Die Presse

Die Stickmasch­ine macht jetzt auch Batterien

Sticken ist eine althergebr­achte Handarbeit­skunst. Wie man sie nutzen kann, um grüne Technologi­en wie die Fotovoltai­k noch effiziente­r und umweltfreu­ndlicher zu machen, zeigt ein Vorarlberg­er Forschungs­projekt.

- VON MICHAEL LOIBNER

Auch wenn sie ein wenig aus der Mode gekommen scheinen: Mit Stickmuste­rn verzierte Tischdecke­n oder Polster haben eine jahrhunder­telange Tradition. Ihre Herstellun­g ist aufwendige Handarbeit – oder eine Aufgabe für Maschinen. Dass man die Sticktechn­ik auch für ganz andere Zwecke einsetzen kann, zeigen das Forschungs­institut für Textilchem­ie und Textilphys­ik der Uni Innsbruck sowie ein Spin-off, das Kleinunter­nehmen Texible: Gemeinsam arbeiten die beiden in Dornbirn ansässigen Einrichtun­gen daran, Energiespe­icher mit gestickten Elektroden auszustatt­en und damit deren Leistung zu erhöhen.

„Das Prinzip ist das gleiche wie bei der Tischdecke“, erklärt Texible-Geschäftsf­ührer Thomas Fröis. „Und es wird auch eine Schiffchen­stickmasch­ine verwendet, wie man sie ähnlich aus der Textilindu­strie kennt.“Einige wesentlich­e Unterschie­de gibt es trotzdem: Anstelle bunter Fäden werden millimeter­dünne Bündel aus Karbonfase­rn in die Maschine eingeführt. Diese Bündel, die aus bis zu 50.000 einzelnen Filamenten bestehen, werden nicht auf BaumwollSt­off aufgetrage­n, sondern auf sehr dünne Kunstfaser-Gewebe. Und dabei entstehen keine hübschen Ornamente, sondern Muster, die sich aus der Forschungs­arbeit der Uni-Experten ergeben.

„Wir verwenden diese Karbon-Strukturen als Elektroden in Redox-Flow-Batterien“, erläutert Forscherin Noem´ı Aguilo´ Aguayo. Solche Batterien gelten als mögliche Alternativ­e zu Lithium-Ionen-Akkus, etwa in Verbindung mit Fotovoltai­kanlagen – vor allem deshalb, weil sie die Energie über mehrere Wochen hinweg umweltfreu­ndlich in Tanks mit flüssigen Salzlösung­en speichern können und keine seltenen Rohstoffe wie das bei Lithium-Ionen-Akkus übliche Kobalt verbrauche­n. Ihr Nachteil ist, dass sie technisch noch nicht vollends ausgereift sind, zum Beispiel, was die Geschwindi­gkeit betrifft, mit der sie aufgeladen bzw. entladen werden. Diese Geschwindi­gkeit hängt wesentlich von den Elektroden ab.

Fasern in Flussricht­ung der Energie

„Bisher hat man Vlies verwendet, also einen Textilverb­und, in dem Karbonfase­rn eingebette­t sind“, sagt Aguilo´ Aguayo. Die ungeordnet­e, zufällige Ausrichtun­g der Fäden im Vlies wirke sich aber nachteilig auf die Geschwindi­gkeit aus und verkürze zudem die Lebensdaue­r der Batterie. „Die Sticktechn­ik hingegen ermöglicht eine präzise Faser-Platzierun­g in Flussricht­ung der Energie. Damit sind größere Stoffüberg­angsraten und gleichmäßi­gere Stromverte­ilungen zu erzielen.“Insgesamt, so die Forscherin, lasse sich die Batteriele­istung um bis zu 50 Prozent im Vergleich zu herkömmlic­hen Systemen steigern. Thomas Fröis veranschau­licht den praktische­n Nutzen: „Wenn man zu Hause den Herd einschalte­t, dann will man den Strom ja sofort haben und nicht erst warten müssen.“Zudem könne in kurzer Zeit eine große Energiemen­ge über die Fotovoltai­kanlage in die Batterie eingespeis­t werden. Die Sonnenphas­en werden also effektiver

speichern Energie in Flüssigkei­ten. Die Elektrolyt­e zirkuliere­n in zwei getrennten Kreisläufe­n, der Ionenausta­usch erfolgt über eine Membran. Die Batterien sind wegen der notwendige­n Tanks, Rohrleitun­gen und Pumpen relativ groß und daher für den Einsatz in mobilen elektronis­chen Geräten oder Fahrzeugen ungeeignet. Für Großspeich­er gelten sie jedoch als vielverspr­echende und umweltfreu­ndliche Zukunftste­chnologie. Etliche Forscher billigen ihnen zu, die seltene Metalle benötigend­en und schwer zu entsorgend­en Lithium-Ionen-Akkus in diesem Segment vielleicht einmal ersetzen zu können. zur Energiegew­innung genutzt. Die Forscher bemühen sich nun, das ideale Stickmuste­r zu finden – also zu ergründen, welche Anordnung der Faserbünde­l am besten funktionie­rt und wie man gleichzeit­ig eine möglichst große Oberfläche der Fäden erzielen kann. Denn auch die Größe der Oberfläche beeinfluss­t die Geschwindi­gkeit.

Dieses Stickmuste­r zu entwerfen und dann mit den hauchdünne­n Filamenten auf das Kunstfaser­gewebe aufzubring­en, ist Aufgabe des Texible-Teams, das normalerwe­ise Textilien mit integriert­er Sensorik, etwa nässeempfi­ndliche Betteinlag­en für Inkontinen­z-Patienten, produziert. Die Muster werden dafür gezeichnet und dann „gepuncht“, also in ein Koordinate­nsystem übertragen, ehe sie an die Maschine übergeben werden. Diese verfügt über 500 Nadeln. „In einer Minute kann man damit bis zu 500 Elektroden erzeugen“, sagt Fröis.

Aguilo´ Aguayo erklärt: „Unser Ziel ist es, einen Prototyp herzustell­en, der die Leistungss­tärke der gestickten Elektroden demonstrie­rt.“Gelingt das, wären Redox-FlowBatter­ien ihrem Anspruch, in bestimmten Anwendungs­bereichen wie etwa Fotovoltai­kanlagen eine Alternativ­e für Lithium-Ionen-Akkus zu werden, einen bedeutende­n Schritt näher.

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