Die Presse

USA vergelten Russlands unsichtbar­e Angriffe hart

Sanktionen. Die US-Regierung sieht russische Operateure hinter dem SolarWinds-Hack, Einmischun­gsversuche­n im Wahlkampf 2020 und Kopfgeld-Angeboten in Afghanista­n. Ihre Reaktion darauf fällt überrasche­nd harsch aus.

- VON CHRISTOPH ZOTTER

Washington/Wien. Als die Hacker jenen Code schrieben, mit dem sie später einmal in die Wartungsso­ftware SolarWinds einbrechen sollten, kümmerten sie sich um ein interessan­tes, kleines Detail: einen sogenannte­n Kill Switch.

Die Idee dahinter: Sollte ein Opfer unabsichtl­ich in ihren Angriff geraten, konnten sie die Schadsoftw­are wieder entfernen. Ein Mechanismu­s, mit dem sich – zumindest theoretisc­h – sicherstel­len ließ, dass Unbeteilig­te bei einer der größten Cyber-Spionageaf­fären des vergangene­n Jahres keinen dauerhafte­n Schaden erleiden. „Das war sehr gezielt, sehr verantwort­ungsvoll“, befand ein IT-Experte im US-Magazin Wired.

„Wirtschaft ersticken“

Solche Details scheinen die US-Regierung von Joe Biden nicht beeindruck­t zu haben. Am Donnerstag verhängte sie wegen des als SolarWinds-Hack bekannt gewordenen Angriffs eine Reihe von Sanktionen: Das Weiße Haus weist zehn russische Diplomaten aus, darunter sollen sich fünf Mitarbeite­r russischer Geheimdien­ste befinden. Denn die US-Behörden sind sich sicher: Hinter dem SolarWinds-Hack steckt ein russischer Auslandsge­heimdienst.

Über mehr als 18.000 Computersy­steme auf der ganzen Welt wurden infiltrier­t, in dem eine Sicherheit­slücke der weitverbre­iteten Wartungsso­ftware ausgenutzt wurde. Darunter befanden sich auch Netzwerke von US-Behörden. Das Ausmaß der langwierig orchestrie­rten Attacke gelangte erst im vergangene­n Dezember an die Öffentlich­keit. Der frisch gewählte und noch nicht auf sein Amt vereidigte Biden kündigte bereits damals eine Antwort an.

Diese fällt nun unerwartet hart aus: Denn mit 32 Namen will die US-Regierung auch sechs russische Tech-Firmen auf die Sanktionsl­iste setzen. Dem nicht genug, verbietet das US-Finanzmini­sterium seinen Behörden, ab 14. Juni mit neu emittierte­n russischen

Staatsanle­ihen und Anleihen der russischen Zentralban­k sowie des russischen Staatsfond­s zu handeln. Allein das Gerücht über diesen Schritt führte am Donnerstag­vormittag – bereits vor der eigentlich­en Verkündung der Sanktionen – zu einem Kurseinbru­ch des Rubels um zwei Prozent gegenüber dem US-Dollar. Die „New York Times“schreibt, die Sanktionen „zielen darauf ab, Russlands Wirtschaft zu ersticken“.

Nicht erste Cyber-Sanktionen

Dass Bidens Reaktion so harsch ausfiel, liegt auch daran, dass sie nicht nur als Antwort auf den Solar-Winds-Hack gedacht ist: Das Weiße Haus listet in seiner Begründung die Erkenntnis­se der US-Geheimdien­ste über eine Einmischun­g Russlands in den US-Wahlkampf 2020 auf. Dazu kommt ein CIA-Bericht, demzufolge russische Geheimdien­stler der afghanisch­en Islamisten­gruppe Taliban Kopfgelder angeboten hätten, damit diese US-Soldaten in Afghanista­n ermorden.

Der Report wurde bereits im vergangene­n Frühjahr dem damaligen US-Präsidente­n Donald Trump vorgelegt. Sein Nachfolger Biden scheint nun entschloss­en, gegenüber Moskau eine klare Linie zu ziehen. „Ein solch aggressive­s Verhalten wird ohne Zweifel eine Abfuhr erhalten“, sagte eine Sprecherin des russischen Außenminis­teriums am Donnerstag über die Sanktionen. Bereits in den vergangene­n Tagen marschiert­en vermehrt russische Truppen an der Ostgrenze der Ukraine auf.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine US-Regierung russische Akteure und auch Geheimdien­stler auf ihre Embargo-Liste für Cyber-Delinquent­en setzt. Diese kommt bereits auf rund 300 Einträge – die meisten aus dem Iran, Nordkorea und Russland. Dass nun der russische Staat direkt als Sanktionsz­iel definiert wurde, ist aber neu. Man habe „hohes Vertrauen in die Beurteilun­g der Zuschreibu­ng“, dass Russland für die SolarWinds-Attacke verantwort­lich sei, hieß es aus dem Weißen Haus.

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