Neue Therapien gegen Covid-19 setzen früher an
Antivirale Wirkstoffe, monoklonale Antikörper und Cortison – je nach Stadium der Infektion stehen mittlerweile zahlreiche Behandlungsmethoden zur Verfügung.
Wien. Parallel zu den weltweit fortschreitenden Impfprogrammen sowie zur Entwicklung weiterer Impfstoffe wird laufend auch an neuen Therapieformen gegen Covid-19 geforscht. Dabei ist der Erkenntnisgewinn in den vergangenen Monaten beachtlich, insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts der Verabreichung von Medikamenten.
Denn konzentrierten sich die bisherigen Behandlungen vor allem darauf, Todesfälle zu vermeiden, setzen die neuesten Methoden in einem frühen Stadium an – mit dem Ziel, schwere Krankheitsverläufe und Spitalsaufenthalte gar nicht erst zuzulassen.
Antivirale Wirkstoffe
Für die effektive Behandlung von Covid-19 gibt es im Wesentlichen zwei Zeitfenster – die ersten 72 Stunden nach Auftreten erster Symptome und die Phase danach. Zu Beginn kommen hauptsächlich Wirkstoffe infrage, die die Virusvermehrung verhindern sollen – etwa durch die Blockade des Andockens des Virus an die menschlichen Zellen.
Große Hoffnungen ruhen unter anderem auf der Kombination zweier Präparate – dem einst gegen Ebola entwickelten Medikament Remdesivir, das die RNA-Polymerase und damit die Virusreplikation stoppen kann, und des neuen Rheumamittels Baricitinib als Hemmstoff für eine überschießende Immunreaktion. Denn eine aktuelle Studie mit gut 1000 Probanden ergab, dass die frühe Behandlung der Betroffenen mit diesem Mix zu einer deutlichen Verkürzung der Genesung führte und auch ihre anschließende Erholung beschleunigte. Beide Mittel sind in Europa zugelassen und kommen auch schon zum Einsatz, zeitgleich werden weitere Studien durchgeführt.
Die Verabreichung in einer frühen Phase der Erkrankung wird auch bei dem Anfang der 2000er-Jahre vom oberösterreichischen Genetiker Josef Penninger gegen die Sars- und Mers-Coronaviren mitentwickelten Medikament APN01 angestrebt. Das Enzym verhindert ebenfalls den Eintritt der Viren in Zellen. Dazu dockt es an den Viren an und blockiert sie an jenen Stellen, die sie benötigen, um eine Verbindung mit den ACE2Rezeptoren auf den Zellen einzugehen und in sie einzudringen. Erst Mitte März wurden vielversprechende Studienergebnisse präsentiert – allerdings nur bei schwer erkrankten Patienten. Jene, die mit APN01 behandelt wurden, starben seltener und mussten kürzer beatmet werden als Patienten aus der Kontrollgruppe. Zudem reduzierte sich die Menge an Viren in ihrem Körper. Eine neue Studie mit mehr Teilnehmern ist in Vorbereitung. Um eine Zulassung wurde in Europa noch nicht angesucht.
Antikörper-Cocktails
Die größten Fortschritte wurden in den vergangenen Monaten bei der Anwendung von künstlich hergestellten monoklonalen Antikörpern erzielt. Diese aus einem einzigen Klon hergestellten und somit identischen Antikörper können nicht nur in den Entzündungsprozess eingreifen, manche richten sich auch direkt gegen den Erreger und verhindern sein Andocken sowie Eindringen in die menschlichen Zellen – passive Immunisierung heißt die Behandlungsmethode. Im Gegensatz zur aktiven Immunisierung (durch eine Impfung oder überstandene Erkrankung, wodurch der Körper selbst Antikörper bildet) wird das Immunsystem des Patienten also umgangen, indem ihm fremde Antikörper injiziert werden.
„Das Prinzip ist eine Weiterentwicklung der Antikörpertherapie mit Blutplasma, bei der Infizierten die Antikörper genesener Personen verabreicht werden“, sagt Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde des Linzer Kepler-Universitätsklinikums. „Denn dabei haben wir herausgefunden, dass wir das Blutplasma falsch, nämlich zu spät, injizieren. Und je später es verabreicht wird, desto geringer ist die Wirkung. Aber wir hatten auch keine andere Wahl, denn Blutplasma war ein rares Gut, also bekamen es in der Regel jene Patienten, denen es am schlechtesten ging.“
Die künstlich produzierten Antikörpercocktails kommen daher zum Einsatz, noch bevor Infizierte schwer erkranken. Dazu gehören etwa Bamlanivimab/Etesevimab (vom US-Unternehmen Eli Lilly) und REGNCoV-2 der Roche-Tochter Regeneron, bestehend aus den beiden Antikörpern Casirivimab und Imdevimab, die auch dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump während seiner Erkrankung verabreicht wurden. Jüngsten Studien zufolge kann die Verabreichung dieser Medikamente die Zahl der Spitalsbehandlungen nach einer Erkrankung um 70 bis 80 Prozent verringern, wenn sie innerhalb von 72 Stunden nach einem positiven Test verabreicht werden.
Wien. Optimismus ist Pflicht, sagte einst Karl Popper. Diesem Motto dürfte derzeit auch die Bundesregierung folgen. Denn die Stimmung nach dem Corona-Gipfel am Freitag war von Zuversicht und Zweckoptimismus geprägt: „Die Freiheit ist zum Greifen nah“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach den Gesprächen mit Opposition, Experten und Landeshauptleuten, die die Regierungsspitze nach dem offiziellen Trauergedenken der Corona-Toten, dem auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen beigewohnt hatte, am Freitag führte. Ein Überblick über die aktuelle Lage auf den Intensivstationen, den Impffortschritt und die nun in Aussicht gestellten Öffnungen.
1 Wie angespannt ist die Lage in Österreichs Intensivstationen derzeit?
Bis zuletzt war die Auslastung der Intensivstationen, vor allem im Osten, im kritischen Bereich. Der Trend dürfte nun aber endlich in die richtige Richtung zeigen: Am Freitag meldeten Gesundheits- und Innenministerium bei den Neuinfektionen – wie am Tag zuvor – einen Wert unter 3000 (2416), die Sieben-Tage-Inzidenz liegt damit bei 204,6. Im Kanzleramt rechnete man am Freitag schon in drei oder vier Tagen mit einer deutlichen Entspannung in den Spitälern.
„Jene, die den Weltuntergang vorausgesagt haben“und – wie SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sowie eine Reihe namhafter Experten – einen bundesweiten Lockdown gefordert hatten, hätten sich geirrt, sagte Kurz. Tatsächlich war die Ampel-Kommission am Donnerstag davon ausgegangen, dass der Höhepunkt der dritten Welle in Österreich vorläufig erreicht sei. Niki Popper, Simulationsforscher der Nation, schürte am selben Tag ebenfalls Hoffnungen: In der „ZiB 2“erklärte er, dass alles „sehr bald besser wird“. Popper sprach allerdings von zwei oder drei Wochen, in denen man die Intensivstationen noch „im Auge behalten“müsse. Bei den dort tätigen Pflegekräften bedankte sich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne): Diese gingen vielfach „an ihre Grenzen und darüber hinaus“.
2 Wann ist mit einer Durchimpfung der österreichischen Bevölkerung zu rechnen?
Aufgrund der früher gelieferten Million an Dosen von Biontech/Pfizer wird sich das
Impftempo deutlich erhöhen. Kurz sprach von einem „Turbo“für den Impffortschritt. „Jeder, der geimpft werden möchte, wird bis Ende Juni seine Impfung erhalten“, sagte der Bundeskanzler, der mit rund 100.000 zusätzlichen Dosen im April, 300.000 Dosen im Mai und 600.000 Dosen im Juni rechnet. Aktuell (Stand Freitagnachmittag) erhielten in Österreich rund 1,7 Millionen Menschen eine erste Dosis.
3 Wann und wo ist mit ersten Öffnungsschritten zu rechnen?
Insgesamt ein Viertel der Österreicher ist aktuell gegen das Coronavirus immun: 18 Prozent sind das infolge einer überwundenen Erkrankung, weitere sieben Prozent haben zumindest eine Teilimpfung erhalten. Treffen die Prognosen Poppers zu, wird die Quote der Immunisierung Ende Juni schon bei 73 Prozent liegen. Von Expertenseite hieß es seit Beginn der Pandemie, dass bei einer Immunisierung von zwei Drittel der Bevölkerung die Rückkehr in ein mehr oder weniger normales Leben möglich sein wird.
Das stellt nun erste Lockerungen in Aussicht, bei denen der Kanzler aber weiterhin an der Strategie der Regionalisierung festhalten will. Konkrete Pläne erarbeitet