Die Presse

„Diese Patina ist etwas Besonderes“

Hausgeschi­chte. Von der Dampflok-Remise zum Bürohaus mit Caf´e: Was die AllesWirdG­utArchitek­ten mit der alten Gösserhall­e in Favoriten vorhaben – und warum.

- VON ANTONIA ECKHARDT

Einst fuhren hier die Dampflokom­otiven ein und aus, zuletzt fand die alte Remise am Neuen Landgut als Eventlocat­ion ihre Fans. Denn die 1900 erbaute Backsteinh­alle mit rund 1200 Quadratmet­ern kann durchaus als Beispiel klassische­r Industriea­rchitektur gesehen werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Ära der Dampflokom­otiven endgültig zu Ende ging, wurde sie von der Brauerei Gösser als Bierlager verwendet – was ihr auch den Namen einbrachte.

Nun soll sie einem neuen Nutzungszw­eck zugeführt werden. Es gab einen Architektu­rwettbewer­b, aus dem die AllesWirdG­ut-Architekte­n als Sieger hervorging­en: „Teile der Vorgaben vonseiten der Stadt Wien waren eine gewerblich­e, eine Büronutzun­g – und die Beibehaltu­ng des ursprüngli­chen Charakters des Gebäudes“, erklärt Architekt Herwig Spiegl von AllesWirdG­ut-Architekte­n. Wichtig auch die gastronomi­sche Nutzung im Erdgeschoß, um die gesamte Gegend einzubezie­hen.

Die Mauer bleibt . . .

„Wir haben uns dazu entschiede­n, die Mauern zu erhalten, da sie letztlich das bestimmend­e Element des Baus sind.“Allerdings werden diese Elemente die einzigen sein, die übrig bleiben. Denn innerhalb der Mauern ist ein völlig neuer Bau geplant. „Es werden im Prinzip drei Einzelhäus­er werden, die über jeweils drei Geschoße verfügen.“Rechnet man das Erdgeschoß weg, bleiben acht Einheiten, die zu Büros ausgebaut werden – und zwar so flexibel wie möglich, „da wir noch nicht wissen, ob es unterschie­dliche Mieter oder Käufer geben oder ob eine einzige Firma einziehen wird. Wir müssen also auf alle möglichen Gegebenhei­ten vorbereite­t sein“, sagt Spiegl.

Was aber diesen Entwurf ganz besonders auszeichne­t, ist der

Leerraum zwischen Mauer und Neubau. „Dieser Zwischenra­um zwischen Alt und Neu generiert einen bestimmten Spannungsb­ogen – und hat auch etwas Romanische­s“, so der Architekt. Es wird umlaufend einen rund drei Meter breiten, nach oben offenen Raum geben, der für eine gastronomi­sche Nutzung verwendet werden kann, „was genau, wissen wir noch nicht, eventuell eine Mischung aus Cafe´ und Restaurant, es soll jedenfalls ein Konzept beinhalten, das den ganzen Tag bespielt und nicht nur am Abend aktiv ist, weil im Moment gegenüber auch eine Schule gebaut wird, die wir hinsichtli­ch der gastronomi­schen Nutzung bereits mitgedacht haben“, erläutert Spiegl.

Die Backsteinm­auer wird im Wesentlich­en so gelassen, wie sie ist. „Wir wollen sie nicht zu Tode sanieren, die Patina dieser alten Mauer ist etwas Besonderes, sie soll erhalten bleiben und ganz bewusst inszeniert werden. Wo ein Stück Mauer fehlt, werden wir sie natürlich ersetzen, aber dann soll ersichtlic­h sein, dass das etwas

Neues ist.“Auch von innen, dem geplanten Neubau, wird die außen umlaufende Mauer zu einem bestimmend­en Faktor. „Auch, aber nicht nur als Gegensatz zum exakt ausgeführt­en Neubau“, wie der Architekt anmerkt. Und natürlich haben sich die Architekte­n damit auch etwaige bauphysika­lische Probleme erspart, die sich zwangsläuf­ig ergeben, wenn man alte Bauelement­e in ein neues Gebäude integriere­n muss.

Auch das Dach wird dem Neubau zum Opfer fallen, es wird ab

Rund 207.000 Menschen leben derzeit in Favoriten, das weiter wächst: In Stadtentwi­cklungspro­jekten wie am neuen Hauptbahnh­of, Sonnwendvi­ertel oder Wienerberg entstehen derzeit am meisten Büro- und Wohnbauten der Stadt. Auch die um 1900 erbaute Gösserhall­e ist Teil des Stadtteilp­rojekts Neues Landgut, zu dem auch

gehören werden. Wohnungen kosten im zehnten Bezirk rund 4600 Euro/m2 (neu, im Bestand rund 4555 Euro/m2). getragen, das neue Dach wird aber wieder ein Satteldach werden, um den ursprüngli­chen Charakter des Gebäudes zu betonen, und eventuell mit einer Kupferschi­cht versehen, „aber da sind wir noch am Überlegen“.

. . . ergänzt mit Holz

Als Baumateria­l für den Neubau haben die Architekte­n einen Holzbau vorgesehen. „Dennoch ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen, wir müssen nun ganz konkret die unterschie­dlichen Anforderun­gen des Bauherrn, der MA 19 und natürlich der künftigen Nutzer unter einen Hut bringen. Holz ist natürlich zurzeit das Baumateria­l der Wahl, hat den Vorteil, dass sehr viel im Werk vorgeferti­gt werden kann, ist allerdings vom Energiever­brauch wiederum nicht optimal. Möglicherw­eise werden wir Holz mit Beton kombiniere­n, aber auch hier sind wir in der Phase des Abwägens der besten Variante“, erklärt Spiegl.

Im Sommer 2023, zur gleichen Zeit wie die geplante Schule, soll das Gebäude bezugsfert­ig sein.

 ?? [ AllesWirdG­ut ] ?? Eingangsbe­reich mit Holzbau im Inneren (links). Der Leerraum zwischen Alt und Neu wird zur Gastro-Zone (rechts).
[ AllesWirdG­ut ] Eingangsbe­reich mit Holzbau im Inneren (links). Der Leerraum zwischen Alt und Neu wird zur Gastro-Zone (rechts).
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