„Ein Fenster heizt wie ein Föhn“
Fassaden. Die Sommer werden immer heißer, und viele Häuser sind dafür nicht ausgelegt. Was tun, um Lebensqualität und Ressourcenschonung langfristig in Einklang zu bringen?
Die größte Schwachstelle der Häuser, was die Wärmeentwicklung betrifft, sind eindeutig die Fenster“, konstatiert Azra Korjenic, Leiterin des Forschungsbereichs Ökologische Bautechnologien der TU Wien, und ist sich damit mit nahezu allen Experten einig. „Maßnahme Nummer eins ist die Beschattung der Fenster. Ein anschauliches Bild: Ein Quadratmeter südseitiges Fenster heizt so viel wie ein ständig eingeschalteter Haarföhn“, erläutert Klaus Haberfellner, Geschäftsführer der Austrotherm GmbH. „Ein verglastes Haus ist per se unökologisch“, geht Architekt Klaus-Jürgen Bauer gedanklich noch einen Schritt weiter.
Teufelskreis Klimaanlage
Die zurzeit vermutlich am meisten praktizierte Methode, einfach die oft nachträglich eingebaute Klimaanlage auf höchste Stufe zu stellen, wird von allen Experten als dauerhafte Lösung einstimmig abgelehnt. „Das braucht wieder Energie – die nicht nur Geld kostet, sondern die Klimakrise durch den CO2-Ausstoß zusätzlich verstärkt. Interessanterweise verbraucht Kühlung nämlich sogar mehr Energie als Heizung“, bringt Haberfellner die Problematik auf den Punkt, ganz zu schweigen von den möglichen gesundheitsschädlichen Auswirkungen. Und die heiße Luft, die aus den Wohnungen nach draußen geblasen wird, heizt in Summe auch die Umgebung zusätzlich weiter auf – ein Teufelskreis.
Was also tun, um unsere Häuser nachhaltig und sinnvoll kühler zu machen? Unsere berühmten Gründerzeithäuser sind gegen die Hitze allein aufgrund der dicken Ziegelmauern nicht so anfällig wie Neubauten – und vor allem Neubauten mit viel Glas, die zwar architektonisch sehr ansprechend sind, aber zum Sorgenkind werden, wenn es um heiße Sommer geht. „Ein effizienter Hitzeschutz muss an der Außenseite angebracht werden“, erklärt Bauer. „Nur ein außen liegender Schutz ist wirklich wirksam“, ergänzt Korjenic, denn nur so kann die Strahlung abgeblockt werden. „Eine gute Außendämmung fängt einen großen Teil der Hitze ab“, erklärt auch der Geschäftsführer der Austrotherm. Eine Fassade außen zu dämmen ist angesichts der vielen Materialien, die auf dem Markt sind, also nicht das große Problem. Wobei natürliche Materialien vorzuziehen sind, wie Holzfasern, Hanf, Stroh oder Zellulose, da sie ökologisch verträglicher, unbegrenzt verfügbar und wiederverwertbar sind.
Grüne Herausforderung
Natürlich sind auch Begrünungen der Fassade ein guter Hitzeschutz. Aber das ist offensichtlich nur ein kleiner Teil des Problems. „Begrünungen der Fassade können vor Hitze schützen, wenn sie richtig geplant und angebracht sind“, erklärt Korjenic. Doch diese erfassen meist nicht die Fenster. „Wir arbeiten zurzeit an zwei Projekten mit, eines beschäftigt sich mit verschiebbaren Elementen, die vor die Fenster gezogen werden können, eines mit unterschiedlichen Pflanzen, die zwar im Sommer üppig grün sind, im Winter dagegen nicht und damit genug Licht und Wärme in den Raum lassen“, führt Korjenic weiter aus.
Rollos gut, Läden perfekt
Man muss also in erster Linie das Problem mit den Verglasungen in den Griff bekommen. Natürlich ist auch Isolierglas eine Option. Es gibt unterschiedliche Beschichtungen, die das Sonnenlicht reflektieren, es gibt Modelle mit
ist wie Heizen ein Maßnahmenpaket, das langfristig angelegt sein sollte, um nicht nur Geld, sondern auch Ressourcen zu sparen. Dazu kann eine gut eingestellte Klimaanlage durchaus ihre Mitberechtigung in absoluten Spitzenzeiten haben. Als Einzelmaßnahme ist sie aber abzulehnen. Effektiver sind vor allem Läden, Außenrollos, Isolierung und helle Farben an der Fassade sowie Begrünung – auch der gesamten Umgebung.
Edelgas zwischen den Scheiben, die das Gleiche bewirken sollen. Die Bautechnologin und Bauphysikerin Korjenic zeigt sich davon nicht unbedingt begeistert: „Ich halte eine Beschattung mit außen liegenden Rollos oder Klapp- oder Schiebeläden – am besten aus Holz mit verschiebbaren Lamellen, wie es fast überall im Süden schon sehr lang üblich ist – für die beste Option, da sie sowohl in Winternächten als auch an Sommertagen wärmetechnisch sehr effektiv sind.“Auch Architekt Bauer zeigt sich Isolierglas gegenüber skeptisch: „Das mag zwar kurzfristig helfen, aber diese Scheiben halten nicht allzu lang. Wenn die Dichtung porös wird und das Edelgas austritt, ist die Wirkung der Isolierung verschwunden und ich muss die gesamte Glasscheibe entsorgen. Eine unglaubliche Verschwendung an Ressourcen. Wir zerstören sozusagen den Planeten, damit wir unsere Fenster dicht bekommen.“
Das Umfeld bedenken
Die Frage ist, wie man diesen Spagat zwischen architektonischem Anspruch, dem Bauen mit viel Glas, und der zunehmenden Erwärmung der Sommer schaffen kann. Viel Glas ist schön, zu viel Glas scheint zu einem Problem zu werden. Das Vernünftigste scheint zu sein, dem Ganzen in unterschiedlichen Schritten zu Leibe zu rücken: einerseits einen außen liegenden Hitzeschutz für die Fassade zu schaffen, andererseits für eine effektive Verschattung der Glaselemente zu sorgen.
Sowohl Korjenic als auch Bauer plädieren aber auch dafür, diese Problematik ganzheitlich zu betrachten. „Manchmal ist etwas, was für das Haus gut ist, zum Beispiel für die Straße oder die Umgebung schlecht“, meint Korjenic. Und Bauer ergänzt: „Eine Beschattung der ganzen Straße durch Bäume kann oft sinnvoller sein als ein einseitiger Hitzeschutz für ein einzelnes Gebäude.“
„Wir sollten wohl auch wieder anfangen, ganzheitlicher und nachhaltiger zu denken – in längeren Zyklen – und auch bautechnisch ein wenig an die Vergangenheit und die lange Erfahrung, die mit dem Bauen verbunden ist, anknüpfen“, appelliert Bauer nicht zuletzt an die Vernunft aller, die mit Bauen zu tun haben.