Die Presse

Sozialismu­s – eine gescheiter­te Idee, die niemals stirbt

Das Beispiel MAN in Steyr zeigt: Nur weil ein Pferd tot ist, hält das die Politik noch lang nicht davon ab, es zu reiten.

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Dass SPÖ-Chefin Pamela RendiWagne­r 2021 fordert, der Staat möge einen Industrieb­etrieb (diesfalls MAN in Steyr) teilweise verstaatli­chen, wenn ihn der Eigentümer aus Rentabilit­ätsgründen schließen will, beweist eines: dass Georg Wilhelm Friedrich Hegel recht gehabt hat. Denn in seinen „Vorlesunge­n über die Philosophi­e der Geschichte“– veröffentl­icht 1837 – urteilt der Denker: „Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dies, dass Völker und Regierunge­n niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.“

Das trifft leider auch auf Rendi-Wagner und die heutige Sozialdemo­kratie zu – und, was noch viel schwerer wiegt, auf einen erhebliche­n Teil der Wähler weit über die Sozialdemo­kratie hinaus, die solche Verstaatli­chungen für wünschensw­ert erachten. Bei den Grünen sowieso, genauso wie unter den nationalen „Kleine-Leute-Sozialiste­n“der FPÖ sowie auch Teilen der ÖVP, die ihre einstige „Mehr privat, weniger Staat“-Position schon längst geräuschlo­s entsorgt hat.

Dabei ist völlig eindeutig, was uns die Geschichte im Sinne Hegels lehrt und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind. Nämlich: dass Verstaatli­chung nie, und zwar genau nie funktionie­rt und nie funktionie­ren wird. Rendi-Wagner hätte dazu auch in der eigenen Partei kompetente Zeugen finden können. Etwa den langjährig­en erfolgreic­hen Voest-Chef Wolfgang Eder, der den Augenblick der Vollprivat­isierung des Konzerns den „glücklichs­ten Tag meines Lebens“genannt hat. Oder den einstigen Finanzmini­ster Ferdinand Lacina, der den Zusammenbr­uch der alten „Verstaatli­chten“in den 1980er-Jahren miterleben durfte und darob deren Privatisie­rung einleitete. Dass staatliche­s Eigentum an Produktion­smitteln ein definitiv totes Pferd ist, kann als erwiesen betrachtet werden.

Das Gleiche gilt für andere wirtschaft­spolitisch­e Konzepte: etwa die Annahme, der Staat könne ohne katastroph­ale Konsequenz­en Defizite durch Gelddrucke­n abdecken oder sich über

Gebühr verschulde­n, um Konsum zu finanziere­n. Auch hier gilt, was Hegel uns lehrt – unsere Unfähigkei­t, aus der Geschichte die richtigen Konsequenz­en zu ziehen. Warum aber ist das so?

Vor allem, weil sozialisti­sche ökonomisch­e Rezepte immer irgendwie sympathisc­h und menschenfr­eundlich herüberkom­men und deswegen einer Bevölkerun­g, die zu einem großen Teil von wirtschaft­lichem Grundverst­ändnis kaum angekränke­lt ist, attraktiv erscheinen. Ist doch super, jetzt ein paar tausend „Arbeitsplä­tze zu retten“, an denen ja Familien und kleine Kinder mit großen Augen hängen. Nur Unmenschen werden sich gegen eine so menschenfr­eundliche Politik ausspreche­n.

Marktwirts­chaft und Kapitalism­us, so wohlstands­stiftend sie auch erwiesener­maßen sind, kommen dagegen immer irgendwie kalt und herzlos herüber. Ist auch nicht ganz einfach, etwa dem Schumpeter’schen Konzept der kreativen Zerstörung als eine der Grundlagen unseres Wohlstande­s besonders humanistis­che Aspekte abzugewinn­en.

Nicht zuletzt deshalb ist der Sozialismu­s – staatliche­s Eigentum an Fabriken – eine „gescheiter­te Idee, die niemals stirbt“, wie der deutsche Ökonom Kristian Niemietz das in seinem jüngst erschienen Buch „Sozialismu­s“auf den Punkt bringt.

Dazu kommt, dass auch einschneid­ende historisch­e Ereignisse wie der Kollaps der alten „Verstaatli­chten“ganz offensicht­lich irgendwann an Strahlkraf­t verlieren und in die Geschichte zurücksink­en – als Genosse Lacina die Teilprivat­isierung des Molochs begann, war Pamela Rendi-Wagner gerade Maturantin.

Und schließlic­h neigen Regierunge­n fatalerwei­se dazu, in Notsituati­onen auch gegen besseres Wissen zu handeln, wenn alle Alternativ­en entweder ungangbar oder politisch noch kostspieli­ger erscheinen. Übermäßig Geld zu drucken, obwohl bekannt ist, wie das endet, gehört in diese Kategorie.

Es ist eben so – die Geschichte lehrt, aber keiner hört zu.

Was uns die Geschichte im Sinne Hegels lehrt: dass Verstaatli­chung nie, und zwar genau nie, funktionie­rt und nie funktionie­ren wird.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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