„Dinge, die privat sind, sollen privat bleiben“
Interview. Die ehemalige Grünen-Chefin Eva Glawischnig übt Kritik daran, dass Chat-Protokolle an die Öffentlichkeit gespielt werden, spricht über ihre Erfahrungen bei Novomatic und erzählt von krankmachenden Erlebnissen in der Politik.
Die Presse: eigentlich?
Eva Glawischnig: Im Moment bin ich noch in Bildungskarenz – bis 1. Juli. Dann würde ich gern mit meiner selbstständigen Tätigkeit als Nachhaltigkeitsberaterin für Unternehmen beginnen.
Was machen Sie jetzt
Was haben Sie in der Bildungskarenz gemacht?
Ich wollte ursprünglich in Berlin etwas abschließen. Das ging dann aber coronabedingt nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. So habe ich die vergangenen Monate dann wie viele andere Eltern auch im Home-Schooling verbracht und mich nebenher weitergebildet.
Sie waren zuvor bei Novomatic. Hatten Sie nie das Gefühl, dass Sie nur engagiert wurden, um das Image des Unternehmens aufzubessern?
Dieses Gefühl hatte ich nicht. Ich wurde nicht zuletzt aufgrund der gesetzlichen Vorgaben geholt, des sogenannten Nachhaltigkeitsdiversitätsverbesserungsgesetzes. Das verpflichtet große Unternehmen in ihrem Geschäftsbericht neben den finanziellen Kennzahlen auch die nicht finanziellen, also die Nachhaltigkeitskriterien, darzustellen. Das war meine Aufgabe im Spielerschutz in Ländern, in denen wir tätig waren, in Italien, Deutschland, den Niederlanden, Spanien, Österreich.
Novomatic hat allerdings sehr auf vielfältige politische Kontakte geachtet – von Gernot Blümel bis Alfred Gusenbauer. Auch Sie kommen nun in den Chats vor: Sie sollen Bundespräsident Alexander Van der Bellen sensibilisiert haben für die Anliegen der Novomatic, in Hinblick auf die Casinos und Tschechien.
Mir ist das vollkommen schleierhaft, wie und warum solche SMS an die Öffentlichkeit gelangen. Das war damals in meiner ersten Woche bei der Novomatic, und ich habe Van der Bellen einfach erzählt, was ich jetzt mache.
Das war kein Lobbying?
Das war ein Freundschaftsbesuch. Ich verwahre mich da gegen jegliche Vorwürfe. Ich hätte da auch gern mehr Sauberkeit: Dass Dinge, die privat sind, wie ein privater Besuch, einfach privat bleiben.
Das würden Kurz, Blümel, Schmid und Co. auch so sehen. Mir ist das unverständlich, warum private Dinge hinausgespielt werden. Da sind auch die Medien aufgerufen, die Grenzen genau zu wahren: Was ist relevant, und was ist Privatleben?
Halten Sie es für möglich, dass Novomatic Parteien, etwa die ÖVP, über Vereine sponsert?
Ich hatte in meinem Bereich ein, zwei größere Projekte, eines war eine Kooperation mit Suchtforschungsstellen, mit dem AKH Wien, mit einer Medizinerin. Alles andere ist nicht in meinem Verantwortungsbereich gelegen.
Wie ist denn nun Ihr Eindruck von Ihrem ehemaligen Chef, Harald Neumann?
Dazu will ich nichts sagen. Ich habe bei der Novomatic viele, auch sehr tolle Menschen kennen gelernt. Es ist ein Unternehmen wie alle anderen österreichischen Unternehmen auch, das im Bereich Nachhaltigkeit ein Management auf die Beine stellen musste. Ich habe auch viel dort gelernt.
Was denn?
Das Nachhaltigkeitsmanagement aufzusetzen in einem globalen Konzern, mit Unternehmenspolicies zu arbeiten, Leute mitzunehmen, das Internationale zu verstehen, was funktioniert in Spanien anders als in Holland.
Sie haben diese Woche in Puls4 gemeint, Sie wären auch aus Groll gegenüber Ihrer Partei zu Novomatic gegangen. Es habe Verletzungen und Kränkungen gegeben. Zog sich das quer durch, oder gab es spezielle Anlässe? Vor Ihrem Rücktritt gab es einen skurrilen, aber doch heftigen Streit mit den Jungen Grünen.
Ich war neun Jahre Parteichefin. Natürlich kam es immer wieder zu interner Kritik, das ist auch anstrengend. Aber ich habe großen Respekt vor allen Grünen nach wie vor, mein Herz bleibt grün.
Gibt es Grüne, die Sie besonders genervt haben?
Ich habe ein großes Herz – und sie alle in mein Herz geschlossen.
Macht Spitzenpolitik krank? Sie hatten vor Ihrem Rücktritt einen allergischen Schock.
Das war schlimm und extrem unangenehm, wenn du merkst, dass der Körper dir die Grenzen aufzeigt. Und das war definitiv so.
Das war auch ein Grund für Ihren Rücktritt?
Mit Sicherheit. Hätte ich das nicht gehabt, hätte ich das Jahr noch weitergemacht. Das hat mich einfach gezwungen dazu, die Notbremse zu ziehen.
Wie geht es Ihnen jetzt gesundheitlich?
Super. Ich habe seitdem nie mehr wieder irgendetwas gehabt.
Wie finden Sie die Perfomance der Grünen in der Regierung?
Ich habe großen Respekt vor ihrer Arbeit, was sie leisten und was sie schaffen.
Sie lassen sich nicht von der ÖVP unterkriegen?
Das kommentiere ich nicht.
Wie finden Sie Kanzler Kurz?
Den kommentiere ich auch nicht. Politisch bin ich jetzt Privatperson.
Ein Comeback in der Politik ist auszuschließen?
Definitiv. Ich freue mich, dass ich jetzt anwenden kann, was ich gelernt habe: Stressresistenz, Gelassenheit, Ausdauer, Leute motivieren. Nun in meinem kleinen EinPersonen-Unternehmen.
Was tun Sie da konkret?
Die Vereinten Nationen haben 17 große globale Ziele ausgerufen. Die Regierungen sind verpflichtet, das umzusetzen. Da braucht es jetzt Zivilgesellschaft und Unternehmen, die da mit dabei sind. Mein Bereich wird das Ökologische, das Nachhaltige sein.