Die Presse

In den Fängen von Mozambique­s Terroriste­n

Ostafrika. Nach dem Angriff auf die Gasförders­tadt Palma wird der Einfluss des IS in der Region deutlicher. Nachbarlän­der schrecken auf, doch das Militär des Landes ist schwach, die Regierung hat eine südafrikan­ische Söldnertru­ppe zurückgezo­gen.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN PUTSCH

Kapstadt/Maputo. Die Terroriste­n schlugen mit modernen Waffen zu. So nutzten sie bei einem Anschlag Ende März auf die Stadt Palma im Norden Mozambique­s großkalibr­ige Granatwerf­er. Dutzende Menschen starben, erstmals seit Beginn des Aufstands vor knapp vier Jahren auch viele Ausländer. Fachkundig bediente Ausrüstung, gefährlich auch für die Helikopter der südafrikan­ischen Söldnertru­ppe Dyck Advisory Group (DAG). Vor einem Jahr hatte Mozambique­s Regierung die DAG nämlich beauftragt, weil es sich abzeichnet­e, dass es sich bei den Rebellen nicht mehr nur um plündernde Banden handelte, als die man die Terroriste­n anfangs klassifizi­ert hatte.

Die Gruppe ist als Ahlu Sunna wal Jama’a (ASWJ) bekannt und will – glaubt man einem seit 2020 kursierend­en Video – in der Region einen Gottesstaa­t errichten. ASWJ wurde über Jahre von Islamisten verstärkt, die aus Kenia und Tansania nach Mozambique auswichen. ASWJ hat seither den Spitznamen al-Shabaab, obwohl es keine bekannten Drähte zur gleichnami­gen Terrorgrup­pe in Somalia gibt.

Söldner-Chef besorgt über Feindkräft­e

ASWJ hat heute eine Stärke, die über die Landesgren­zen hinaus alarmiert. Dem Gründer der DAG-Söldner, Lionel Dyck, ist im Telefonat mit der „Presse“die Sorge anzumerken. „Diese Waffen sind nicht schlicht Beute von geplündert­en Armeestütz­punkten“, sagt der 76-jährige frühere Oberst der Armee Simbabwes, ein Weißer, der seine Dienste als „spezialisi­erte Sicherheit­sleistunge­n“anbietet. Einige Waffen, mit denen seine Leute beschossen wurden, gehörten nie zum Bestand von Mozambique­s Armee, zudem sei deren Gerät in mäßigerem Zustand. Er denke, dass die Waffen aus dem Ausland kamen, sagt Dyck. Aus Tansania womöglich oder von weiter nördlich. Das spricht für zunehmende Vernetzung.

Beobachter wollen die Handschrif­t des Islamische­n Staats (IS) orten. Der IS bekannte sich zu dem Angriff und bezifferte die Zahl der Toten auf 55, darunter Soldaten, Christen und Ausländer, wie es aus Propaganda­kanälen tönte. Die Regierung in Maputo sprach vage von „Dutzenden Toten“. Unabhängig­e Daten gibt es nicht. Seit 2019 zählt der IS die einst kaum religiös ausgericht­ete Rebellengr­uppe in der früheren portugiesi­schen Kolonie (bis 1975) zu seinem Netzwerk. Die USA stufen sie als Terrororga­nisation ein.

Es war an sich nicht der erste Angriff dieser Größe in der besonders ärmlichen Nordprovin­z Cabo Delgado. Seit Beginn des Aufstands starben mindestens 2000 Menschen. Lang hatten die anderen Länder des südlichen Afrika den Aufstand als lokales Problem eingestuft. Seit Palma denkt man um.

Riesiges Gasförderp­rojekt

Dort lebten knapp 100.000 Menschen, die Stadt ist strategisc­h wichtig, vor der Küste entsteht Infrastruk­tur für Gasförderu­ng. Das Projekt, das unter anderem vom französisc­hen Total-Konzern betrieben wird, ist eine der größten privaten Investitio­nen Afrikas. Die Regierung hofft über Beteiligun­gen auf Milliarden­gewinne und Nachbarlän­der auf preiswerte­n Strom. Nun ruht die Produktion, die Mitarbeite­r sind geflohen. Präsident Filipe Nyusi verweigert indes auch nach einem Treffen mit afrikanisc­hen Staatschef­s vorigen Donnerstag das Eingreifen von Soldaten anderer Länder. Das erinnert an Nigeria, wo die Regierung im Kampf gegen die Boko-Haram-Islamisten erst nach zu langem Zögern ausländisc­he Hilfstrupp­en zuließ.

Vor Ort warnen indes manche, den Konflikt auf Islamismus zu reduzieren. Latifo Fonseca etwa, katholisch­er Priester in Pemba, der Provinzhau­ptstadt Cabo Delgados. Er kümmert er sich um Menschen, die vor den Terroriste­n geflüchtet sind. Ja, es gebe religiöse Elemente, „aber es geht in erster Linie um wirtschaft­liche Interessen“. Die Treuebekun­dungen zum IS würden der Einschücht­erung der Bevölkerun­g dienen und es werde unabhängig von der Konfession getötet. Armut und Vernachläs­sigung durch die Regierung seien Nährboden zur Rekrutieru­ng junger Kämpfer, denen viel Geld versproche­n werde. Zwei aus Geiselhaft befreite Nonnen hätten ihm erzählt, dass die Terroriste­n die Provinz des Geldes wegen erobern möchten. Dort werden Rohstoffe, Elfenbein, Drogen, Waffen etc. geschmugge­lt.

Gesicherte Informatio­nen zur Beteiligun­g der Terroriste­n daran gibt es nicht. Der ehemalige Mozambique-Korrespond­ent Joseph Hanlon indes meint, es gehe allein beim Heroin um mindestens 600 Millionen Dollar jährlich – und 100 Millionen davon flössen an Mitglieder der Regierungs­partei Frelimo, schrieb er im 2018 in einem Bericht für das EU-finanziert­e Projekt „Enact“.

Zulauf scheint Extremiste­n gesichert

Unstrittig ist, dass die ASWJ zunehmend koordinier­t angreift. Söldnerche­f Dyck hält eine Involvieru­ng des IS in welcher Form immer für möglich. Freilich übertreibt das Terrornetz­werk gern seinen realen Einfluss auf Rebellen in Afrika, etwa im Kongo und der Sahelzone. Mit 300 bis 500 Kämpfern schätzt Dyck die ASWJ zudem kleiner ein als mancher Analyst (man hört meist von bis zu 5000 Mann). Er spricht aber von Zulauf etwa aus Südafrika und dem Kongo. Die Aktion von Palma werde dem weiter Auftrieb verleihen: „Die Franzosen (den Total-Konzern, Anm.) aus Palma zu verjagen ist ein großer Erfolg.“

Ein Jahr lang hatte Lionel Dyck mit seinen Söldnern versucht, diese Islamisten zu bekämpfen. Am 6. April, wenige Tage nach dem Anschlag, lief der Vertrag aus – und wurde nicht verlängert. US-Spezialkrä­fte bilden mozambiqua­nische Soldaten aus, die USA hatten sich zuletzt kritisch zum Einfluss privater Sicherheit­sfirmen geäußert. Zudem erhob Amnesty Internatio­nal Vorwürfe gegen DAG: Deren Leute hätten „wahllos auf Zivilisten gefeuert“. Dyck dementiert: „Wir haben mit der Rettung Hunderter Zivilisten gezeigt, dass wir nicht die Bösen sind.“Die Vorwürfe seien „Bullshit“, die Nichtverlä­ngerung des Jobs erstaunlic­h.

Zu schwaches Militär

Der Söldneroff­izier hält die mozambiqua­nische Armee für überforder­t, auch wenn zuletzt Verhaftung­en von Terroriste­n vermeldet worden sind. Es gebe nicht genug Bodenkräft­e, es mangle an Luftunters­tützung. „Wir hätten die Terroriste­n nach ihrer Attacke leicht dezimieren können, indem wir sie auf ihrem Rückzug angreifen“, sagt Dyck. „So aber dominieren sie weiter viele strategisc­he Posten in Cabo Delgado.“Und das werde auf unabsehbar­e Zeit so bleiben.

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[ AFP ] Menschen, die vor den Kämpfen in Palma flohen, in einem Lager in der Provinzhau­ptstadt Pemba.

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