Bauen für das Klima
Architektur. Begrünte Fassaden und Dächer reduzieren den städtischen Wärmeeffekt. Wie man dabei vorgeht, zeigen drei aktuelle Beispiele aus Wien, Graz und Düsseldorf.
In Europa leben bereits rund drei Viertel der Bevölkerung in Städten. Die Bebauung wird immer dichter, Grünflächen nehmen sukzessive ab. Um dem Klimawandel im städtischen Raum in den Griff zu bekommen, gilt es an der Beschaffenheit urbaner Oberflächen anzusetzen – auch bei Gewerbeimmobilien.
Mehr Grün kann Stadtquartiere kühlen helfen, das Mikroklima verbessern und zum Artenschutz beitragen. Während es bei Beton, Ziegeln oder Glas zu umfassenden Erwärmungen und Reflexionen kommt, setzen Blätter Feuchtigkeit frei, die verdampft und die Umgebung kühlt. Die Pufferfunktion von Pflanzen „erhöht die Lebensdauer von Gebäuden, da es zu keinen extremen Temperaturschwankungen kommt“, sagt Elisabeth Gruchmann von GrünStattGrau, dem Innovationslabor für Bauwerksbegrünung. „Untersuchungen zeigen, dass sich ein begrünter Straßenraum im Vergleich zu einem nicht begrünten um 13 Grad kühler anfühlt“, konstatiert die Expertin.
160 Bäume für Ikea
Am Wiener Westbahnhof ist Ikea gerade dabei, ein neues Einrichtungshaus zu bauen, an dessen vier Fassaden Bäume gepflanzt werden. Das Gebäude erstreckt sich über sieben Stockwerke, in den beiden obersten zieht ein Hotel ein. Kaufen kann man nur tragbare Artikel, die man in der U-Bahn, zu Fuß oder mit dem Rad mitnehmen kann. Eröffnet wird das Haus Ende August 2021.
Am Anfang der Planung standen ein Ideenwettbewerb und die Frage, was sich Menschen rund um den Standort wünschen. „Die Antwort war klar – einen innerstädtischen Park“, sagt Jakob Dunkl vom Architekturbüro Querkraft Architekten. „Insgesamt 160 Bäume werden einen deutlichen, positiven Einfluss auf das Mikroklima in der Umgebung haben. Mit den Bäumen auf der Dachterrasse entsteht eine kleine Oase mitten in der Stadt.“Die Bäume und Sträucher wachsen dabei aus überdimensionalen Pflanztöpfen und werden sensorgesteuert mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Der Fokus liegt auf einer Artenvielfalt in der Pflanzenauswahl, unterschiedlichen Vegetationsstrukturen, Bienen- und Vogelweiden sowie Nist- und Brutplätzen. Für das Projekt hat Ikea das weltweit erste Greenpass-Platinum-Zertifikat erhalten, einen internationalen Zertifizierungsstandard für Klimaresilienz. Sechs urbane Themenfelder mit Fokus auf den Freiraum werden dabei analysiert, optimiert und bewertet: Klima, Wasser, Luft, Biodiversität, Energie und Kosten. Die Ergebnisse der Greenpass Certification zeigen, dass das Projekt die Lufttemperatur vor Ort an einem typischen Hitzetag um bis zu 1,5 Grad abkühlt, die gefühlte Temperatur (PET) auf der Dachterrasse wird um mehr als zwölf Grad kühler wahrgenommen.
Büros im grünen Kleid
Europas größte Grünfassade mit über 30.000 Pflanzen prägt das Projekt Kö-Bogen II im Zentrum von Düsseldorf. Die begrünten
Terrassen und Dachflächen mit einer insgesamt acht Kilometer langen Hainbuchenhecke stellen einen Bezug zum nahe gelegenen Hofgarten mit seinen Magnolienbäumen her. Das Projekt besteht aus einem Geschäftshaus mit Einzelhandels- und Büroflächen so
und Dächer verbessern das Mikroklima, binden Kohlendioxid und regulieren die Luftfeuchtigkeit. Thermischer Komfort liegt in der Dämmfunktion, die Oberflächentemperatur auf Gründächern ist bei Sonneneinstrahlung um bis zu 50 Grad niedriger als bei Blechdächern.
Seit Anfang April gibt es eine
wie sie bereits länger für Dach- und Innenraumbegrünung existiert. So sollen qualitative Mindeststandards gesichert werden. wie einem separaten Gastronomiebereich. Kompositorisch sind die begrünten Fassaden des KöBogens der „Land Art“entlehnt. Auch das begehbare Schrägdach des gegenüberliegenden, zehn Meter hohen Baukörpers ist gänzlich begrünt. Mit der Hainbuche wurde eine heimische Pflanzenart, davon die laubhaltenden Pflanzen, ausgewählt. Der ökologische Nutzen der Hainbuchen entspricht dem von rund 80 ausgewachsenen Laubbäumen. Architekt Christoph Ingenhoven und sein Team haben es sich zur Aufgabe gesetzt, bei ihren Projekten die Bepflanzung aus dem lokalen Kontext heraus zu gestalten. Damit sie zum integralen Bestandteil des Entwurfs wird, besteht eine Kooperation mit Botaniker Karl-Heinz Strauch von der Beuth Hochschule für Technik, der für das phytotechnologische Konzept verantwortlich zeichnet.
Das Dach als Kräutergarten
Der 2020 eröffnete Merkur Campus, Headquarter der Merkur-Versicherung in Graz, vereint Innenraum-, Fassaden- und Dachbegrünung. Die Idee stammt vom Künstlerkollektiv SelfSightSeeing Company, für das Know-how zur Umsetzung wurde Garten- und Landschaftsarchitektin Gertraud Monsberger erst später an Bord geholt. „Der Rohbau war da bereits fertig, daher waren die statischen Möglichkeiten begrenzt“, unterstreicht sie den Stellenwert einer frühzeitigen Einbindung von Fachplanern. „Die Künstler hatten die Idee vom Berg auf dem Dach und einem See über der Tiefgarage“, erklärt sie. Beides sind Gründächer. Der Dachgarten wird für Veranstaltungen, als Pausenplatz für Mitarbeiter und Outdoorbereich für das hausinterne Fitnesscenter genutzt.
Das ursprünglich geplante Konzept der Felslandschaft wurde aus statischen Gründen ad acta gelegt. „Wir haben stattdessen unterschiedliche sanfte mediterrane Hügel modelliert“, berichtet Monsberger. Gepflanzt wurden Kräuter wie Salbei, Thymian, Majoran und Lavendel, aber auch Ginster mit Zwergkiefern. In den Gefäßen rund um die Mitarbeiterterrasse gedeihen Erdbeeren, Gojibeeren, Kiwi und Wein. Über der Tiefgarage erstreckt sich ein Schilffeld mit Begleitpflanzen, die sonst am Wasserrand wachsen. Dazwischen eingestreut liegen Boote als Sitzelemente und ein Holzdeck mit Sonnensegel.
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