Griechischer Versöhnungsbesuch in Ankara endet im Fiasko
Streit auf offener Bühne. Die Außenminister Griechenlands und der Türkei nutzten gemeinsame Pressekonferenz für verbalen Schlagabtausch.
Istanbul. Nikos Dendias knurrte der Magen. Er hoffe, es bleibe bei der Essenseinladung, sagte der griechische Außenminister dem türkischen Außenminister, Mevlüt C¸avus¸og˘lu, nachdem sich die beiden in Ankara eine halbe Stunde lang vor laufenden Kameras gestritten hatten. „Ich habe nämlich Riesenhunger.“Einen Gast hungrig heimzuschicken – so weit ging C¸avus¸og˘lu nicht. Doch das Essen am Ende des Fasttages im Ramadan rettete den Tag nicht mehr.
Der Besuch von Dendias sollte nach den Spannungen wegen der Gasvorräte im östlichen Mittelmeer die „positive Agenda“voranbringen, mit der die EU ihre Beziehungen zur Türkei reparieren will. Doch zehn Tage nach dem „Sofagate“-Besuch der EU-Spitze in Ankara scheiterte ein weiterer Versuch der Europäer, ihr Verhältnis zur Türkei zu reparieren.
Beim Besuch von Dendias lief zunächst alles nach Plan. Der Minister wurde von Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ empfangen und sprach dann mit C¸avus¸og˘lu über die Probleme zwischen den Nachbarn. Auch zu Beginn der gemeinsamen Pressekonferenz schien alles noch in Ordnung. Noch diesen Monat wolle er in Genf seinen „Freund Nikos“zu Gesprächen über den Zypern-Konflikt treffen, sagte C¸avus¸og˘lu. Doch dann war es mit den Freundlichkeiten vorbei.
Die folgenden 30 Minuten machten deutlich, wie unversöhnlich die Standpunkte Griechenlands und der Türkei sind. Dendias kritisierte die Entsendung türkischer Schiffe zur Suche nach Erdgas in Teilen des östlichen Mittelmeeres, die von Griechenland und
Zypern beansprucht werden; das hatte vergangenes Jahr zu Konfrontationen zwischen Kriegsschiffen beider Länder geführt. Wenn die Türkei weiter griechisches Hoheitsgebiet verletze, werde die EU Sanktionen gegen Ankara verhängen, warnte Dendias.
Mit erhobenem Zeigefinger
Der griechische Minister warf seinen Gastgebern vor, gegen internationales Seerecht zu verstoßen. Ankara habe zudem 400 Mal Kampfflugzeuge über griechische Ägäis-Inseln fliegen lassen: „Mevlüt“, sagte Dendias mit erhobenem Zeigefinger: „Über griechisches Territorium!“Und er erinnerte daran, dass die türkische Regierung vergangenes Jahr vorübergehend die Landgrenze zu Griechenland für Flüchtlinge geöffnet hatte. „Die Türkei sollte nicht versuchen, Griechenland zu belehren.“
C¸avus¸og˘lu lächelte die Schelte seines Gastes zunächst weg, doch dann verdunkelte sich seine Miene: Dendias habe inakzeptable Vorwürfe in die Welt gesetzt, sagte er. Die Türkei habe keine griechischen Hoheitsrechte verletzt, sondern die eigenen Rechte verteidigt. Griechenland halte der Türkei immer Vorträge über Demokratie und Rechtsstaat, missachte aber die Rechte der türkischen Minderheit im eigenen Land. C¸avus¸og˘lu kritisierte zudem, Athen schicke widerrechtlich Flüchtlinge von den Ägäis-Inseln in die Türkei zurück.
Dendias wolle mit seinem Auftritt offenbar das heimische Publikum erfreuen, beschwerte sich C¸avus¸og˘lu. „Das kann ich nicht hinnehmen.“Auf die Kritik des türkischen Ministers folgten neue Vorwürfe: Athen sei bereit, eine neue Seite in den Beziehungen aufzuschlagen, sagte Dendias.
Aber das bedeute nicht, dass es seine Außenpolitik ändern oder seine Verpflichtungen innerhalb der EU vernachlässigen werde. „Wenn Sie mit den Spannungen und Diskussionen weitermachen wollen, dann können wir das tun“, lautete C¸avus¸og˘lus Antwort. Athen solle sich entscheiden, ob es mit der Türkei reden oder weiter streiten wolle. Schließlich verließen beide Politiker das Podium gemeinsam.
Keine Rede mehr von Gipfel
Der Schlagabtausch auf offener Bühne gewährte einen Einblick in grundlegende Meinungsunterschiede, die im normalen diplomatischen Tagesgeschäft mit Floskeln übertüncht werden. Eigentlich wollten die Minister ein Gipfeltreffen Erdogans˘ mit dem griechischen Premier, Kyriakos Mitsotakis, vorbereiten. Doch davon war dann keine Rede mehr.