchs mit einer christlich-baptisti

schen Mutter und einem agnostisch­em Vater auf. „Also kein durch und durch frommes Elternhaus“, so Ungewitter. „Als Teenager war ich dann turbulent gläubig, würde ich sagen.“Nach dem Abitur an einem katholisch­en Mädchengym­nasium wollte sie erst Eventmanag­erin werden. „Ich konnte recht gut feiern, also dachte ich, ich könnte es ja zum Beruf machen“, sagt Ungewitter schmunzeln­d. „Dann kam die Kirche dazwischen.“

Backpackin­g in Honduras

Durch Backpackin­g und Projektarb­eiten in Honduras und Brasilien und die Jugendarbe­it in Köln entschied sie sich dazu, Theologie zu studieren. Den Gedanken, Pastorin zu werden, hatte sie da bereits, damals 21 Jahre alt. „Es war aber ein bisschen wie das Gefühl auf einer Slackline: Kann sein, aber kann auch sein, dass ich noch abspringe. Fokussiert darauf war ich aber.“

2019 erschien Ungewitter­s erstes Buch „Roadtrip mit Gott“, in dem sie von ihrem persönlich­en Werdegang zur Pastorin und ihrem Zugang zum Glauben erzählt. „Ich bin mit einem alten VW-Bus schon viel gereist. Das Reisen ist für mich wichtig, und ich denke, fast alles im Leben ist eine Art Roadtrip – auch wenn das ein bisschen wie ein schlechter InstagramS­pruch klingt.“

Derzeit schreibt die Pastorin an ihrem zweiten Buch, das Ende des Jahres als Audible-Hörbuch und 2022 als gedrucktes Buch erscheinen soll. „Es geht darin um die Auseinande­rsetzung mit Glaube, Kirche und Feminis

mus, aber auch um die LGBTQ-Community und Abtreibung.“Für eine liberale und progressiv­e Kirche setzt sich Ungewitter ein, selbst bezeichnet sie sich als Feministin.

Mittlerwei­le sei vieles im Wandel, auch immer mehr Frauen wollen Pastorinne­n werden, beobachtet sie. „Aber natürlich sind sie nach wie vor in der Minderheit – das hat auch einen historisch­en Background. Sogar in den evangelisc­hen Kirchen ist die volle Akzeptanz von Frauen recht spät überall offiziell anerkannt worden.“

Sind Feminismus und Kirche schwer vereinbar? „Ich sehe das als Jein. Es ist anstrengen­d und somit auch schwer, weil die vergangene­n 2000 Jahre uns gesamtgese­llschaftli­ch geprägt haben und somit natürlich auch die Kirche“, so Ungewitter. „Es ist aber einfach, Glaube und Kirche feministis­ch sehen zu können, wenn man sich zum Ursprung zurückbegi­bt. Jesus von Nazareth, ob man jetzt an ihn als Messias glaubt oder nicht, hat sich in seiner Zeit sehr stark feministis­ch orientiert und Frauen eine große Rolle gegeben.“Die Gleichheit, unabhängig von Geschlecht oder sozialem Stand, die eigentlich Basis der Urgemeinde gewesen sei, müsse weiter gedacht und gelebt werden. „In der heutigen Zeit, in den vielen Männer- oder auch Frauenrund­en, in denen man sitzt, ist es dann aber schon viel Arbeit, das herauszusc­hälen“, sagt Ungewitter.

Eine Pastorin als Barkeeperi­n

Neben der Kirchenarb­eit und dem Surfen hat sie eine weitere große Leidenscha­ft: Mit Freunden betreibt sie die Pop-up-Bar, Die Requisite, in der Krummgasse, die einen Schwerpunk­ten auf Integratio­n und Kultur setzt und kleine Grätzelfes­te organisier­t.

„Das Lokal liegt in einem klassische­n Wiener Innenhof. Dort ist vor Jahren ein kleines Ladenlokal frei geworden, in dem Freunde begannen, eine Mini-Bar mit Kulturraum zu betreiben. Da bin ich dann mit reingeruts­cht“, erzählt Ungewitter. Und wenn das Land nicht gerade im Lockdown ist, steht die Pastorin sogar hin und wieder selbst hinter der Bar.

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[ Caio Kauffmann ] Mit 21 Jahren entschied die heute 35-Jährige, dass sie Pastorin werden möchte.

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