In den Fängen von Mozambiques Terroristen
Ostafrika. Nach dem Angriff auf die Gasförderstadt Palma wird der Einfluss des IS in der Region deutlicher. Nachbarländer schrecken auf, doch das Militär des Landes ist schwach, die Regierung hat eine südafrikanische Söldnertruppe zurückgezogen.
Kapstadt/Maputo. Die Terroristen schlugen mit modernen Waffen zu. So nutzten sie bei einem Anschlag Ende März auf die Stadt Palma im Norden Mozambiques großkalibrige Granatwerfer. Dutzende Menschen starben, erstmals seit Beginn des Aufstands vor knapp vier Jahren auch viele Ausländer. Fachkundig bediente Ausrüstung, gefährlich auch für die Helikopter der südafrikanischen Söldnertruppe Dyck Advisory Group (DAG). Vor einem Jahr hatte Mozambiques Regierung die DAG nämlich beauftragt, weil es sich abzeichnete, dass es sich bei den Rebellen nicht mehr nur um plündernde Banden handelte, als die man die Terroristen anfangs klassifiziert hatte.
Die Gruppe ist als Ahlu Sunna wal Jama’a (ASWJ) bekannt und will – glaubt man einem seit 2020 kursierenden Video – in der Region einen Gottesstaat errichten. ASWJ wurde über Jahre von Islamisten verstärkt, die aus Kenia und Tansania nach Mozambique auswichen. ASWJ hat seither den Spitznamen al-Shabaab, obwohl es keine bekannten Drähte zur gleichnamigen Terrorgruppe in Somalia gibt.
Söldner-Chef besorgt über Feindkräfte
ASWJ hat heute eine Stärke, die über die Landesgrenzen hinaus alarmiert. Dem Gründer der DAG-Söldner, Lionel Dyck, ist im Telefonat mit der „Presse“die Sorge anzumerken. „Diese Waffen sind nicht schlicht Beute von geplünderten Armeestützpunkten“, sagt der 76-jährige frühere Oberst der Armee Simbabwes, ein Weißer, der seine Dienste als „spezialisierte Sicherheitsleistungen“anbietet. Einige Waffen, mit denen seine Leute beschossen wurden, gehörten nie zum Bestand von Mozambiques Armee, zudem sei deren Gerät in mäßigerem Zustand. Er denke, dass die Waffen aus dem Ausland kamen, sagt Dyck. Aus Tansania womöglich oder von weiter nördlich. Das spricht für zunehmende Vernetzung.
Beobachter wollen die Handschrift des Islamischen Staats (IS) orten. Der IS bekannte sich zu dem Angriff und bezifferte die Zahl der Toten auf 55, darunter Soldaten, Christen und Ausländer, wie es aus Propagandakanälen tönte. Die Regierung in Maputo sprach vage von „Dutzenden Toten“. Unabhängige Daten gibt es nicht. Seit 2019 zählt der IS die einst kaum religiös ausgerichtete Rebellengruppe in der früheren portugiesischen Kolonie (bis 1975) zu seinem Netzwerk. Die USA stufen sie als Terrororganisation ein.
Es war an sich nicht der erste Angriff dieser Größe in der besonders ärmlichen Nordprovinz Cabo Delgado. Seit Beginn des Aufstands starben mindestens 2000 Menschen. Lang hatten die anderen Länder des südlichen Afrika den Aufstand als lokales Problem eingestuft. Seit Palma denkt man um.
Riesiges Gasförderprojekt
Dort lebten knapp 100.000 Menschen, die Stadt ist strategisch wichtig, vor der Küste entsteht Infrastruktur für Gasförderung. Das Projekt, das unter anderem vom französischen Total-Konzern betrieben wird, ist eine der größten privaten Investitionen Afrikas. Die Regierung hofft über Beteiligungen auf Milliardengewinne und Nachbarländer auf preiswerten Strom. Nun ruht die Produktion, die Mitarbeiter sind geflohen. Präsident Filipe Nyusi verweigert indes auch nach einem Treffen mit afrikanischen Staatschefs vorigen Donnerstag das Eingreifen von Soldaten anderer Länder. Das erinnert an Nigeria, wo die Regierung im Kampf gegen die Boko-Haram-Islamisten erst nach zu langem Zögern ausländische Hilfstruppen zuließ.
Vor Ort warnen indes manche, den Konflikt auf Islamismus zu reduzieren. Latifo Fonseca etwa, katholischer Priester in Pemba, der Provinzhauptstadt Cabo Delgados. Er kümmert er sich um Menschen, die vor den Terroristen geflüchtet sind. Ja, es gebe religiöse Elemente, „aber es geht in erster Linie um wirtschaftliche Interessen“. Die Treuebekundungen zum IS würden der Einschüchterung der Bevölkerung dienen und es werde unabhängig von der Konfession getötet. Armut und Vernachlässigung durch die Regierung seien Nährboden zur Rekrutierung junger Kämpfer, denen viel Geld versprochen werde. Zwei aus Geiselhaft befreite Nonnen hätten ihm erzählt, dass die Terroristen die Provinz des Geldes wegen erobern möchten. Dort werden Rohstoffe, Elfenbein, Drogen, Waffen etc. geschmuggelt.
Gesicherte Informationen zur Beteiligung der Terroristen daran gibt es nicht. Der ehemalige Mozambique-Korrespondent Joseph Hanlon indes meint, es gehe allein beim Heroin um mindestens 600 Millionen Dollar jährlich – und 100 Millionen davon flössen an Mitglieder der Regierungspartei Frelimo, schrieb er im 2018 in einem Bericht für das EU-finanzierte Projekt „Enact“.
Zulauf scheint Extremisten gesichert
Unstrittig ist, dass die ASWJ zunehmend koordiniert angreift. Söldnerchef Dyck hält eine Involvierung des IS in welcher Form immer für möglich. Freilich übertreibt das Terrornetzwerk gern seinen realen Einfluss auf Rebellen in Afrika, etwa im Kongo und der Sahelzone. Mit 300 bis 500 Kämpfern schätzt Dyck die ASWJ zudem kleiner ein als mancher Analyst (man hört meist von bis zu 5000 Mann). Er spricht aber von Zulauf etwa aus Südafrika und dem Kongo. Die Aktion von Palma werde dem weiter Auftrieb verleihen: „Die Franzosen (den Total-Konzern, Anm.) aus Palma zu verjagen ist ein großer Erfolg.“
Ein Jahr lang hatte Lionel Dyck mit seinen Söldnern versucht, diese Islamisten zu bekämpfen. Am 6. April, wenige Tage nach dem Anschlag, lief der Vertrag aus – und wurde nicht verlängert. US-Spezialkräfte bilden mozambiquanische Soldaten aus, die USA hatten sich zuletzt kritisch zum Einfluss privater Sicherheitsfirmen geäußert. Zudem erhob Amnesty International Vorwürfe gegen DAG: Deren Leute hätten „wahllos auf Zivilisten gefeuert“. Dyck dementiert: „Wir haben mit der Rettung Hunderter Zivilisten gezeigt, dass wir nicht die Bösen sind.“Die Vorwürfe seien „Bullshit“, die Nichtverlängerung des Jobs erstaunlich.
Zu schwaches Militär
Der Söldneroffizier hält die mozambiquanische Armee für überfordert, auch wenn zuletzt Verhaftungen von Terroristen vermeldet worden sind. Es gebe nicht genug Bodenkräfte, es mangle an Luftunterstützung. „Wir hätten die Terroristen nach ihrer Attacke leicht dezimieren können, indem wir sie auf ihrem Rückzug angreifen“, sagt Dyck. „So aber dominieren sie weiter viele strategische Posten in Cabo Delgado.“Und das werde auf unabsehbare Zeit so bleiben.