Ringen der Politik um MAN-Werk
Steyr. Die Fronten zwischen MAN, Betriebsrat und Investor Wolf sind verhärtet. Die Politik versucht im Hintergrund, neue Verhandlungen anzustoßen – auch mit Lokalpatriotismus.
Wien. Es ist eine verfahrene Situation beim MAN-Werk in Steyr, die derzeit alle Verhandlungen blockiert. Die etwa 2300 Mitarbeiter haben die Übernahmepläne des Investors Siegfried Wolf vor zehn Tagen mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Wolf hatte im Vorfeld hoch gepokert und gedroht, es werde von ihm kein nachgebessertes Angebot geben. Und MAN hatte sich schon vor Wochen darauf festgelegt, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder verkauft man das Lkw-Werk an Wolf – oder es wird zugesperrt.
Die Fronten sind derart verhärtet, dass jeder, der den ersten Schritt macht, glaubt, Schwäche zu zeigen und das Gesicht zu verlieren. Oder, wie es ein Gesprächspartner mit Hinblick auf neue Verhandlungen treffend ausdrückt: „Wer den ersten Schritt macht, ist im Rennen der Zweite.“
Treffen bei Landeschef Stelzer
Auch die Politik will sich nicht allzu öffentlich einmischen, weil es in dieser Frage nichts zu gewinnen gibt. Im schlechtesten Fall sperrt MAN das Werk zu, im besten Fall, wenn also neue Gespräche zu einer Rettung der Lkw-Herstellung führen, werden immer noch ein paar Hundert Mitarbeiter abgebaut. Und irgendjemand klagt dann zweifellos, dass der Preis für die Rettung des Standorts zu hoch sei und Politiker XY die Menschen verraten habe.
Dabei wollen alle Beteiligten noch einmal miteinander reden, auch wenn sie das nur „ganz im Vertrauen“zugeben: Der Betriebsrat zeigt sich für Verhandlungen offen, rund um den Investor Wolf hofft man auf ein neues Angebot, auch MAN will sich lieber einen langen, teuren Rechtsstreit um den Standortsicherungsvertrag ersparen. Die Frage ist nur: Wer macht den ersten Schritt und lässt, sprichwörtlich, die Hose herunter.
Die MAN-Zentrale in München versucht mittlerweile, den
Druck auf die Belegschaft zu erhöhen. Nichts anderes ist die Ankündigung, die Hälfte der Leiharbeiter in den nächsten Wochen abbauen zu wollen. Damit bringt man sich freilich auch selbst in Bedrängnis. Die Produktion muss deswegen zurückgefahren werden. Manche Kunden werden also länger auf ihre Fahrzeuge warten müssen – und das macht in der Logistikbranche kein gutes Blut.
Was also tun? Am gestrigen Freitag waren die Betriebsräte von MAN im Landhaus in Linz zu Gast, Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer hatte zu Gesprächen geladen. Am Tisch saßen auch Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner, Steyrs Bürgermeister Gerald Hackl und Vizebürgermeister Markus Vogl. Bei dem Treffen ging es darum, wie man die Gespräche wieder in Gang bringt.
Stelzer hat im Vorfeld schon bei einem Landsmann vorgefühlt, beim mächtigen Aufsichtsratspräsidenten des VW-Konzerns, zu dem MAN gehört, Hans Dieter Pötsch. Pötsch ist gebürtiger Oberösterreicher. Und selbst wenn kühles Denken das Agieren des Managers bestimmen mag – Pötsch war vor seiner Aufsichtsratstätigkeit lange Jahre Finanzvorstand bei Volkswagen –, ein wenig Heimatgefühl dürfte doch mitschwingen. Außerdem managte Pötsch 2011 die Übernahme von MAN und Scania durch VW.
Selbst Bundeskanzler Sebastian Kurz mischt im Hintergrund mit, auch wenn man sich offiziell bedeckt hält. Denn das letzte Mal, als die Politik beim MAN-Werk die Initiative ergriff, war man wenig erfolgreich. Im Oktobern 2020 hatte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck erklärt, sie bastle an einem Österreich-Konsortium, das das Werk fortführen könnte. Daraus wurde nichts.
Später sprachen Regierungsvertreter mit dem tschechischen Automobilhersteller Tatra. Auch daraus wurde nichts. Und ein Konzept eines Konsortiums um den Linzer Industriellen Karl Egger wurde von MAN als zu wenig konkret abgelehnt (es hatte nur wenige Seiten).
Manche wollen nun dieses Konsortium wieder ins Spiel bringen, wobei sie auf eines vergessen: MAN muss das Werk auch an diesen Anbieter verkaufen wollen. Das war mit ein Grund für die Ablehnung von Tatra: MAN wollte nicht einem möglichen Konkurrenten ein effizientes und erst 2019 um viele Millionen Euro modernisiertes Werk überlassen.
Wie geht es weiter? Kommende Woche könnte es wieder Bewegung und neue Verhandlungen geben, heißt es. Eines ist auf jeden Fall klar: Dass sich der Staat am Werk beteiligt, wie das die SPÖ will, ist in der Regierung undenkbar. „Aber wenn sich die SPÖ einkaufen will – gern“, meint ein Gesprächspartner. Die Parteikasse dürfte dafür freilich nicht prall genug gefüllt sein . . .