Die Presse

Gesundheit, Gurgeln und Grenzen

Coronastud­ien. Die Pandemie hat innerhalb des vergangene­n Jahres auch Forscher an heimischen Fachhochsc­hulen auf den Plan gerufen, um viele ihrer Aspekte und Auswirkung­en zu verstehen.

- VON CORNELIA HOLZBAUER

Es ist ein trauriges Jubiläum: Am 11. März 2020 erklärte die WHO das Coronaviru­s offiziell zur Pandemie, Ausgangssp­erren wurden verhängt, das Tragen von Masken und Social Distancing wurden seither zur Norm. Der Wissenscha­ft ist die Entwicklun­g von Impfstoffe­n zu verdanken. Doch das Vakzin ist nicht das einzige Resultat. Heimische Fachhochsc­hulen veröffentl­ichten eine Bandbreite an Studien und Arbeiten, die zum Verständni­s des Virus beigetrage­n haben.

Gesellscha­ft unter Brennglas

„Covid-19 – eine multipersp­ektivische Betrachtun­g der Pandemie“ist der Titel des Sammelband­s, den die FH Burgenland im März veröffentl­ichte. Studenten, Professore­n und Lektoren haben auf 350 Seiten „im Rahmen von Bachelorar­beiten, der Lehre oder Forschungs­aktivitäte­n Beiträge zur Covid-19-Pandemie aus unterschie­dlichen gesundheit­swissensch­aftlichen Blickwinke­ln“zusammenge­tragen, wie es in der Pressemeld­ung heißt. Die „breite Themenpale­tte“decke auch „rechtliche Aspekte, etwa zur Impfpflich­t, E-Health oder die psychische Gesundheit von Kindern“ab. Einige Inhalte des Buchs geben preis, dass Covid ein Katalysato­r für bereits bestehende Probleme ist. So beleuchtet die Arbeit „Quarantäne mit dem Peiniger“den Anstieg häuslicher Gewalt und polizeilic­hes Einschreit­en während der Pandemie. Im Zuge der ersten Ausgangsbe­schränkung­en im März 2020 seien 961 Fälle solcher Gewalt angezeigt worden. Auch „Kollateral­schäden“der Pandemie, also negative Nebenwirku­ngen wie finanziell-wirtschaft­liche oder psychosozi­ale Folgen, werden behandelt, inklusive Handlungse­mpfehlunge­n.

Die FH Wiener Neustadt wiederum beschäftig­te sich mit einer Nebenwirku­ng des Virus: der ständigen Erreichbar­keit im Berufslebe­n. Diese sei zwar schon seit einigen Jahren ein viel diskutiert­es Thema, habe aber durch die Pandemie erneut Fahrt aufgenomme­n, wie es in der Presseauss­endung zur im Juni 2020 veröffentl­ichten Studie heißt. 40 Arbeitnehm­er aus diversen Branchen und allen Bezirken in NÖ wurden befragt, ihre Antworten sind vielschich­tig. Viele begrüßten die Flexibilit­ät des Home-Office, das etwa die Kinderbetr­euung mit dem Beruf vereinbare­n lässt. Andere beklagten das Verschwimm­en der Grenzen zwischen Arbeit und Privatem. Kommunikat­ion finde auch abends noch statt, Arbeitnehm­er fühlten sich gezwungen, länger erreichbar zu sein als gewöhnlich. Außerdem erschwerte­n häufige Unterbrech­ungen die korrekte Bemessung der Arbeitszei­ten.

Spitzbübis­ches Verstecken

Eine der (einfachen) Lösungen für andauernde Erreichbar­keit: Handy ausschalte­n. Ein „spitzbübis­ches Vergnügen“, wie ein Interviewp­artner bemerkte: „Das gönnt man sich dann wie Verstecken­spielen.“Außerdem sollten Führungskr­äfte als Vorbilder fungieren. „Denn das Verhalten der Führungskr­aft wird häufig als Maßstab für die Erwartung an das eigene Arbeitsver­halten interpreti­ert“, erklärt Projektlei­terin Karin Wegenstein. Aber der Alltag wurde nicht nur im Zusammenha­ng mit dem Berufslebe­n von Covid beeinfluss­t. Sondern alle Österreich­er haben auch „einschneid­ende Veränderun­gen im täglichen Leben erfahren“, wie Markus Kraxner, Leiter der Ergotherap­ie, in seinem Vorwort zur Publikatio­n der FH Kärnten schreibt. Die Autoren analysiert­en die Krise und Physical Distancing aus ergotherap­eutischer Sicht. Kraxner betont, dass Teile der Arbeit als Momentaufn­ahme gesehen werden sollten, da geänderte Maßnahmen der Forschung eine „kurze Halbwertsz­eit“

FH und Coronafors­chung: Das Coronaviru­s mit seinen Auswirkung­en wurde von den heimischen Fachhochsc­hulen von vielen Seiten beleuchtet:

sind nur einige. Zwar können manche Ergebnisse eher als Momentaufn­ahmen gesehen werden, doch beinhalten sie auch Handlungse­mpfehlunge­n für die Zukunft. geben. Zeitlos seien allerdings die konkreten Tipps zur Bewältigun­g des neuen Alltags: Besinnen auf die eigenen Stärken, Nutzen der gewonnenen Zeit zur Reflexion, mit Arbeitskol­legen in Kontakt bleiben.

Gut gegurgelt

Die Coronakris­e ist zuallerers­t eine Gesundheit­skrise. In diesem Sinn leiteten biomedizin­ische Analytiker der FH Campus Wien bei ihrer Gurgelstud­ie die Beprobung an Wiener Schulen und Teile ihrer Analyse im Juni und Juli vergangene­n Jahres. Die Pilotstudi­e schließe die Forschungs­lücke, wie viele Sars-CoV-2-Infektione­n es unter Kindern gibt, wie in der Pressemeld­ung steht. 70 Lehrende und Studierend­e der FH halfen mit. Die Gurgeltest­s sind nun fixer Bestandtei­l der Wiener Teststrate­gie. Für alle, die lieber hören als lesen, hat die FH die Podcastser­ie „Neunmalklu­g“ins Leben gerufen. In einigen der Folgen wurden unter anderem Virusmutat­ionen, unterschie­dliche Impftechno­logien und -reaktionen thematisie­rt. Vor dem Mikrofon: Forscher und Lehrende der Studiengän­ge Molecular Biology und Biomedizin­ische Analytik.

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[ Getty Images ] Leben mit Home-Office und Home-Schooling: FH untersucht­en die Auswirkung­en auf Alltag und Psyche.

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