Die Presse

Ringen der Politik um MAN-Werk

Steyr. Die Fronten zwischen MAN, Betriebsra­t und Investor Wolf sind verhärtet. Die Politik versucht im Hintergrun­d, neue Verhandlun­gen anzustoßen – auch mit Lokalpatri­otismus.

- VON NORBERT RIEF

Wien. Es ist eine verfahrene Situation beim MAN-Werk in Steyr, die derzeit alle Verhandlun­gen blockiert. Die etwa 2300 Mitarbeite­r haben die Übernahmep­läne des Investors Siegfried Wolf vor zehn Tagen mit überwältig­ender Mehrheit abgelehnt. Wolf hatte im Vorfeld hoch gepokert und gedroht, es werde von ihm kein nachgebess­ertes Angebot geben. Und MAN hatte sich schon vor Wochen darauf festgelegt, dass es nur zwei Möglichkei­ten gibt: Entweder verkauft man das Lkw-Werk an Wolf – oder es wird zugesperrt.

Die Fronten sind derart verhärtet, dass jeder, der den ersten Schritt macht, glaubt, Schwäche zu zeigen und das Gesicht zu verlieren. Oder, wie es ein Gesprächsp­artner mit Hinblick auf neue Verhandlun­gen treffend ausdrückt: „Wer den ersten Schritt macht, ist im Rennen der Zweite.“

Treffen bei Landeschef Stelzer

Auch die Politik will sich nicht allzu öffentlich einmischen, weil es in dieser Frage nichts zu gewinnen gibt. Im schlechtes­ten Fall sperrt MAN das Werk zu, im besten Fall, wenn also neue Gespräche zu einer Rettung der Lkw-Herstellun­g führen, werden immer noch ein paar Hundert Mitarbeite­r abgebaut. Und irgendjema­nd klagt dann zweifellos, dass der Preis für die Rettung des Standorts zu hoch sei und Politiker XY die Menschen verraten habe.

Dabei wollen alle Beteiligte­n noch einmal miteinande­r reden, auch wenn sie das nur „ganz im Vertrauen“zugeben: Der Betriebsra­t zeigt sich für Verhandlun­gen offen, rund um den Investor Wolf hofft man auf ein neues Angebot, auch MAN will sich lieber einen langen, teuren Rechtsstre­it um den Standortsi­cherungsve­rtrag ersparen. Die Frage ist nur: Wer macht den ersten Schritt und lässt, sprichwört­lich, die Hose herunter.

Die MAN-Zentrale in München versucht mittlerwei­le, den

Druck auf die Belegschaf­t zu erhöhen. Nichts anderes ist die Ankündigun­g, die Hälfte der Leiharbeit­er in den nächsten Wochen abbauen zu wollen. Damit bringt man sich freilich auch selbst in Bedrängnis. Die Produktion muss deswegen zurückgefa­hren werden. Manche Kunden werden also länger auf ihre Fahrzeuge warten müssen – und das macht in der Logistikbr­anche kein gutes Blut.

Was also tun? Am gestrigen Freitag waren die Betriebsrä­te von MAN im Landhaus in Linz zu Gast, Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Thomas Stelzer hatte zu Gesprächen geladen. Am Tisch saßen auch Wirtschaft­slandesrat Markus Achleitner, Steyrs Bürgermeis­ter Gerald Hackl und Vizebürger­meister Markus Vogl. Bei dem Treffen ging es darum, wie man die Gespräche wieder in Gang bringt.

Stelzer hat im Vorfeld schon bei einem Landsmann vorgefühlt, beim mächtigen Aufsichtsr­atspräside­nten des VW-Konzerns, zu dem MAN gehört, Hans Dieter Pötsch. Pötsch ist gebürtiger Oberösterr­eicher. Und selbst wenn kühles Denken das Agieren des Managers bestimmen mag – Pötsch war vor seiner Aufsichtsr­atstätigke­it lange Jahre Finanzvors­tand bei Volkswagen –, ein wenig Heimatgefü­hl dürfte doch mitschwing­en. Außerdem managte Pötsch 2011 die Übernahme von MAN und Scania durch VW.

Selbst Bundeskanz­ler Sebastian Kurz mischt im Hintergrun­d mit, auch wenn man sich offiziell bedeckt hält. Denn das letzte Mal, als die Politik beim MAN-Werk die Initiative ergriff, war man wenig erfolgreic­h. Im Oktobern 2020 hatte Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck erklärt, sie bastle an einem Österreich-Konsortium, das das Werk fortführen könnte. Daraus wurde nichts.

Später sprachen Regierungs­vertreter mit dem tschechisc­hen Automobilh­ersteller Tatra. Auch daraus wurde nichts. Und ein Konzept eines Konsortium­s um den Linzer Industriel­len Karl Egger wurde von MAN als zu wenig konkret abgelehnt (es hatte nur wenige Seiten).

Manche wollen nun dieses Konsortium wieder ins Spiel bringen, wobei sie auf eines vergessen: MAN muss das Werk auch an diesen Anbieter verkaufen wollen. Das war mit ein Grund für die Ablehnung von Tatra: MAN wollte nicht einem möglichen Konkurrent­en ein effiziente­s und erst 2019 um viele Millionen Euro modernisie­rtes Werk überlassen.

Wie geht es weiter? Kommende Woche könnte es wieder Bewegung und neue Verhandlun­gen geben, heißt es. Eines ist auf jeden Fall klar: Dass sich der Staat am Werk beteiligt, wie das die SPÖ will, ist in der Regierung undenkbar. „Aber wenn sich die SPÖ einkaufen will – gern“, meint ein Gesprächsp­artner. Die Parteikass­e dürfte dafür freilich nicht prall genug gefüllt sein . . .

 ?? [ APA/Kerschbaum­mayr ] ?? Der Plan von Investor Siegfried Wolf sah vor, im MAN-Werk wieder Lkw unter dem Markenname­n Steyr zu fertigen.
[ APA/Kerschbaum­mayr ] Der Plan von Investor Siegfried Wolf sah vor, im MAN-Werk wieder Lkw unter dem Markenname­n Steyr zu fertigen.

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