Mischwesen aus Affe und Mensch
Biotechnik. Genetiker aus den USA und China ließen mit menschlichen Stammzellen versetzte Affenembryonen wachsen – und nennen diese Forschung selbst ethisch brisant.
Vorn wie ein Löwe, in der Mitte wie eine Ziege, hinten wie eine Schlange: So hat Homer die Chimaira beschrieben, und heute noch verstehen wir unter Chimäre ein Mischwesen aus mehreren Arten. Das meinen auch die Forscher um Juan Carlos Izpisua Belmonte, wenn sie nun in „Cell“(15. 4.) berichten, dass sie chimärische Embryonen hergestellt haben, und zwar „monkey/human chimeric embryos“, wie’s im Kommentar dazu heißt, der auch gleich einen „ethischen Dialog“darüber postuliert – oder konstatiert, das wird nicht so recht klar.
Doch zunächst zur Technik. Die Forscher nahmen menschliche pluripotente Stammzellen – Zellen, die noch auf kein Gewebe festgelegt sind – und markierten sie mit einem fluoreszierenden Protein, um sie später leicht erkennen zu können. Jeweils 25 dieser Zellen injizierten sie in Embryonen von Javaneraffen, sechs Tage, nachdem diese durch Befruchtung erzeugt worden waren. Zu dieser Zeit sind die Embryonen im Stadium der Blastozyste, das ist eine Hohlkugel aus Zellen, die den sogenannten Trophoblasten bilden – aus dem später die Plazenta wird – und an einem Pol den Embryoblast, der sich später in Epiblast und Hypoblast teilt, aus diesem wird der Dottersack, aus jenem der eigentliche Embryo.
Normalerweise würde sich ein Embryo im Stadium der Blastozyste in die Gebärmutter einnisten. Die Forscher ließen die mit menschlichen Zellen versetzten AffenEmbryonen stattdessen an Petrischalen anwachsen, wo sich manche tatsächlich weiter entwickelten. Am zehnten Tag nach der Befruchtung waren noch 103 von 132 Embryonen am Leben, am 19. Tag nur mehr drei. Doch über die ganze Zeit blieb der Prozentsatz an menschlichen Zellen in allen Embryonen praktisch gleich, sie vermehrten sich also genauso effektiv wie die Affenzellen, mit denen sie naturgemäß auch biochemisch kommunizierten. Von „interspecific crosstalk“sprechen die Forscher. Sie untersuchten diesen und auch die Differenzierung der menschlichen Zellen in Richtung Epiblast respektive Hypoblast: Diese sei langsamer als in einem normalen Embryo verlaufen.
Wozu soll dieses gruslig anmutende Experiment dienen? Zum besseren Verständnis der Frühentwicklung des Menschen, schreiben die Forscher, „und um effektive Strategien zur Verbesserung von menschlichem
Chimärismus in evolutionär entfernten Arten zu entwickeln“. Gemeint ist offenbar Xenotransplantation, also die Übertragung tierischer Gewebe oder Organe auf Menschen. Wer etwa die Herzklappe eines Schweins in sich trägt – und das tun viele Menschen –, ist ja streng genommen eine Chimäre. Und es ist gar nicht so leicht, die Abstoßung des fremden Gewebes zu verhindern.
Bereits 2017 versuchte die Gruppe um Izpisua Belmonte, menschliche Zellen in Schweinegewebe in einem frühen Entwicklungsstadium zu integrieren, das ging nicht so gut, wohl weil Schweine und Menschen evolutionär recht weit entfernt sind. Darum verlegte man sich auf Affen. Mit deren Zellen verständigen sich die menschlichen Zellen leichter, die Sprachbarriere sei wie zwischen Spanisch und Französisch, bei Schweine- und Menschenzellen wie zwischen Chinesisch und Französisch, meint Izpisua Belmonte.
„Starke Reaktionen“
Wichtig sei ihm der Austausch mit Bioethikern, erklärt er – und betont, dass die Versuche nicht „in vivo“, sondern nur „ex vivo“stattfinden. Die nicht in eine Gebärmutter eingenisteten Embryonen könnten sich gar nicht weiter entwickeln. Die Idee, menschliche und tierische Zellen zu mischen, provoziere „starke Reaktionen“, fügt der „Cell“-Kommentar hinzu: Doch konsequente Ablehnung solcher Mischungen würde zur Abschaffung etablierter Forschung führen – und auch medizinischer Techniken, etwa der Xenotransplantation.
Man darf prophezeien: Wirklich heftig wird die Debatte, wenn Forscher solche chimärischen Embryonen implantieren oder gar zulassen, dass sie geboren werden.