Die Presse

Kunst im Kultlokal

Wien. 35 Jahre lang war das Caf´e Europa in der Zollergass­e nie länger als einen Tag geschlosse­n – dann kam Corona. Nun dienen die Fenster als Kunstausst­ellung.

- VON EVA WALISCH

An den Wänden des Cafe´ Europa in der Zollergass­e hängen noch die Ankündigun­gen für Konzerte und Ausstellun­gen aus dem Vorjahr. Die Stühle sind zurechtger­ückt, die Kaffeetass­en stehen unberührt in den Schränken. Seit über einem halben Jahr hat im Cafe´ kein Gast mehr Platz genommen.

Dabei mache gerade das den Charme des Lokals aus, dass es wie ein Wohnzimmer für seine Gäste sei, sagt Noah Friesz: „Dass es immer offen hat und man sich darauf verlassen kann. Wir haben im ersten Lockdown das erste Mal seit 35 Jahren länger als 24 Stunden geschlosse­n gehabt.“

Seine (erweiterte) Familie betreibt das Lokal. „Das Cafe´ Europa ist seit jeher ein Familienbe­trieb. Wir sagen immer: Chef gibt’s keinen, wir führen es alle zusammen“, so Friesz. „Mein Bruder Aaron spielt da eine große Rolle, meine Schwester Naemi arbeitet im Büro mit.“

Risse im Terazzobod­en

Der 26-Jährige ist quasi im Lokal zwischen den Tischen aufgewachs­en. „Seit ich ein Kind war, bin ich hier.“Sein Vater, Andreas, hat das Cafe´ im ehemaligen „Tempo“1984 eröffnet. „Er hat mir erzählt, dass damals die halbe Zollergass­e voller Menschen war. Damals gab es sonst noch nicht so viele Bars in der Gegend“, so Friesz. „Der Terazzobod­en im Europa ist schon am ersten Tag bei der Eröffnung gesprungen.“Zwar wisse niemand so genau, wie das passiert ist, aber noch heute sieht man die Risse im Boden.

Die Eröffnung fand lang vor der Gründung der EU statt, der Name sei nie als politische Position gedacht gewesen. Das Logo des Cafes,´ die japanische Flagge, sei wie der Name einfach zufällig entstanden. „Die Leute dachten vor der Eröffnung zuerst, dass wir ein neues japanische­s Restaurant sind“, so Friesz. „Technisch gesehen ist unser Logo aber sogar älter als die japanische Flagge, das habe ich in meinem Grafikstud­ium gelernt. Die japanische Flagge hatte nämlich zuerst ein Dunkelrot, und erst 1988 haben sie quasi zu unserem Rot gewechselt“, sagt er schmunzeln­d.

Mittlerwei­le ist das Cafe´ Europa in Wien Kult geworden. Hier treffen sich Intellektu­elle, Touristen, Alte, Junge und all jene, die nachts nach dem Feiern noch hungrig sind. „Wir sind eigentlich ein Wohnzimmer für alle Menschen. Man kann auch spät noch etwas essen, viele kommen nachts auf einen Absacker.“

Die Situation sei nun naturgemäß schwierig für das Cafe,´ kündigen

Das in der Zollergass­e hat die Familie Friesz 1984 eröffnet. Mittlerwei­le ist es zu einem der Kultlokale der Stadt geworden. Der 26-jährige Noah Friesz ist dort aufgewachs­en und studiert nun an der Akademie der Bildenden Künste. Mit weiteren Studierend­en nutzt er derzeit die Fenster des leeren Lokals als Ausstellun­gsraum. Neben Friesz präsentier­en Maximilian Atteneder, Sophia Davislim, Mariella Lehner, Alexandra Feusi und Sophie Neumann ihre Werke. In etwa zwei Wochen wollen sie ihre neuen Arbeiten zeigen. (www.cafeeuropa.at) musste die Familie Friesz aber bisher niemandem. „Das war uns wichtig.“Der längste Mitarbeite­r ist seit 22 Jahren im Team, man versteht sich als große Familie, so beschreibt es Friesz.

Das leere Lokal will er nun trotz des Lockdowns nutzen. Seit eineinhalb Monaten stellt er mit Studierend­en der Akademie der bildenden Künste Plakate in den Fenstern des Cafes´ aus. Manche haben eine politische Message, etwa gegen Transphobi­e, andere sind stillere Bilder.

Sechs Fenster, sechs Künstler

„Ich studiere bildende Kunst. Meine Freunde – alles Mitstudent­en – und ich sind in den letzten Semestern. Wir haben in unserer Klasse eine Plakatseri­e gemacht“, erzählt Friesz. „Alle Ausstellun­gen sind geschlosse­n, wir wollten aber unsere Arbeiten trotzdem nach außen bringen.“Jedes der sechs Fenster ist nun zur Ausstellun­gsfläche für einen der Künstler geworden. „Wir versuchen, dass alle Arbeiten miteinande­r sprechen, aber jedes Fenster ist quasi eine Mini-Ausstellun­g“, so Friesz, der selbst ein Plakat gefertigt hat. „Es sind für mich sehr einfache, unaufgereg­te, klare Arbeiten.“

Die Situation für junge Künstler sei sehr frustriere­nd, wenn alle Ausstellun­gen geschlosse­n sind. „Künstler sind darauf angewiesen, ihre Kunst herzuzeige­n. Aber auch darauf, mit den Leuten darüber zu kommunizie­ren.“Auch weiterhin soll im Cafe´ Europa deshalb Kunst gezeigt werden. „Die großen Fenster bieten sich einfach an“, so der 26-Jährige. Und: „In ein oder zwei Wochen machen wir neue Arbeiten.“

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