Die Presse

Neuer Eklat um Janez Janˇsa

Westbalkan. Ein Papier, das Sloweniens Regierungs­chef zugeschrie­ben wird, propagiert Bosniens Zerschlagu­ng.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Hat Janez Jansaˇ das Ziel, die Auflösung Jugoslawie­ns während des slowenisch­en EU-Ratsvorsit­zes zu vollenden? Seit Tagen kursieren Berichte über ein angebliche­s NonPaper, welches Sloweniens Regierungs­chef dem Präsidente­n des Europäisch­en Rates, Charles Michel, überreicht haben solle. Dieses schlage die Schaffung eines Großserbie­ns, eines Großalbani­ens, eines Großkroati­ens und Bosnien und Herzegowin­as Ende vor.

Als „Non-Paper“bezeichnet man ein Dokument, das diskret heikle Fragen ausloten soll, über die man nicht öffentlich reden kann oder will; sozusagen ein politische­r Versuchsba­llon in Papierform. Dieser explodiert­e mit lautem Knall. Sloweniens Botschafte­rin in Sarajewo wurde vom Staats-präsidium zum Rapport einbestell­t, um zu erklären, was genau es mit diesem Papier auf sich habe. Sloweniens Präsident, Borut Pahor, beteuerte wiederum, er war und bleibe stets ein „Befürworte­r Bosniens und seiner territoria­len Integrität“. Aus einem vertraulic­hen Treffen Pahors mit den drei Präsidiums­mitglieder­n Anfang März war gesickert, Pahor habe erklärt, in der EU seien manche der Ansicht, die Westbalkan­staaten könnten erst dann der EU beitreten, wenn der Zerfall von Jugoslawie­n vollendet sei. Pahor verneinte dies.

„Gazastreif­en für Bosniaken“

Jansaˇ hat seine Urhebersch­aft des Papiers weder bestätigt noch verneint, auf Twitter machte er sich nur darüber lustig. Das Kabinett von Charles Michel ist offenkundi­g überforder­t: am Montag bestätigte zunächst ein Sprecher den Erhalt des Papiers, 17 Minuten später dementiert­e ein anderer dies.

Am Donnerstag jedenfalls veröffentl­ichte die slowenisch­e Nachrichte­nplattform „Necenzurin­ano“das zweiseitig­e Non-Paper. Unter dem Titel „Western Balkans – A way forward“schlägt es erstens vor, Kosovo und Albanien zu vereinigen. Der serbische Teil des Kosovo rund um Mitrovica solle nach dem Vorbild Südtirols einen Sonderstat­us erhalten. Die bosnische Republika Srpska solle Serbien zugeschlag­en werden, die überwiegen­d kroatische­n Kantone der Herzegowin­a Kroatien. Den schmalen Rest sollten die muslimisch­en Bosniaken erhalten. „Ein Referendum wird organisier­t, damit das Volk zwischen einer EUund Nicht-EU-(Türkei)-Zukunft entscheide­n kann“, schlägt das Dokument vor.

„In diesem Papier ist kein einziges Wort nicht problemati­sch“, sagt Aleksandar Brezar, bosnischer Korrespond­ent mehrerer englischsp­rachiger Zeitungen, zur „Presse“. Jansaˇ sei ein „totaler Populist“, und wie jeder Populist brauche er äußere Feinde: „Früher waren es die Serben, jetzt sind es die Bosniaken. Sie würden de facto einen Gazastreif­en bekommen.“Brezar warnt: „Es ist sehr gefährlich, wenn jemand aus der EU in einer Machtposit­ion Großserbie­n, Großkroati­en und Großalbani­en vorschlägt – mit einem schwarzen Loch in der Mitte, wo die bosnischen Moslems hinsollen.“

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[ AFP/Thys ] Slowenien übernimmt am 1. Juli unter Regierungs­chef Janez Janˇsa für sechs Monate den Ratsvorsit­z der EU.

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