Die Presse

Das Ringen um Europas technologi­sche Souveränit­ät

Gastbeitra­g. Die Pandemie hat gezeigt, dass sich jedes Land, jedes Bündnis von Ländern drei Fragen zur Produktion von Technologi­en stellen muss.

- VON HERMANN HAUSER

In jener Zeit, als Staaten ihre Streitkräf­te einsetzten, um sich andere zu unterwerfe­n oder abhängig zu machen, war Souveränit­ät vor allem ein geografisc­hes und militärisc­hes Konzept. Aber der Begriff hat in jüngster Zeit eine neue Dimension dazugewonn­en.

So hat die Covid-19-Epidemie die Abhängigke­it des Westens von China bei der Versorgung mit Gesichtsma­sken und Schutzklei­dung bloßgestel­lt. Und der frühere USPräsiden­t Donald Trump benützte amerikanis­che Technologi­e und Zahlungssy­steme als Waffen für sein Bemühen, die Interessen seines Landes voranzutre­iben. Technologi­sche Souveränit­ät – oder ihr Fehlen – ist sehr rasch dabei, ein zentrales strategisc­hes Thema zu werden, nicht zuletzt für Europa.

Stellen wir uns etwa vor, dass der Kommandant der 6. Flotte der USA, Vizeadmira­l Eugene H.

Black III, eine Drohung an den britischen Premiermin­ister, Boris Johnson, richtet und mit dem Hinweis versieht, dass seine Flotte im Ärmelkanal stationier­t sei. Die Regierung und die meisten Menschen in Großbritan­nien würden das als sehr seltsame Demonstrat­ion ihrer „Special Relationsh­ip“mit den USA ansehen und heftig widersprec­hen.

Der öffentlich­e Aufschrei fehlte

Doch es gab keinen öffentlich­en Aufschrei, als im Vorjahr der damalige US-Außenminis­ter, Mike Pompeo, heftigen Druck auf Johnson ausübte, den chinesisch­en Technologi­ekonzern Huawei vom britischen 5G-Netzwerk auszuschli­eßen. Die USA gingen so weit, das Ende des Austauschs sensibler Informatio­nen in den Raum zu stellen. Pompeo ließ auch nicht unerwähnt, dass die USA die Zahlungsin­frastruktu­r des Londoner Finanzmark­ts kontrollie­ren und alle in Großbritan­nien verwendete­n elektronis­chen Chips eine amerikanis­che Designsoft­ware benötigen.

Das öffentlich­e Schweigen erfolgte ungeachtet einer Studie der britischen Nachrichte­n- und Sicherheit­szentrale GCHQ, die eine Verwendung von Huawei-Produkten in nicht sensiblen Bereichen der 5G-Infrastruk­tur als unbedenkli­ch für die Sicherheit einstufte. Pompeos Nötigung war um nichts weniger offensicht­lich als das fiktive Beispiel mit der US-Marine, aber technologi­sche Macht ist schwerer zu sehen als ein amerikanis­cher Flugzeugtr­äger in der Themse-Mündung.

Heute aber muss sich jedes Land oder jedes Bündnis von Ländern drei Fragen stellen: Produziere­n wir die Technologi­en, die wir brauchen, selbst? Wenn das nicht der Fall ist, haben wir Zugang dazu über mehrere unabhängig­e Quellen? Und wenn auch das

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