Die Schatten der Neunzigerjahre
Handball. Das Frauen-Nationalteam sorgte bei Großereignissen einst genauso für Furore wie Hypo NÖ in der Champions League. Jetzt soll eine neue Zeitrechnung beginnen.
Maria Enzersdorf. Herbert Müller ist Realist und Optimist. „Polen“, sagt der Teamchef der österreichischen Handball-Nationalmannschaft der Frauen, „ist ein sehr starkes Team, aber keines, bei dem du gegen eine Wand rennst und gleich eine blutige Stirn hast. Wir können sie nicht nur ins Wanken bringen, wir können sie schlagen.“Den Beweis möchte Österreich heute (18 Uhr, live, ORF Sport Plus) in der Südstadt antreten, am Dienstag (17.50 Uhr) folgt das Rückspiel. Der Sieger dieses Play-off-Duells ist für die WM Ende des Jahres in Spanien qualifiziert.
Löst Österreich das Ticket, würde eine mittlerweile zwölfjährige Durststrecke ihr Ende finden. Das letzte Mal für ein Großereignis qualifiziert hatte sich das ÖHBTeam 2009 (WM in China, Platz zehn), davor war Rot-Weiß-Rot seit 1990 (!) Dauergast bei WM- und EM-Endrunden. Ein Auszug an Höhepunkten: WM-Bronze 1999, EM-Bronze 1996 und Platz fünf bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona. Eng mit den Erfolgen des Nationalteams verknüpft waren jene von Hypo NÖ. Zwischen 1989 und 2000 gewann der von Gunnar Prokop geführte Klub acht Mal die Champions League. 2010 endete die Ära Prokop in Maria Enzersdorf.
„Hypo war ein scheinendes Licht“, erklärt Teamchef Müller im „Presse“-Gespräch. „Dieser Klub ist über allen anderen gethront, aber einen geregelten Ligabetrieb auf höchster professioneller Ebene gab es schon damals nicht. Dahingehend ist Österreich im Niemandsland zu finden.“Mit qualifizierten Trainern im Nachwuchsbereich und Leistungsmodellen (in Verbindung mit Schule) versuchen Verband und Liga international Anschluss zu finden, für Müller bleibt der Schritt ins Ausland unerlässlich. „Es ist der einzige Weg. Wir müssen die Spielerinnen für den Profisport begeistern.“
Im aktuellen 17-Frauen-Kader finden sich immerhin zehn Legionärinnen aus Deutschland, Dänemark, Kroatien, Ungarn und Spanien. Mit Sonja Frey und Torfrau Petra Blazek verfügt Österreich durchaus über zwei Spielerinnen von Weltklasse-Format. Müller: „Solche Spielerinnen, die vorangehen, brauchst du. Und dazu viele Indianer, die nachziehen.“Der Zukunft blickt Müller, seit 2004 Teamchef, zuversichtlich entgegen. „Es kommen einige Talente nach, und wir werden als Mannschaft noch besser werden.“Mit der Heim-EM 2024 gibt es ein großes, gemeinsames Ziel. „Dann wollen wir in Bestform sein.“(cg)