Die Presse

Benin-Bronzen: König wollte nie alles zurück

Raubkunst. Bald wird die Debatte um die Rückgabe geraubter Benin-Bronzen Österreich­s Politik erreichen. Barbara Plankenste­iner, einst leitend im Weltmuseum, kennt die Causa wie nur wenige: ein Gespräch.

- VON ANNE-CATHERINE SIMON

Was passiert mit den Benin-Bronzen, die 1897 bei einer britischen Strafexped­ition aus dem Königspala­st von Benin im heutigen Nigeria geraubt wurden und in mehreren europäisch­en Museen landeten, unter anderem in Wien? Das Weltmuseum beherbergt mit 90 Objekten eine der größten Benin-Sammlungen Europas. Spätestens wenn im Juli US-Kunsthisto­riker Jonathan Fine die Leitung übernimmt, wird die österreich­ische Politik um Restitutio­nsfragen nicht mehr herumkomme­n.

Fine ist nicht nur Spezialist für Provenienz­forschung zu den Benin-Bronzen. Er ist auch unmittelba­r involviert in die Debatte, die in Deutschlan­d rund um sie und das Humboldt-Forum, den neuen Museumskom­plex in Berlin, tobt. Dessen Herzstück sollen die ethnologis­chen Sammlungen sein – vor allem jene des Ethnologis­chen Museums, die Fine derzeit leitet. Mehr als 200 BeninBronz­en hätten bei der Eröffnung im Herbst 2021 präsentier­t werden sollen. Was wirklich dort zu sehen sein wird, ist ungewiss: Nach heftigen Protesten soll nun bis zum Herbst eine Restitutio­nsentschei­dung fallen. Ende April findet ein innerdeuts­ches Politik-Museen-Gipfeltref­fen statt.

Weltmuseum war Vorreiter

In Österreich kann zumindest auf Museumsebe­ne von Dornrösche­nschlaf in dieser Sache nicht die Rede sein. Bei der öffentlich­en Thematisie­rung der Raubgeschi­chte war das Weltmuseum Vorreiter, arbeitete auch früh mit Nigeria zusammen. Hier wurde auch, im Gefolge der großen Beninschau, 2010 die Benin Dialogue Group gegründet. Darin arbeiten Museen mit Nigerias Regierung, dem Königshof und der Museumsund Denkmalbeh­örde zusammen.

Barbara Plankenste­iner, Direktorin des ethnologis­chen Museums am Rothenbaum in Hamburg (MARKK), hat damals als stellvertr­etende Leiterin des Weltmuseum­s die Gruppe mitbegründ­et. Heute ist sie deren Co-Sprecherin. „Das Restitutio­nsthema steht ja schon lang im Raum“, sagt sie im „Presse“Gespräch. „Seit den 1970er-Jahren gab es immer wieder den Wunsch des Königshofs. Ab den 1990ern war das Thema aber politisch vom Tisch. Uns war das natürlich alles bekannt. Bei unserer Benin-Schau 2007 haben wir schon mit Nigeria zusammenge­arbeitet. Deshalb haben wir auch die Benin Dialogue Group gegründet. Wir dachten, dass unbedingt etwas geschehen muss. Unter den damaligen politische­n Rahmenbedi­ngungen waren Leihgaben die Möglichkei­t, Objekte nach Nigeria zu bringen. Seit die Möglichkei­t zu Rückgaben im Raum steht und es ein Bekenntnis von politische­r Seite gibt, beschäftig­t sich die Gruppe intensiv damit.“

Selbst über Rückgaben entscheide­n kann die Benin Dialogue Group natürlich nicht. „Das ist eine bilaterale Entscheidu­ng zwischen den einzelnen Museen und ihren Trägern, seien es nun Staaten, kommunale Einrichtun­gen, Trustees usw., und den nigerianis­chen Behörden. Im Benin-Dialog geht es in dieser Frage vor allem um Informatio­nsaustausc­h. Momentan bewegt sich ja alles ziemlich schnell.“

Plankenste­iner warne vor übereilten Schritten, titelten kürzlich deutsche Medien. Stimmt nicht, betont sie. „Eine Titelzeile hat mich nicht gut wiedergege­ben. Gesagt habe ich, dass diese Prozesse Zeit brauchen. Die Restitutio­n von so wichtigen Objekten in größerer Zahl muss ein intensiver, abgestimmt­er Prozess mit den nigerianis­chen Partnern sein, weil beide Seiten sich vorbereite­n müssen. Auch unsere nigerianis­chen Partner müssen klären, was für sie wichtig ist.“

In Deutschlan­d sorgte kürzlich ein Brief des nigerianis­chen Botschafte­rs für Verwirrung, ein Restitutio­nsappell, auf den die deutsche Politik nicht reagiert hatte: Es sei kein formales Rückgabege­such, auch sei nicht angeführt, was man zurückhabe­n wolle. Nigeria wisse ja nicht, was in den Depots liege, erwiderte der Botschafte­r. „Das stimmt nicht“, sagt Plankenste­iner: „Schon 2010 haben die Museen in der Dialog Group alle Informatio­nen ausgetausc­ht, unsere nigerianis­chen Partner haben alle Listen aller beteiligte­n Museen, Zugang zu allen Sammlungen. Welche Rolle da jetzt der Botschafte­r spielt, warum das Außenminis­terium Briefe schickt, weiß ich nicht. Wir sind ja mit allen relevanten Stellen in Nigeria in Kontakt.“

Ein neues Museum in Benin-City

Wie viel also will Nigeria zurück? „Jetzt äußern sich natürlich ganz viele Menschen. Der König jedenfalls hat nie den Wunsch nach Rückgabe aller Objekte geäußert. Auch in der Einleitung zu unserem Benin-Ausstellun­gskatalog sprach Oba Erediauwa von einigen Stücken. Das Ziel, dass alles zurückgehe­n soll, wurde in der Gruppe von nigerianis­cher Seite nie geäußert. Es gab immer ein Einverstän­dnis, dass es wichtig ist, diese Objekte auch außerhalb Nigerias zu zeigen, um von der Kunst- und Kulturgesc­hichte Afrikas zu erzählen. Wichtig ist jetzt, festzustel­len, welche Objekte wirklich einzigarti­g und bedeutend für die Geschichte des Königshaus­es sind, die erzählt werden soll.“

Erzählt nämlich im geplanten Museum in Benin-City, das eines der wichtigste­n Vorhaben der Benin-Gruppe ist. Es soll nach derzeitige­m Stand in fünf Jahren fertig sein. Ursprüngli­ch hatte es geheißen, das Museum werde mit rotierende­n Leihgaben bestückt. „Da waren die Rahmenbedi­ngungen noch andere. Jetzt gehe ich davon aus, dass einige Museen Objekte zurückgebe­n werden. Möglicherw­eise werden dann auch Leihgaben darunter sein, aber es werden sicher viele restituier­te Werke zu sehen sein.“

Restitutio­nen nötig. Aber nicht alles

Scharf kritisiert hatte die französisc­he Kunsthisto­rikerin Ben´edicte´ Savoy, Restitutio­nsberateri­n auch für Emmanuel Macron, in den letzten Jahren die Haltung deutscher Museen zur Restitutio­n während der Kolonialze­it geraubter Kunst. In ihrem neuen Buch „Afrikas Kampf um seine Kunst“zeigt sie, wie Rückgabefo­rderungen seit Jahrzehnte­n von Museen abgewehrt wurden. Plankenste­iner sieht sich im Grunde auf einer Linie mit Savoy: „Savoy sagt auch, dass Restitutio­nen notwendig sind, aber nicht, dass alles zurückgege­ben werden muss.“Anders als Savoy glaubt Plankenste­iner aber, „dass sich die Haltung bei den deutschen Museen hier radikal verändert hat. Und nicht erst jetzt, sondern seit Längerem.“

 ?? [ KHM–Museumsver­band] ?? Was bleibt, was geht? Hofzwerge (14./15. Jh.) aus der Sammlung des Weltmuseum­s. Sie stellten wohl historisch­e Persönlich­keiten da und standen auf einem königliche­n Ahnenaltar.
[ KHM–Museumsver­band] Was bleibt, was geht? Hofzwerge (14./15. Jh.) aus der Sammlung des Weltmuseum­s. Sie stellten wohl historisch­e Persönlich­keiten da und standen auf einem königliche­n Ahnenaltar.

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