Der Fuchs weiß viele Sachen, der Igel aber ein großes Ding
Welche Qualifikationen braucht man, um ein Gesundheitsministerium zu leiten? Politologie, Ökonomie oder Medizin? TCM oder Jambik? Die besten Kanzler Österreichs waren in neuerer Zeit . . .
Die Sessel der Gesundheitsminister sind derzeit allerorten Schleudersitze. Jüngst wurde der in Österreich ausgelöst. Aber es gibt eine Konstante, die Nachbarländer betreffend: In jenen vier, die man im Kalten Krieg dem Westen zurechnete, haben diese Fachminister Politologie studiert, fallweise auch noch Ökonomie. Im sogenannten einstigen Ostblock hingegen sind es durchwegs Mediziner, die es zum Bohren harter Bretter fürs Gemeinwohl drängte.
Unsere Regierung macht in dieser Hinsicht nun einen Ost-Schwenk. Im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz folgt auf einen Pädagogen ein Mediziner. Das bewirkte eine intensive Diskussion im Gegengift- Beirat „Kunst, Medien und unabgeschlossene Studien“. Die Westler protestierten: „Der Neue hat weder Sozial- noch Rechtswissenschaften studiert! Er ist nur ein Arzt! Der könnte doch nicht einmal die Öbag oder ein Casino leiten! Wir sind doch hier nicht in Bratislava!“
Die Ostler konterten: „Und eure Öko-Politologen haben verhindert, dass das gemeine Volk längst mit dem bewährten Kampfstoff Sputnik durchgeimpft ist! Stattdessen doktern sie mit teurem, weniger wirksamem Zeug herum, das zudem die Frauen diskriminiert und selten lieferbar ist! Der Neue kennt sich zudem nicht nur in allgemeiner, sondern auch in traditioneller chinesischer Medizin aus! Er ist ein Universalist auf dem dritten Weg zur Rettung der Menschheit!“
Die Rufzeichen signalisieren: Es wurde gestritten. Beide Seiten haben recht. Hätte die Politik rascher agiert, wär’s egal, welche Ausbildung so ein Macher hat. Und wir? In den feineren Antidot- Abteilungen haben Physiker die tollsten Filmkritiken geschrieben, Chemiker die tiefsten Essays zu singenden Nobelpreisträgern für Literatur. Als Letztinstanz für Naturwissenschaften galt bei uns lange Jahre ein
Soziologe. Derartige Diversität ziert viele Felder, sogar die höchste Kunst der Politik. Die besten Bundeskanzler neuerer Zeit waren ein Historiker, ein Basketballer und ein Hobby-Fußballer, der bei Jazz-Messen aufspielte.
Lassen wir den Minister und sein Team arbeiten. Die nächsten 100 Tage werden entscheidend sein. Wenn wir einen Rat geben, borgen wir uns den von Archilochos (er hat Jambik studiert): „Der Fuchs weiß viele Sachen, der Igel aber ein großes Ding.“Liebe Politologen, Doktoren der Heilkunde, Ökonomen etc., eines ist derzeit wichtig: Her mit diesen Ampullen! Selbst wenn Ihnen anderes primär scheint.
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