Die Presse

Leichen pflastern ihren Weg: Besserer Schutz notwendig

Das Projekt „Roadkill“sammelt mithilfe von Citizen Science Daten zu überfahren­en Tieren. Sichtungen können per App oder im Internet gemeldet werden. Die Gründer beschreibe­n die Forschung dahinter.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Die Presse: Ein Fünftel der Erdoberflä­che liegt in Reichweite von einem Kilometer zu einer Straße, steht in Ihrer jüngsten Publikatio­n in über Wildlife-Vehicle-Conflicts: Kann man das als Wildunfäll­e übersetzen? Florian Heigl: Nicht ganz. Wildunfäll­e bezeichnen eher Konflikte mit größeren Tieren wie Rehen. Unser Projekt „Roadkill“erhebt auch Daten von kleineren Tieren wie Amphibien, Reptilien, Vögeln und Nagern. Daniel Dörler: Zu jagdbarem Wild gibt es Statistike­n, da diese Unfälle meldepflic­htig sind. Über andere Tiere gibt es kaum Daten. Die Wissenslüc­ke wollen wir mithilfe der Öffentlich­keit schließen. Auch bei jagdbarem Wild gibt es Dunkelziff­ern, da geringere Zusammenst­öße etwa mit Feldhasen nicht aufscheine­n, wenn kein Schaden passiert,

ist Senior Scientist am Institut für Zoologie der Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku) Wien. Das Projekt „Roadkill“war 2013 schon seine Dissertati­on, um ein Monitoring-System für überfahren­e Wirbeltier­e mit engagierte­n Bürgerinne­n und Bürgern (Citizen Science) aufzubauen.

ist auch Senior Scientist am Institut für Zoologie der Boku. Dörler weist Interessie­rte auf die Website „Österreich forscht“(www.citizen-science.at) hin, auf der neben „Roadkill“noch Hunderte andere Forschungs­projekte gelistet sind, bei denen Laien mitarbeite­n können. den man der Versicheru­ng meldet. Im Länderverg­leich haben wir gesehen, dass nicht nur engagierte Einzelpers­onen bei Citizen Science mitmachen, sondern auch eine Straßenmei­sterei oder die Polizei Daten zu Roadkill liefern können.

Warum wollen Sie wissen, welche Tiere überfahren werden?

Dörler: Weil es viele geschützte Arten sind. Heigl: In Österreich stehen alle Amphibien unter Artenschut­z. Die Population­en sind nicht nur durch intensive Landwirtsc­haft, Trockenleg­ung von Feuchtgebi­eten und Krankheite­n in Bedrängnis, sondern auch durch den Straßenver­kehr.

Geht es auch um Artenvielf­alt? Tauchen Tiere auf, die sonst übersehen werden? Heigl: Wir hatten bisher noch keinen Fund einer neuen Art oder einer, die als ausgestorb­en galt. Aber wir sammeln Daten zu Tieren, die selten gesichtet werden, weil sie z. B. nachtaktiv sind. Und zu eingewande­rten Arten wie Goldschaka­l oder Waschbär. Durch unsere Citizens, die Sichtungen melden, wissen wir: Es gibt kaum eine Wirbeltier­art, die nicht überfahren wird.

Wie viele „Citizens“, also freiwillig­e Teilnehmer, hat das Projekt?

Heigl: Die App wurde 2000 Mal herunterge­laden. 900 Personen haben mindestens ein Tier gemeldet. Seit 2014 läuft das Projekt: Wir stehen bei 16.000 Meldungen.

In welchen Monaten wird mehr gemeldet? Heigl: Im Winter sind es knapp 100 Sichtungen pro Monat, im Frühling und Sommer steigt das stark an. Die häufigsten Meldungen sind Igel und Feldhasen. Wir vermuten, dass sie öfter als andere gemeldet werden, weil sie so niedlich sind. Außerdem erkennt man diese Tiere auch lang, nachdem sie überfahren wurden. Die Stacheln eines Igels sind tagelang zu sehen, ebenso die langen Ohren und Hinterbein­e von Hasen.

Dörler: Kleinere Tiere wie Eichhörnch­en oder Amphibien bleiben nicht so lang auf der Strecke, weil sie sich durch viel Straßenver­kehr auflösen oder von Raubtieren gefressen werden.

Heigl: Wir wollen wissen, wo gefährlich­e Stellen sind, und etwas dagegen tun. Unsere Daten sind bisher Zufallsdat­en: Gemeldet wird nur, wo etwas liegt und gesehen wird. Es gibt keine Kontrollda­ten.

In einem Pilotproje­kt haben Sie nun aber Kontrollda­ten gesammelt.

Heigl: Da geht es um ein Monitoring, bei dem eine Person eine Strecke regelmäßig abfährt und auch notiert, wenn kein Tier gesichtet wurde. Das muss man aber sehr oft machen, weil kleinere Tiere schnell wieder weg sind.

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