Erni Mangold: „Mir ist nie fad“
Fernsehen. Am Samstag spielt die 94-Jährige im „Bozen-Krimi“eine kleine, aber wichtige Rolle. Ein Gespräch über Disziplin, eine Stunde Fitness am Tag und anstrengendes Theater.
Man ahnt es von Anfang an: Die Alte im Lehnstuhl hat noch etwas zu sagen. Die Kamera nimmt zwar kaum Notiz von ihr, aber sie sitzt – wenn auch im Hintergrund – immer wieder genau im Blickfeld. Zwischen ihrer verzweifelten Schwiegertochter (die ihren Mann durch einen Mord verloren hat) und dem rebellischen Enkelsohn, dem seit dem Tod des Bruders einiges zuzutrauen ist. Es ist eine kleine, aber entscheidende Rolle, die Erni Mangold in diesem „Bozen“-Krimi spielt (Samstag, 20.15 Uhr, ORF2), der wie immer eine düstere Geschichte vor herrlichem Alpenpanorama erzählt. Das Haus, das der Location-Scout treffend für dieses Familiendrama ausgesucht hat, sei „grauenhaft“gewesen, erzählt Mangold. Dunkel, düster, mystisch – passend zur Atmosphäre dieser Krimireihe, in der neben Kommissarin Sonja Schwarz (Chiara Schoras) auch der ein wenig zwielichtige Commissario Zanchetti (Tobias Oertel) ermittelt. Bei ihm weiß man wieder einmal nicht, ob er nicht womöglich die Seiten gewechselt hat.
„Alte Menschen kriegen alles mit“
Aber zurück zu Erni Mangold. Wenn sie an ihre Rolle denkt, lacht die 94-Jährige: „Ich bin die ganze Zeit gesessen. Man sieht mich nur schlafend oder entrückt – wie alte Menschen oft tun, dabei sind sie viel wacher, als die anderen wissen, und kriegen alles mit.“2019 wurde gedreht. Da war sie 92. Filmprojekte würde sie gern wieder machen, sagt Mangold. Theaterspielen will sie nicht mehr. 71 Jahre lang stand sie auf der Bühne, war u. a. am Theater in der Josefstadt, am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg (unter Gustaf Gründgens) und in Düsseldorf engagiert. Sie ging früh zum Film, wurde 1955 an der Seite von O. W. Fischer in „Hanussen“bekannt. Insgesamt spielte sie in mehr als 60 Filmen und 20 TV-Produktionen mit. Und sie unterrichtete gern – u. a. am Reinhardt-Seminar und an der Hochschule in Wien. 2017 nahm sie mit „Harold und Maude“an den Wiener Kammerspielen ihren Abschied von der Bühne – und bereut es nicht. „Live zu spielen hat mich sehr angestrengt. Nicht wegen des Spielens oder des Texts, sondern wegen der Konzentration.“75 Vorstellungen im
Jahr seien es gewesen, fünf bis sechs Stunden müsse man da ganz bei der Sache sein. „Das wissen die Zuschauer ja nicht, wie viel Energie das braucht“, sagt sie – und rät: „Das Wichtigste im Alter ist Durchhaltevermögen.“Ihr habe man die Disziplin „als junges Mädchen hineingeprügelt“, erzählt Mangold. „Das war nicht schön.“Seither habe die Disziplin ihr Leben bestimmt. „Manchmal war ich unglücklich, dass ich aus dieser Disziplin nicht herauskomme: Man ist stramm wie ein Soldat – und wenn was ist, dann muss man durch. Es ist grauenhaft!“
Aber es hat auch Vorteile: Noch mit 94 macht Mangold täglich eine Stunde Fitnessübungen, geht spazieren, kocht selbst und denkt darüber nach, wieder mit dem Auto zu fahren – obwohl sie sich vor zwei Jahren einen Trümmerbruch am Oberschenkel zugezogen hat. „Die Ärzte haben gesagt, ich werde nie wieder gehen können.“
Der Lockdown? „Ist mir wurscht!“
In ihrer Wahlheimat im Waldviertel fühlt sie sich wohl – und trotz Corona sicher. Der Lockdown? „Ist mir wurscht!“. Sie habe sich impfen lassen. Damit steht den Zukunftsplänen nichts im Weg. Zwei Filmprojekte haben sich zuletzt zerschlagen. Zu tun hat Mangold trotzdem genug. Im Sommer und Herbst stehen Lesungen an – am Wallensteinplatz, im Südbahnhotel, im ORF-Funkhaus. Mangold liest u. a. aus ihren Memoiren („Lassen Sie mich in Ruhe“), die so beginnen: „Ich hätte dieses Buch nicht gebraucht.“Das Gleiche sagt sie über einen Bildband, der noch heuer im Molden Verlag erscheinen soll. „Da sind viele schöne alte Bilder drin, die man nicht kennt. Mich interessiert das ja nicht, aber die Leute kaufen das, weil Bilder anschauen tun alle gern.“Viel Zeitvertreib braucht Mangold also nicht. „Ich bin ausgelastet – mir ist auch nie fad.“