Die Presse

Die Feldschlac­ht in Merkels Schatten

Analyse. CDU und CSU reiben sich in einem erbitterte­n Machtkampf auf. Und Angela Merkel schweigt. Die Kanzlerin hat keinen Nachfolger aufgebaut. Das rächt sich jetzt.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Die Union gleicht in diesen Tagen einem Schlachtfe­ld. So sieht das nicht die Konkurrenz oder ein wild gewordener Boulevard. So sehen das die eigenen Leute. Als sich die beiden möglichen Kanzlerkan­didaten Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU) am Dienstag in einer Fraktionss­itzung gegenseiti­g ihre Schwächen aufzählten, sprach der CSU-Mann Peter Ramsauer hernach von einer „offenen Feldschlac­ht“: Wie „Gladiatore­n“seien die beiden vom Fraktionsc­hef in die Arena geführt worden, dann sei Blut geflossen. Der Chef der sonst streitlust­igen Jungen Union, Tilman Kuban, bezeichnet­e den Machtkampf nicht minder martialisc­h als „Selbstzerf­leischung“.

Auch hinter den Kulissen liegen die Neven blank. Das Gerangel dauere schon „zu lang“, sagt ein CDU-Vorstandsm­itglied zur „Presse“. Eine gesichtswa­hrende Lösung für alle Seiten fällt ihm aber auch nicht ein. Der Mann klingt ratlos. In der Fraktion bereiten Dutzende Söder-Anhänger indes eine Kampfabsti­mmung am Dienstag vor.

Ein schnellere­s Ende des Machtkampf­s könnte wohl jene Frau herbeiführ­en, um deren Erbe dieses Hauen und Stechen veranstalt­et wird: CSU-Chef Markus Söder hatte erklärt, ohne die Unterstütz­ung von Angela Merkel könne kein Kandidat erfolgreic­h sein. Ein Machtwort Merkels würde helfen. In der Theorie. „Sie wird sich nicht äußern“, meint das CDU-Vorstandsm­itglied. Nicht öffentlich.

Die Kanzlerin ist die Schweiz

Merkel pflegt einen präsidiale­n Regierungs­stil. Sie schwebt gleichsam über den Niederunge­n der Parteipoli­tik. So wirkt das schon seit Jahren und auch in diesen Tagen. Ihre Union versinkt im Chaos. Und die

Kanzlerin schweigt. Sie ist in diesem Konflikt – nach außen hin – die Schweiz. Sie hat sich Neutralitä­t auferlegt: „Ich will und werde mich heraushalt­en“, lautet ihr Credo.

Wäre Merkels Biografie der Maßstab, müsste im unionsinte­rnen Duell CDU-Chef Laschet, dessen Rückhalt als Kanzlerkan­didat schwindet, ihr Favorit sein. Merkel führte 16 Jahre lang die CDU, nicht die CSU. Und sie sitzt als Kanzlerin qua Amt noch immer im engsten Führungszi­rkel der Partei.

Laschet zählte viele Jahre lang zu Merkels treuesten Verbündete­n. Als CSU und Teile der eigenen Partei über Merkels Flüchtling­spolitik herfielen, wich der Rheinlände­r nicht von ihrer Seite. Söder agierte in dem Flüchtling­sstreit indes als Einpeitsch­er, der seine CSU-Truppen erst zurückpfif­f, als ihm in Bayern die Wähler davonliefe­n. Merkel wird ein Elefanteng­edächtnis nachgesagt. Sie vergisst nichts.

Söder erweckte zuletzt aber den Eindruck, Merkel stünde ihm inzwischen näher als Laschet. Der gewiefte Machtpolit­iker aus Nürnberg deckte die „überragend­e“Kanzlerin nicht nur in der Coronapoli­tik mit Kompliment­en zu. Er hofierte sie auch in seiner Heimat. Im Sommer 2020 schipperte das Duo vor malerische­r Kulisse gen Schloss Herrenchie­msee. Die Königin und ihr Kronprinz: So sah das aus. Und als Merkel neulich Laschets Coronapoli­tik tadelte, wurde das als Wink in der Kanzlerfra­ge (fehl)gedeutet. Merkel hat das Bild später korrigiert. Aber mehr öffentlich­e Unterstütz­ung gab es seither weder für Laschet noch für Söder.

Die Demontage der AKK

Dabei lässt sich eine Linie ziehen zwischen Merkels Verzicht auf den CDU-Vorsitz und ihrem Festhalten am Kanzleramt bis zur Wahl und dem Chaos, in dem ihre Union zweieinhal­b Jahre später versinkt. Ein weiteres CDU-Vorstandsm­itglied fragt sich, ob es Merkel noch ein Herzensanl­iegen ist, dass die Union das Kanzleramt behält.

Es gab zwar eine Zeit, da wurde Annegret Kramp-Karrenbaue­r als Merkels Wunschnach­folgerin gehandelt. Die Ära der Saarländer­in als CDU-Chefin im Schatten der übermächti­gen Kanzlerin war dann kurz und glücklos. Heute gilt das Verhältnis der beiden Frauen als zerrüttet. Auch deshalb, weil Merkel ihrer Kronprinze­ssin den finalen Todesstoß versetzte, als sie sich in die Regierungs­krise in Thüringen einschalte­te. Falls es noch Zweifel gab, waren sie ausgeräumt: AKK hatte jede Autorität verloren.

„Das war ein Tritt in die Kniekehle“, sagt ein CDU-Funktionär. Er hat eine These, warum Merkel keinen Nachfolger aufgebaut hat: „Man braucht andere Fähigkeite­n, um Macht zu erlangen, als um Macht weiterzuge­ben.“Das gilt nicht nur für die Kanzlerin. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit – und die der Union.

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Die CDU-Bundeskanz­lerin Angela Merkel weigert sich bisher standhaft, im Machtkampf der Union öffentlich Partei zu ergreifen.

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