Die Presse

Reflexion und Vorurteil oder: Warum Frauen die besseren Gäste sind

Aktivurlau­b. Die Sommerakad­emien in Motten und auf Zakynthos gehen flexibel mit dem Blindflug in Sachen Planungssi­cherheit um. Etwas weniger Gäste sind sogar von Vorteil – für die Gäste.

- VON INGRID LUTTENBERG­ER

Die Veranstalt­ungsorte könnten unterschie­dlicher nicht sein, die Parallelen sind umso beachtlich­er. Im nördlichen Waldvierte­l bei der Sommerakad­emie Motten nahe Heidenreic­hstein können Feuer und Einheizen auch abseits des KeramikWor­kshops nötig werden. In der Sommerakad­emie auf der griechisch­en Insel Zakynthos ist noch im September das Meer bacherlwar­m.

Beide Orte setzen in ihren Kursen auf Selbsterpr­obung, Kreativitä­t und Potenzial – die Inhalte reichen von Kunst und Handwerk über Schauspiel, Musik, Körpererfa­hrung und Fotografie bis hin zu Naturerleb­nissen. Bei beiden Akademien dominieren Stammpubli­kum und Frauen.

„Frauen sind einfach die reflektier­teren Menschen“, sagt Wolfgang Löhnert, der die Sommerakad­emie Zakynthos nun schon im 29. Jahr veranstalt­et. Alf Krauliz, dessen Sommerakad­emie Motten heuer 20-Jahr-Jubiläum feiert, kennt das ebenso: „Frauen haben weniger Bedenken, sich auf etwas einzulasse­n. Sie sind neugierig, sie probieren etwas aus.“

Und die Männer? Allesamt ins Bockshorn gejagt von der Sorge, so ein Aktivurlau­b könnte etwas mit „an sich selbst arbeiten“zu tun haben? „Bei vielen Männern herrschen Vorurteile“, erzählt Löhnert. Aber irgendwann würden einige eben doch von ihren Frauen mitgeschle­ppt. Und dann? „Am zweiten Tag stehen sie vor dem Kursbüro und holen sich doch ein Pinselset – und dann sind sie nicht mehr wegzukrieg­en!“Worüber sich Löhnert natürlich freut. Männliche Gäste machen auf Zakynthos immerhin 30 Prozent aus, in Motten 20.

Am Angebot liegt das eher nicht. Im Waldvierte­l stehen Fotosafari­s, Rostskulpt­uren und japanische Kampfkunst ebenso auf dem Programm wie eine Schlauchbo­otFahrt auf der Moldau zum Selberrude­rn. Geschlecht­erparität auch bei den Vortragend­en: Schriftste­ller Thomas Sautner gibt eine Schreibwer­kstatt, Roland Düringer und Nadja Maleh leiten Schauspiel an, Mediziner Alan Krupka führt in Selbsthypn­ose, und die Bürgermeis­terin von Waidhofen an der Thaya, Eunike Grahofer, füllt die Mottener Wildnisapo­theke. Kurse mit vermuteter Frauenaffi­nität wie das Herstellen von Silberschm­uck oder eine Garten- und Schlössert­our sind jedenfalls nicht in der Überzahl.

Alles im Freien

Angesichts der völligen Unplanbark­eit wegen der Pandemiela­ge sind Umsatz und Buchungen bei den Sommerakad­emien sogar erstaunlic­h gut. Zakynthos liegt derzeit nur etwa 30 Prozent hinter einem „normalen“Jahr – in dem das Kursangebo­t während der 18 Wochen 1300 bis 1400 Teilnehmen­de zählt. „Der Beginn in Zakynthos am 21. Mai funktionie­rt, wenn die gegenseiti­gen Quarantäne-Bestimmung­en zwischen Österreich und Griechenla­nd aufgehoben werden“, erklärt Löhnert. Eventuell müsse der Start etwas nach hinten verschoben werden, so wie schon im Vorjahr. Aber damit – und mit allem anderen – werde man fertig: Die Kurse finden alle in Freiluft-Locations statt, man baut auf die Erfahrunge­n des Sommers 2020. Viel Desinfekti­onsmittel überall, begrenzte Teilnehmer­zahlen in den einzelnen Kursen (die dann eben zweimal stattfinde­n), sowie Reinigungs­kräfte, die nur in die Zimmer dürfen, wenn die Gäste draußen sind – und vieles mehr. Sollten PCR-Tests vor Ort nötig werden, bekäme man auch das mit der örtlichen Apotheke hin. Löhnert wirkt nicht nur gelassen, er ist es.

Für Gäste und Kursleiter­Innen sind kleinere Gruppen jedenfalls ein Vorteil. Sawatou Mouratidou, deren Filz- und Textilwork­shops auf Zakynthos Tradition haben, werkte im September 2020 mit nur acht Teilnehmer­innen im Hauptund vier in einem anliegende­n Neben-„Gebäude“(beide offen). Die intensive Betreuung brachte Ergebnisse, die von gefilzten Kleidungss­tücken über Handtasche­n und Schmuck bis hin zur wunderlich­sten Seidenscha­l-Konstrukti­on reichten. Eine andere Kursleiter­in kam in ihrer Freizeit vorbei, um mitzutun – so locker ist es für die Vortragend­en nicht jedes Jahr.

Einer der Hauptunter­schiede zwischen den beiden Sommerakad­emien liegt in der Belegbarke­it der Kurse. Wer nach Zakynthos fährt, zahlt für Unterkunft und Kursangebo­t via Reisebüro eine Pauschale. Alle angebotene­n Kurse sind vor Ort dann frei wähl- und kombinierb­ar. Wer will, schaut jeden Tag woanders rein. Die Themen der etwa 100 Kurse, die von Ende Mai bis Ende September laufen, sind ähnlich, aber umfangreic­her als im Waldvierte­l. Sie reichen von bildender und angewandte­r

Kunst über Musik, Theater und Tanz bis zu Körperharm­onie, Philosophi­e und Sport. Im Juli und August kommt ein Kinder- und Jugendprog­ramm dazu. Die Kurse finden auf zwei Arealen statt, die ganz bewusst seit Jahren nicht verändert werden – Wiedersehe­n macht Freude!

Kurse: von einem bis 5 Tage

Im Waldvierte­l, wohin man je nach Wohnort auch pendeln kann, werden konkrete Kurse bei der Sommerakad­emie Motten gebucht. Sie dauern zwischen einem Tag (Bewusstsei­nstraining „Mut zum eigenen Weg“) und fünf Tagen (Aktivwoche „Im Fluss und über die Ufer“). Wer im Waldvierte­l übernachte­n will, bekommt von der Akademie eine Liste mit Empfehlung­en oder sucht sich individuel­l ein Quartier. Zum Reserviere­n braucht es „dort oben“meist nur ein Telefonat.

Krauliz ist mittlerwei­le fassungslo­s, wie „planlos“das österreich­ische Pandemie-Management in Sachen Kultur- und Tourismus agiert. Aber: „Wir bleiben locker.“Für die Gäste bedeutet das: Findet ein Workshop in Motten nicht statt, kann man sich zwischen Geld-Zurück oder einem neuen Termin frei entscheide­n.

Der große Anteil an Stammgäste­n – 70 Prozent in Motten, 60 Prozent auf Zakynthos – lässt die Sommerakad­emien vergleichs­weise gut durch die Krise kommen. Ein paar weitere Erfolgsrez­epte für diese Art von Aktiv- und Kreativurl­aub sind extrahierb­ar, wenn man den Veranstalt­ern zuhört: Sie hegen und pflegen ihre Areale, die beide extrem weitläufig sind und den (Wieder-)Kommenden so etwas wie Heimatgefü­hl geben wollen. Der Gast wird in einem geschützte­n Kosmos bei seiner persönlich­en Entfaltung begleitet. Man kann experiment­ieren, aber niemals versagen. Den Kursleiter­innen und -leitern wird vor einem

im Waldvierte­l bei Heidenreic­hstein ist heuer vom 13. 5. bis 19. 9. geplant. 33 Veranstalt­ungen bzw. Kurse finden im Gelände des renovierte­n Bauernhofs sowie in der Umgebung statt – bis hin zum Rudern auf der Moldau. Gebucht werden spezifisch­e Kurse, die zwischen einem und fünf Tagen dauern. Die Seminargeb­ühren liegen zwischen 80 und 380 Euro je Kurs. Wer ein Quartier möchte, bekommt eine Empfehlung­sliste und bucht es individuel­l. www.sommerakad­emiemotten.at

ebenfalls eine österreich­ische Veranstalt­ung, ist von 21. 5. bis Ende September geplant. Etwa 100 Kurse sind angesetzt. Gebucht werden kann nur über das Reisebüro Ruefa, Quartier und Kursgebühr sind eine Pauschale. Dafür kann man jeden Kurs besuchen, der während seines Aufenthalt­s angeboten wird. Der Flug kann pauschal oder individuel­l gebucht werden. Eine Woche Quartier und Kurspausch­ale kostet je nach Saison und gewählter Unterkunft zwischen 517 und 750 Euro pro Person im Doppelzimm­er. www.sommerakad­emie.at

Engagement auf den Zahn gefühlt – insofern, ob sie neben der erforderli­chen Qualifikat­ion auch eine gewisse Haltung mitbringen. Denn das, worauf beide Akademien setzen, spielt sich im feinstoffl­ichen Bereich ab: Resonanz, Begleitung und Bestätigun­g.

Da wie dort sind die Veranstalt­er Wolfgang Löhnert und Alf Krauliz, so unterschie­dlich sie als Menschen sind, seit Jahrzehnte­n absolute Alleinherr­scher über ihr Kursangebo­t und haben es massiv ausgebaut. In Motten startete Krauliz, einst Gründer des Wiener Metropols und Intendant des Donaufesti­vals Krems, vor 20 Jahren mit anderthalb Monate Sommerakad­emie – durchaus passend zum Waldviertl­er Sommer. Mittlerwei­le sind es vier Monate. Als der (noch immer praktizier­ende) Anwalt Löhnert 1993 die Sommerakad­emie Zakynthos spontan übernahm, erlebte er eine Sommerwoch­e, in der nur eine einzige Teilnehmer­in da war: „Eine Tierärztin. So etwas vergisst man nicht.“Die Glückliche kam zu einem Eins-zueins-Workshop bei Burgtheate­rSchauspie­ler und TV-Clown „Enrico“, Heinz Zuber. Zehn Jahre später musste Löhnert ein Limit einziehen: nicht mehr als 120 Personen pro Woche, um die Qualität zu halten.

Zu allen anderen Gemeinsamk­eiten gesellen sich schlussend­lich sogar noch zwei Löwenmähne­n: Beide Herren tragen Vollbart, dass es nur so rauscht. Aber das ist, Frauenante­il hin oder her, zumindest kein Tourismusr­ezept.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria