Greensill wird zur Schredder-Affä
Lobbyismus. Der Lobbyskandal um David Cameron weitet sich auf weitere Personen aus.
London. Welche Nähe Politik und Wirtschaft vertragen, wird nicht nur in Österreich infrage gestellt. In Großbritannien drohen die Enthüllungen um David Camerons Lobbyarbeit, eine Krise der konservativen Partei Tory auszulösen.
Der ehemalige Premierminister hatte den Fintech-Unternehmer, Lex Greensill, 2012 als Berater in die Regierung geholt. Nach seinem politischen Rücktritt wurde er selbst dann Berater bei dem Lieferketten-Finanzierer. Seit der Insolvenz von Greensill im März wird deutlich, wie beherzt sich Cameron für seinen Arbeitgeber eingesetzt hat.
So gängelte er Finanzminister Rishi Sunak mit privaten Textnachrichten, Greensill als Kreditgeber in die Corona-Programme aufzunehmen. Auch Drinks mit Gesundheitsminister Matt Hancock arrangierte er, um Greensill
Aufträge des nationalen Gesundheitssystems NHS zu verschaffen.
Beamte gab Schredder-Auftrag
Hancock selbst wird nun Ämterpatronage vorgeworfen. Denn NHS Wales hat den SchredderDienstleister Topwood im vergangenen Monat zwei Aufträge im Wert von 150.000 Pfund (172.000 Euro) für eine „vertrauliche Abfallvernichtung“erteilt. Hancock besitzt 15 Prozent an der Firma, was er auch im Interessenregister für Abgeordnete angab. Außerdem ist seine Schwester Emily Gilruth Direktorin von Topwood.
Mit seiner Doppelrolle ist Hancock nicht allein. So stellte sich heraus, dass David Brierwood im Oktober 2014 eine Stelle als sogenannter Crown Representative im Kabinettsbüro antrat und nur zwei Monate später bei Greensill anheuerte. Der ehemalige MorganStanley-Bankier hatte beide Positionen mehr als drei Jahre lang inne, bevor er im Juni 2018 sein Regierungsamt niederlegte. Er verließ auch Greensill im Februar, bevor das Unternehmen im März pleiteging.
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Brierwood gegen Regeln verstoßen hat. Vielmehr zeigt der Fall, ein solches Phänomen ist nicht ungewöhnlich. So folgte die Enthüllung zu Beginn dieser Woche, dass Bill Crothers im September 2015 als Vorstandsberater zu Greensill kam – zwei Monate bevor er sein Amt als „Chief Commercial Officer“in der Regierung niederlegte.
Kein Regelverstoß
Das britische Kabinettsbüro erklärte, dass Brierwoods Regierungsrolle die Lieferkettenfinanzierung, Greensills Spezialgebiet, nicht berührt habe. Ein Regierungssprecher sagte indes, Hancock „handelte unter diesen Umständen völlig richtig“und „es entsteht kein Interessenkonflikt“. Offenbar hat sich auch Cameron weitgehend im Rahmen der Vorschriften bewegt.
Dass die Lobbyregeln eine solche Nähe zwischen Politik und Wirtschaft erlauben, wirft ein strukturelles Problem auf.
Für die Opposition ist das ein Skandal. Die Labour- Partei fordert, die jüngste Liste mit Interessen der Abgeordneten zu veröffentlichen. Laut Kodex soll das Register zweimal im Jahr veröffentlicht werden – seit seiner Veröffentlichung sind inzwischen neun Monate vergangen. Zudem wollen Oppositionspolitiker einen Untersuchungsausschuss. Bisher hat der konservative Premier Boris Johnson eine unabhängige Untersuchung gegen seinen Vorgänger und Parteifreund Cameron eingeleitet. Der Anwalt Nigel Boardman soll bis Juni Bericht erstatten. Aus Sicht der Labour- Opposition sei dies nur eine Verzögerungstaktik.