„Diese Patina ist etwas Besonderes“
Hausgeschichte. Von der Dampflok-Remise zum Bürohaus mit Caf´e: Was die AllesWirdGutArchitekten mit der alten Gösserhalle in Favoriten vorhaben – und warum.
Einst fuhren hier die Dampflokomotiven ein und aus, zuletzt fand die alte Remise am Neuen Landgut als Eventlocation ihre Fans. Denn die 1900 erbaute Backsteinhalle mit rund 1200 Quadratmetern kann durchaus als Beispiel klassischer Industriearchitektur gesehen werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Ära der Dampflokomotiven endgültig zu Ende ging, wurde sie von der Brauerei Gösser als Bierlager verwendet – was ihr auch den Namen einbrachte.
Nun soll sie einem neuen Nutzungszweck zugeführt werden. Es gab einen Architekturwettbewerb, aus dem die AllesWirdGut-Architekten als Sieger hervorgingen: „Teile der Vorgaben vonseiten der Stadt Wien waren eine gewerbliche, eine Büronutzung – und die Beibehaltung des ursprünglichen Charakters des Gebäudes“, erklärt Architekt Herwig Spiegl von AllesWirdGut-Architekten. Wichtig auch die gastronomische Nutzung im Erdgeschoß, um die gesamte Gegend einzubeziehen.
Die Mauer bleibt . . .
„Wir haben uns dazu entschieden, die Mauern zu erhalten, da sie letztlich das bestimmende Element des Baus sind.“Allerdings werden diese Elemente die einzigen sein, die übrig bleiben. Denn innerhalb der Mauern ist ein völlig neuer Bau geplant. „Es werden im Prinzip drei Einzelhäuser werden, die über jeweils drei Geschoße verfügen.“Rechnet man das Erdgeschoß weg, bleiben acht Einheiten, die zu Büros ausgebaut werden – und zwar so flexibel wie möglich, „da wir noch nicht wissen, ob es unterschiedliche Mieter oder Käufer geben oder ob eine einzige Firma einziehen wird. Wir müssen also auf alle möglichen Gegebenheiten vorbereitet sein“, sagt Spiegl.
Was aber diesen Entwurf ganz besonders auszeichnet, ist der
Leerraum zwischen Mauer und Neubau. „Dieser Zwischenraum zwischen Alt und Neu generiert einen bestimmten Spannungsbogen – und hat auch etwas Romanisches“, so der Architekt. Es wird umlaufend einen rund drei Meter breiten, nach oben offenen Raum geben, der für eine gastronomische Nutzung verwendet werden kann, „was genau, wissen wir noch nicht, eventuell eine Mischung aus Cafe´ und Restaurant, es soll jedenfalls ein Konzept beinhalten, das den ganzen Tag bespielt und nicht nur am Abend aktiv ist, weil im Moment gegenüber auch eine Schule gebaut wird, die wir hinsichtlich der gastronomischen Nutzung bereits mitgedacht haben“, erläutert Spiegl.
Die Backsteinmauer wird im Wesentlichen so gelassen, wie sie ist. „Wir wollen sie nicht zu Tode sanieren, die Patina dieser alten Mauer ist etwas Besonderes, sie soll erhalten bleiben und ganz bewusst inszeniert werden. Wo ein Stück Mauer fehlt, werden wir sie natürlich ersetzen, aber dann soll ersichtlich sein, dass das etwas
Neues ist.“Auch von innen, dem geplanten Neubau, wird die außen umlaufende Mauer zu einem bestimmenden Faktor. „Auch, aber nicht nur als Gegensatz zum exakt ausgeführten Neubau“, wie der Architekt anmerkt. Und natürlich haben sich die Architekten damit auch etwaige bauphysikalische Probleme erspart, die sich zwangsläufig ergeben, wenn man alte Bauelemente in ein neues Gebäude integrieren muss.
Auch das Dach wird dem Neubau zum Opfer fallen, es wird ab
Rund 207.000 Menschen leben derzeit in Favoriten, das weiter wächst: In Stadtentwicklungsprojekten wie am neuen Hauptbahnhof, Sonnwendviertel oder Wienerberg entstehen derzeit am meisten Büro- und Wohnbauten der Stadt. Auch die um 1900 erbaute Gösserhalle ist Teil des Stadtteilprojekts Neues Landgut, zu dem auch
gehören werden. Wohnungen kosten im zehnten Bezirk rund 4600 Euro/m2 (neu, im Bestand rund 4555 Euro/m2). getragen, das neue Dach wird aber wieder ein Satteldach werden, um den ursprünglichen Charakter des Gebäudes zu betonen, und eventuell mit einer Kupferschicht versehen, „aber da sind wir noch am Überlegen“.
. . . ergänzt mit Holz
Als Baumaterial für den Neubau haben die Architekten einen Holzbau vorgesehen. „Dennoch ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen, wir müssen nun ganz konkret die unterschiedlichen Anforderungen des Bauherrn, der MA 19 und natürlich der künftigen Nutzer unter einen Hut bringen. Holz ist natürlich zurzeit das Baumaterial der Wahl, hat den Vorteil, dass sehr viel im Werk vorgefertigt werden kann, ist allerdings vom Energieverbrauch wiederum nicht optimal. Möglicherweise werden wir Holz mit Beton kombinieren, aber auch hier sind wir in der Phase des Abwägens der besten Variante“, erklärt Spiegl.
Im Sommer 2023, zur gleichen Zeit wie die geplante Schule, soll das Gebäude bezugsfertig sein.